Ein Leguan liegt unter einer UV-Lampe auf einem Ast in seinem Terrarium. © NDR Foto: Simone Mischke

Tierschutzzentrum Weidefeld: Exoten sind keine Haustiere

Stand: 24.02.2023 21:26 Uhr

Im Tierschutzzentrum Weidefeld in Kappeln werden momentan 160 exotische Tiere betreut, damit ist es nahe an seiner Kapazitätsgrenze. Die Leitung rechnet aber damit, dass durch gestiegene Kosten weiter Reptilien und Co. hinzukommen werden.

von Simone Mischke

Leguan Leopold sitzt regungslos unter einer UV-Lampe auf einem Ast in seinem Terrarium im Tierschutzzentrum Weidefeld in Kappeln (Kreis Schleswig-Flensburg). Er öffnet nur einmal kurz die Augen, als sein Pfleger das Terrarium betritt. Wie viele Reptilien braucht der Leguan eine Raumtemperatur zwischen 28 und 32 Grad. Leopold ist hier Dauergast.

So auch etliche Königs- und Teppichpythons, Bartagame und Schildkröten, die teilweise schon seit Jahren hier leben. Sogar ein neun Meter langer Netzpython ist dabei. "Der wurde beschlagnahmt, weil die Tiere in Schleswig-Holstein verboten sind", erklärt der Biologe und stellvertretende Leiter des Zentrums, Patrick Boncourt. Tiere, die er nicht weitervermitteln kann - einmal hier angekommen, bleiben sie oft bis an ihr Lebensende.

Leopold braucht viel Pflege

Für Leguan Leopold ist hier im Tierschutzzentrum vermutlich auch Endstation. Eigentlich müssten seine Rückenstacheln aufgerichtet sein. "Das ist bei Leguanen ein Zeichen dafür, dass es ihnen gut geht", sagt Boncourt. Leopolds Stachel hängen dagegen herunter, außerdem frisst er zu wenig. Seit einem Jahr ist Leopold jetzt hier, wird liebevoll aufgepäppelt und medizinisch versorgt. Er hat Parasiten, die ihn schwächen. Gegen das Ungeziefer braucht Leopold regelmäßig Antibiotika. "Vor einem Jahr wurde er mitten in der Kieler Innenstadt auf dem Bürgersteig gefunden - einfach ausgesetzt. Das weiß man, weil der frühere Besitzer den Behörden wohl bekannt ist", ärgert sich Patrick Boncourt.

Leopolds Pfleger tut alles, damit es dem Leguan gut geht. Er wäscht sorgfältig das Gemüse und den Salat für ihn, "damit er keine Pestizide aufnimmt, die können Reptilien schlecht ausscheiden." Er schneidet alles sorgfältig klein und richtet es auf einem Teller an. "Der Pflegeaufwand für Leguane ist groß. Das haben die wenigsten auf dem Zettel, die sich so ein Tier anschaffen", sagt Patrick Boncourt.

Reptilien: teuer zu halten und kaum weiter zu vermitteln

Eine Bartagame in ihrem Terrarium. © NDR Foto: Simone Mischke
Günstig in der Anschaffung - teuer im Unterhalt. Dennoch hat der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZZF) die Bartagamen zum ersten Heimtier des Jahres 2023 ernannt.

In seine Station kommen die Tiere, die die Tierheime nicht mehr aufnehmen können, weil sie aus allen Nähten platzen. Seit 2016 haben sie hier auch ein Reptilienhaus. Aus allen Bundesländern nehmen Patrick Boncourt und sein Team Tiere auf: Reptilien, die ausgesetzt oder beschlagnahmt wurden, weil sie verboten sind. Ausgesetzt, weil sie ihren Besitzern zu teuer oder zu zeitaufwändig geworden sind. Momentan sind gut 160 Reptilien da, bis zu 180 können sie aufnehmen. Dann wird es wirklich eng.

Boncourt registriert: "Wir bekommen zunehmend mehr Anfragen aus den Heimen." Denn zum einen wachen die Reptilien langsam aus der Winterruhe auf, zum anderen trudeln den Besitzern von Bartagame & Co. jetzt die Abrechnungen der Energiekosten ins Haus. "Viele private Tierhalter können das nicht mehr stemmen", sagt Boncourt und rechnet vor: Schon für eine kleine Echse wie eine Bartagame könnten pro Jahr schnell im Schnitt 800 Euro zusammenkommen: rund 230 Euro allein für eine UV-Lampe, dazu kommen Heizmatten, Futter und Tierarztkosten. "Vielen Haltern ist das vorher gar nicht klar. Eine Bartagame kostet vielleicht 20 Euro in der Anschaffung. Aber über die Folgekosten macht sich keiner Gedanken. Und dann ist die Überraschung groß, wenn etwa der Tierarzt seinen Kostenvoranschlag präsentiert. Da sind die Kosten ja auch hochgegangen."

