Ein meterhoher Müllberg befindet sich auf einem verlassenen Recyclinghof in Norderstedt © NDR

Urteil im Norderstedter Müllberg-Prozess: Zwei Jahre Bewährung

Stand: 09.12.2022 17:06 Uhr

Seit Ende Oktober musste sich der frühere Betreiber einer Mülldeponie vor dem Norderstedter Amtsgericht verantworten. Am Freitag dann das Urteil: Weil der 61-Jährige für den riesigen Müllberg in Norderstedt-Friedrichsgabe mitverantwortlich sein soll, bekam er eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.

von Hannah Böhme

Auf der Deponie hatte sich ein mehrere Tausend Tonnen schwerer Müllberg angesammelt. Mitverantwortlich daran: Der 61-jährige frühere Betreiber. Zu diesem Schluss kam das Amtsgericht Norderstedt. Demnach hatte er trotz einem von den Behörden verhängten Aufnahmestopp weiter Abfälle angenommen. Ein großer Teil des Müllbergs seien allerdings Altlasten, für die der Angeklagte nicht verantwortlich sei, so das Gericht. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Angeklagten zwei Jahre und sechs Monate ohne Bewährung und eine Geldstrafe von 3,3 Millionen Euro gefordert. Stattdessen wurden es laut Gericht zwei Jahre auf Bewährung, hinzu kommt eine Geldstrafe von rund 600.000 Euro.

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Es geht um Tausende Tonnen Müll

Der Müllberg, um den es geht, ist wohl eher eine Müll-Landschaft. Mehrere Tausend Tonnen Abfall türmen sich seit Jahren meterhoch auf einer Fläche von etwa 5.000 Quadratmetern auf der Deponie in Norderstedt-Friedrichsgabe. Der 61-jährige Ex-Betreiber soll laut Anklage auf seiner Deponie weiter Müll angenommen haben, obwohl die zuständige Behörde, das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), einen Aufnahmestopp verhängt hatte.

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Außerdem befinden sich unter den Abfällen laut Gutachtern auch gefährliche Stoffe wie krebserregender Asbest und teerhaltige Dachpappe. Dafür brauchen Deponien eigentlich spezielle Genehmigungen, die der Angeklagte laut Anklageschrift aber nicht hatte. 2017 hatte das LLUR Gad Rüdiger G. angeschrieben und auf die Gefahren, die von dem Müll auf seinem Gelände ausgehen können, aufmerksam gemacht. Daraufhin verschwand er von der Bildfläche und war weder für Behörden noch für die Polizei zu erreichen.

Verständigung zwischen Prozessbeteiligten platzte

Vor rund einem Jahr dann die Überraschung: Über seinen Anwalt meldete sich Gad Rüdiger G. bei der Kieler Staatsanwaltschaft. Seit Oktober saß er deswegen auf der Anklagebank und musste sich wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen und unerlaubten Betreibens von Anlagen verantworten - jeweils in besonders schwerem Fall. Das Gesetz sieht nach Angaben einer Gerichtssprecherin dafür eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Im Zweifel also deutlich mehr als das, worauf sich die Prozessbeteiligten vor Verhandlungsbeginn Ende Oktober noch geeinigt hatten - nämlich zwei Jahre auf Bewährung. Doch diese sogenannte Verständigung war am zweiten Prozesstag schon wieder vom Tisch. Der Grund: Die beiden Schöffinnen hatten im Vorfeld keine Akteneinsicht, konnten sich also nicht wie alle anderen vor Prozessstart ein Bild machen und deshalb auch nicht zusichern, dass ihnen das Strafmaß von maximal zwei Jahren auf Bewährung ausreichen würde.

Angeklagter äußert sich über Anwalt

Trotz geplatztem "Deal" ließ sich der Angeklagte an diesem zweiten Verhandlungstag umfassend über seinen Anwalt auf die Vorwürfe ein und gab eine Erklärung ab, wie es zu dem riesigen Müllberg kommen konnte. Demnach war der gelernte Autoschlosser über Jahre hinweg überfordert: Sein Vater und seine Frau, die beide wichtige Rollen im Betrieb hatten, seien früh verstorben. Dem 61-Jährigen, der vor allem für den An- und Abtransport der Container zuständig war, fehlte laut Anwalt zudem das kaufmännische Know-how, um sich angemessen um beispielsweise betriebswirtschaftliche Kalkulationen zu kümmern. Für die Asbest-Abfälle auf der Deponie sei er nicht verantwortlich: Die habe sein verstorbener Vater noch angenommen, der vor ihm den Betrieb geleitet hatte.

Gericht besichtigt Deponie

Im weiteren Prozessverlauf machten sich der Richter und seine beiden Schöffinnen bei einem Ortstermin selbst ein Bild vom Ausmaß des Müllbergs in Norderstedt-Friedrichsgabe. Außerdem wurden verschiedene Gutachter und eine Mitarbeiterin des zuständigen Landesamtes LLUR als Zeugen gehört. Schlussendlich kam es jetzt doch zu dem Strafmaß, das schon zu Prozessbeginn vereinbart worden war.

Was ist mit dem Gelände?

Abgeschlossen ist das "Kapitel Müllberg" nun aber noch lange nicht. Die 5.000 Quadratmeter große Fläche gehört nach einem Zwangsversteigerungs-Verfahren mittlerweile der Stadt Norderstedt. Um die Räumung will sich aber das Land kümmern. Das Umweltministerium sucht nach eigenen Angaben gerade nach den entsprechenden Unternehmen, die die Arbeiten planen und dann auch ausführen können. Eine verbindliche Aussage, wann es losgeht, gibt es nicht. Aber, wenn alles nach Plan läuft, könnte die Räumung nach Angaben des Umweltministeriums im kommenden Sommer beginnen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 09.12.2022 | 15:00 Uhr

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