Weniger Kreißsäle in SH: Wo können Frauen noch Kinder zur Welt bringen?
Es gibt immer weniger Geburtsstationen und damit Kreißsäle in Schleswig-Holstein. In Eckernförde wird nun möglicherweise eine weitere Station endgültig geschlossen. Sozialverbände und Teile der Belegschaft demonstrieren für den Erhalt des Standorts.
Die Anzahl der Geburtsstationen in Schleswig-Holstein nimmt seit 20 Jahren ab. Von mehr als 25 Geburtsstationen, die es zur Jahrtausendwende im Land gab, sind heute noch 18 übrig. Kreißsäle in Niebüll, Föhr und Oldenburg fielen in den vergangenen acht Jahren weg, zuletzt folgte im Januar die Schließung der Geburtsstation im DRK-Krankenhaus Mölln-Ratzeburg (Kreis Herzogtum Lauenburg). Als Gründe führte das betroffene Krankenhaus fehlende Belegärzte und die gesunkene Geburtenrate an.
In den vergangenen drei Jahren seien dort jeweils weniger als 300 Kinder entbunden worden. Liege die Zahl der Geburten weit unter 500, fehle es den Fachkräften an der notwendigen Praxis. Dies wiederum könne im äußersten Fall zu einer steigenden Rate von Komplikationen führen.
Mehr Kliniken für mögliche Risikogeburten
Beim Großteil der bereits geschlossenen Geburtsstationen im Land handelte es sich nach Angaben des Gesundheitsministeriums um Geburtsstationen des niedrigsten Standards. In Deutschland werden die Geburtsstationen in vier Stufen eingeteilt, "Level-4" ist die niedrigste Stufe. Nur Mütter, bei denen keine Komplikationen zu erwarten sind, dürfen hier entbinden. Risikoschwangerschaften und Mehrlingsgeburten hingegen müssen in Kliniken mit einem Perinatalem Schwerpunkt, also einer Station der "Level-1-3", behandelt werden. Von den 18 noch verbleibenden Geburtsstationen in Schleswig-Holstein verfügen elf über einen Perinatalen Schwerpunkt, lediglich sieben werden als Stationen des niedrigsten Levels klassifiziert.
Protest gegen Schließung in Eckernförde
Auch die Geburtshilfestation der Imland-Klinik in Eckernförde ist als eine "Level-4"-Station eingestuft. Bereits im Januar hatte die Geschäftsführung die geplante Schließung der Station verkündet. Das Krankenhaus plant, die Geburtsstation künftig mit zwei Bereichen in Rendsburg zu konzentrieren. Die dort bereits vorhandene Station ist als "Level-2" eingestuft.
Doch gegen die Pläne der Imland-Klinik mehrt sich Protest. Unter dem Motto "Arbeitsplätze sichern und die Grund- und Regelversorgung mit Geburtenstation erhalten" demonstrieren am Sonnabend fünf Organisationen für den Erhalt des Standorts. Mit dabei sind auch Mitgliederinnen des Hebammenverbands Schleswig-Holstein. Sie äußerten bereits in der Vergangenheit Kritik an der voranschreitenden Zentralisierung der Kreißsäle.
Hebamme: "Nicht jede Frau braucht Hightech-Medizin"
Das Schließen von Geburtsstationen wie in Eckernförde bedeute für viele Frauen weitere Wege, längere Fahrtzeiten und eine schlechtere Versorgung. "Das hat Prinzip, denn ein Viertel der Kreißsäle in Schleswig-Holstein sind im Laufe der vergangenen zehn Jahre dicht gemacht worden", so die Vorsitzende Anke Bertram. Der Argumentation, dass durch geringere Geburtszahlen in Kliniken die Versorgungsqualität leide, folge der Hebammenverband Schleswig-Holstein nicht. "Nicht jede Frau braucht Hightech-Medizin", so Bertram.
Keine Versorgungslücke durch Zentralisierung
Die Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein e.V. bewertet die voranschreitende Zentralisierung der Geburtshilfestationen im Land differenziert. Nach den bisherigen Schließungen einzelner Geburtsstationen seien keine großen Versorgungslücken entstanden. Zudem würden auch viele der werdenden Mütter mittlerweile größere Zentren gegenüber kleineren Stationen bevorzugen, so Geschäftsführer Patrick Reimund.
Im konkreten Fall der bevorstehenden Schließung der Geburtshilfestation in Eckernförde sei nachvollziehbar, dass sich der Krankenhausträger für einen Zusammenschluss mit der Station in Rendsburg entschieden habe. "Es ist aber immer eine Abwägung zwischen der Qualität der Versorgung und den Wegen, die die Mütter auf sich nehmen müssen", sagte Reimund. Die Entfernung zur nächsten Geburtsstation in der Region Rendsburg-Eckernförde werde für Schwangere aus der Region größer - unzumutbar sei dies aber nicht, so Reimund.
40 Minuten bis zur nächsten Klinik
Einen ähnlichen Standpunkt vertritt auch die betroffene Imland-Klinik selbst. Bei einem Wegfall der Geburtshilfe am Standort Eckernförde ergäbe sich keine relevante Änderung für lebensbedrohliche Notfälle und für die Möglichkeiten der flächendeckenden rettungsdienstlichen Versorgung der Bevölkerung, so die Klinik. Zwar bräuchten Selbstfahrer aus den dünn besiedelten Gebieten im Nordosten des Kreises dann mitunter mehr als 40 Minuten bis zum nächsten Krankenhaus, dies sei aber vergleichbar mit anderen Orten in Schleswig-Holstein. Darüber hinaus handele es sich bei den empfohlenen 40 Minuten Fahrzeit bis zum nächsten Krankenhaus lediglich um einen Richt- und keinen Grenzwert.
Votum des Kreistags entscheidend
Ob mit der Schließung der Station in Eckernförde tatsächlich ein weiterer Geburtsstandort wegfällt, bleibt abzuwarten. Heute Nachmittag versammeln sich Sozialverbände und Teile der Belegschaft um 15 Uhr am Skaterpark in Eckernförde, um gemeinsam für den Erhalt des Standorts zu demonstrieren. Ausschlaggebend für die Zukunft der Geburtshilfestation ist jedoch das Votum des Kreistags. Dieser tagt am kommenden Montag und wird voraussichtlich eine Entscheidung zum vorgelegten Konzept der Imland-Klinik treffen.