Reptilienhaus verschlingt zwei Drittel der Kosten

Eine große Schlange hängt an einem Ast. © NDR Foto: Simone Mischke
Gerade Exoten wie Schlangen, Schildkröten oder Echsen brauchen eine warme Umgebung - was in unseren Breitengraden den Einsatz von Wärmelampen erfordert.

Gestiegene Kosten - mit diesem Problem kämpft auch die Tierschutzstation Weidefeld. "2021 hatten wir 3.000 Euro monatlich Abschlag, nur für Strom. Jetzt sind wir schon bei 4.100 monatlich. Futter und Tierarzt sind teurer und auch unser Personal lebt ja nicht von Luft und Liebe, das sind schließlich alles Fachkräfte", erklärt der studierte Biologe Boncourt. Einfach die Temperatur reduzieren? "Das geht nicht. Dann gehen die Tiere ein". Sie bekommen zwar nach wie vor Spenden, auch jetzt in der schwierigen Zeit. Doch wenn mehr Geld für Strom und Wasser aufgewendet werden muss, klemmt es an anderen Ecken.

Aber nicht nur die Kosten belasten, denn die Reptilien, die sie hier aufnehmen, können sie kaum weitervermitteln. "Der Markt ist so gesättigt, im Internet kann man einen Königspython für einen Euro kaufen." Und so kommen zu den tierischen Dauergästen eben immer mehr neue Tiere dazu - die wiederum auch bleiben werden. "Das wird sich weiter zuspitzen, wenn die privaten Halter ihre Stromnachzahlungen erhalten haben", ist Patrick Boncourt sicher. Die Kapazitäten sind hier dauerhaft angespannt. In einem der Gänge etwa teilen sich vier Königspythons ein Terrarium. "Eigentlich müsste jeder für sich sein, die Tiere sind Einzelgänger. Aber es muss gehen. Nur beim Füttern müssen wir die Schlangen trennen", erklärt der Biologe.

Fehlende Sachkunde führt zu Tierleid

Dabei könnte das Leid vieler Tiere verhindert werden, ist Patrick Boncourt sicher. "Es fehlt an Sachkunde. Wer ein exotisches Tier kauft, muss nicht nachweisen, dass er sich damit auskennt." Sei es mit dem Stoffwechsel der Tiere, der komplett anders als bei Säugetieren funktioniere, oder mit deren Fütterung. Boncourts Meinung nach gehören Exoten gar nicht in private Hände. "Viele der Tiere, wie etwa unser Leguan Leopold, die verzeihen keine Haltungsfehler. Und die sind zu 90 Prozent der Grund dafür, dass Exoten aus privater Haltung beim Tierarzt landen", sagt er.

Er wolle gar nicht in Abrede stellen, dass es Menschen gebe, die sich mit Exoten auskennen und die Tiere artgemäß halten. Doch das seien wenige. Wie viele Exoten privat als Haustier gehalten werden, dazu gebe es kaum belastbare Zahlen. "Meine persönliche Schätzung?", so Boncourt: "Zwischen sechs und zehn Millionen."

Bundeslandwirtschaftsminister fordert strengere Regeln

Die private Haltung von Reptilien und Co. ist auch in der Politik immer wieder Thema. Aktuell fordert Bundeslandschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) eine sogenannte Positivliste. Die soll regeln, welche exotischen Tiere privat gehalten werden dürfen, und verhindern, dass bedrohte oder verbotene Tierarten in den Handel gelangen. Für Patrick Boncourt wäre das ein richtiger und wichtiger Schritt. Für die allermeisten Tiere hier im Reptilienhaus kommt er zu spät - wenn er überhaupt kommt.

Verhalten optimistisch für Leguan Leopold

Und Leopold? Der ist momentan immer noch schlapp, das bereitet Patrick Boncourt Kopfzerbrechen. Er ist aber verhalten optimistisch: "Sein Leiden ist chronisch. Aber wir können es wohl hinkriegen, ihm für ein paar Jahre noch eine gewisse Lebensqualität zu schenken. So alt wie ein normaler Leguan wird er aber nicht werden." In Freiheit können Leguane um die 20 Jahre alt werden - in Gefangenschaft nur etwa zehn.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 27.02.2023 | 19:30 Uhr

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