Ein Fischer holt halt an Bord eines Schiffes gefangenen Kabeljau aus den Netzen. © picture alliance/Bildagentur-online/Nilsen-McPhoto

Wie Fischer aus der Krise kommen wollen: "Nicht nur meckern"

Stand: 17.06.2022 17:45 Uhr

Die Küstenfischer in Schleswig-Holstein stecken tief in der Krise. Auf dem Landesfischereitag in Rendsburg haben sie am Freitag darüber diskutiert, wie sie es trotz Fangverboten und Umsatzeinbrüchen es schaffen können zu überleben.

Ob in Büsum, Flensburg, Travemünde oder Heiligenhafen: In den Häfen ist es längst nicht mehr so, wie es früher einmal war. Damals lagen hier noch viele Fischkutter und Kunden standen an der Kaimauer Schlange. Die Kutter der Fischer sieht man heute seltener. Dafür umso mehr schmucke Segel- und Motorjachten. Und deren Besitzer essen im Hafenrestaurant wahrscheinlich eher Dorade aus dem Mittelmeer als Dorsch aus der Ostsee. Denn der darf - genauso wie Hering - kaum noch gefangen werden. Die EU hat die Fangquoten für die Ostsee immer weiter herabgesetzt, damit sich die bedrohten Bestände erholen können. "Rauszufahren lohnt sich kaum noch", sagen die letzten, alteingesessenen Fischer. Die jährliche Fangmenge in Schleswig-Holstein ist allein im Zeitraum von 2019 bis 2021 um mehr ein Drittel geschrumpft.

Fischermeister: "Leben von Luft und Liebe"

Fischer stecken in der Zwickmühle: Die Umsätze brechen immer mehr ein, Nachfrage und Preise für Plattfisch sind niedrig und der Schiffsdiesel kostet so viel wie noch nie. "Eigentlich leben wir von Luft und Liebe", scherzt der Vorsitzende des Landesfischereiverbands, Lorenz Marckwardt. Galgenhumor nennt man das wohl. Denn Marckwardt und seine Kollegen stecken in ihrer größten Krise. "In Eckernförde", erzählt der Fischermeister, "lagen vor 20 Jahren noch 15 Kutter, heute nur noch einer." In ganz Schleswig-Holstein gebe es noch gerade mal 140 Berufsfischer an den Küsten. Tendenz weiter sinkend. Der Nachwuchs fehlt, der Altersdurschnitt der Ostsee-Fischer liegt bei Mitte 50. Marckwardt befürchtet, dass Schleswig-Holstein mit der Fischerei ein Stück Kulturgut verloren gehen wird.

Düstere Prognosen für Schleppnetzfischerei

In der Stimme des Fischers hört man Wehmut und Frust: Er habe den Eindruck, dass die Fischerei nicht mehr gewollt sei. "Teile der Politik würden die Betriebe am liebsten am langen Arm verhungern lassen", klagt Marckwardt, der keine Scheu hat auszusprechen, was er denkt. Auch wenn er damit aneckt. Für die gezielte Schleppnetzfischerei in der Ostsee sieht er aufgrund der Fangverbote, die wohl auch in den nächsten Jahren bestehen bleiben, keine Zukunft mehr. An der Nordsee haben manche Krabbenfischer nach wirtschaftlich schwierigen Jahren und drastisch gestiegenen Energiekosten die Netze sogar für immer eingeholt und sind in die Insolvenz gegangen.

Entschädigungen überlebensnotwendig

Doch dass gar keine Hilfe von der Politik kommt, wäre gelogen. Sehr wohl haben Fischer Ausgleichszahlungen für gesenkte Quoten bekommen, genauso wie Prämien für zusätzliche Liegetage, um Dorsch und Hering zu schonen. Und der Verbandsvorsitzende Marckwardt weiß diese Prämien durchaus zu schätzen. Er hofft, dass die Zahlungen beibehalten werden, weil sie seiner Meinung nach wichtig für das Überleben vieler Betriebe sind. Aber das reiche nicht. Der Verband fordert zusätzlich eine Neuauflage der Abwrackprämie. Und zwar so, dass sie sich auch wirklich lohne. Zuletzt war die Prämie gefloppt, wurde von den Fischern nicht angekommen. Der Grund: Vorherige Ausgleichszahlungen wurden gegengerechnet und am Ende, so kritisieren die Fischer, wäre für sie kaum etwas übriggeblieben.

Neue Ideen, Geld zu verdienen

Doch Entschädigungen allein machen die Branche nicht zukunftsfest. Sie wird sich wandeln müssen. Die Fischbestände, sagen Wissenschaftler, werden sich so schnell nicht erholen - zumindest nicht nachhaltig. Deshalb hat der Verband Ideen gesammelt, wie die Familienbetriebe alternativ Geld verdienen können. Zumindest als Überbrückung. Auf dem Landesfischereitag in Rendsburg wurden solche Konzepte diskutiert. Laut Marckwardt geht es dabei zum Beispiel um Sicherungsfahrten beim Aufbau von Offshore-Windparks, um Trauungen auf dem Kutter, Seebestattungen oder Touristentouren inklusive Schweinswal-Beobachtung. "Es nützt ja nichts, wenn wir immer nur meckern", meint der Fischer. "Wir müssen auch selbst neue Wege gehen, bis wieder bessere Zeiten kommen."

Kombi aus Fischerei und Tourismus von Fischern nicht erwünscht

Doch die Vorschläge des Verbandes ernten nicht nur Applaus. Einige Fischer äußerten sich auf dem Verbandstreffen kritisch. Dass sie in Zukunft nicht mehr nur rausfahren und Fische fangen sollen, sondern zusätzlich auch Gäste mitnehmen, ist für sie keine Lösung. Ausfahrten aufs Meer, Seebestattungen oder Events, fast keiner hält die Pläne des Verbandes für realistisch. Viele befürchten zu hohe bürokratische Hürden und bemängeln, dass diese Kombination aus Fischerei und Tourismus mit ihrem eigentlichen Beruf nicht mehr viel zu tun habe.

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NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 17.06.2022 | 16:00 Uhr

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