Eine Frau und ein Mann in einer Ausgrabungsstelle. © NDR Foto: Peer-Axel Kroeske

Schleswiger Wikinger-Forscher fusionieren mit Mainzer Museum

Stand: 12.07.2022 18:33 Uhr

Das Schleswiger Zentrum für Baltische und Skandinavische Ärchäologie und das Römisch-Germanische Zentralmuseum Mainz gehen zusammen. Es entsteht zum 1. Januar 2024 ein neues Leibnizinstitut für Archäologie.

Der Standort in Schleswig bleibe allerdings mit seinen 40 festen und freien Mitarbeitenden erhalten, sagte der Gründer und Leiter des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA), Claus von Carnap-Bornheim. Es sei keine feindliche Übernahme, wenn sich die Schleswiger Forscher den Mainzern anschließen. Im Gegenteil: Für ihn ist die bevorstehende Fusion ein Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Laufbahn, sagte er im Interview mit dem NDR Schleswig-Holstein.

Was sind die Vorteile, wenn zwei solche Institute zusammengehen?

Claus von Carnap-Bornheim © Landesmuseum Schleswig-Holstein / C. Dannenberg
Freut sich über die Fusion: Der Schleswiger Chef-Archäologe Claus von Carnap-Bornheim.

Claus von Carnap-Bornheim: Für die finanzielle Ausstattung bedeutet das, dass das ZBSA - das bislang allein vom Land Schleswig-Holstein finanziert wird - jetzt über das Leibniz-Institut in die Bundesförderung kommt. Von einem Gesamtetat von etwa 3,3 Millionen werden jetzt mehr als 60 Prozent durch den Bund finanziert. Wir schaffen es also in der Finanzierung aus einer Landesförderung in eine Bundesförderung zu springen.

Das Zweite ist der wissenschaftliche Aspekt. Das Römisch-Germanistische Zentralmuseum in Mainz forscht mehr in Mittel- und Südeuropa und auch in Südosteuropa. Wir forschen in Nordeuropa und Ostmitteleuropa. Jetzt gelingt es, diese Forschungsräume zusammenzubinden und die Kolleginnen und Kollegen in ihren Perspektiven und Forschungsansätzen zu verbinden. Das Bild wird dadurch einfach vielfältiger. Das kann man sicherlich auch sagen: Das neuen Institut wird absolut attraktiver - auch für europäische Antragstellungen insgesamt.

Was können Sie ab 2024 machen, was bisher noch nicht möglich war?

von Carnap-Bornheim: Ein Beispiel dafür ist die Frage, wie die Wikinger sich hier in Schleswig-Holstein und im Norden, wie deren Verhältnis sich zum Beispiel zur byzantinischen Welt entwickelt und aufgestellt hat. Da haben wir hier in Schleswig keine Forschungskompetenz. Wir haben eine große Forschungskompetenz in der wikingerzeitlichen Archäologie. Im RGZM gibt es Leute, die sind super verdrahtet in der Welt von Byzanz, also im östlichen Mittelmeerraum.

Das wollen wir zusammenbinden. Welchen Einfluss haben die Wikinger in dieser byzantinischen Welt gehabt? Und auf der anderen Seite wollen wir natürlich wissen, welchen Einfluss Byzanz auf die Welt der Wikinger gehabt hat. Zum Beispiel in Fragen des Fernhandels. Alles was auch von der Seidenstraße, dem westlichen Ende der Seidenstraße, auch nach Haithabu gekommen ist - zum Beispiel Seidenstoffe. Das ist ja durch das byzantinische Reich gegangen. Wie hat das eigentlich funktioniert? Wer hat da Geld verdient? Das können wir jetzt auf einer ganz neuen Qualitätsstufe erforschen.

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Als Chef des ZBSA in Schleswig: Was bedeutet dieser Schritt, diese Fusion für Sie persönlich?

von Carnap-Bornheim: Als wir 2005 das erste Mal mit dem Wissenschaftsministerium über die Gründung eines Forschungsinstituts gesprochen haben, war klar, dass die Perspektive immer gewesen ist, das Institut in die nationale Forschungsförderung und in den nationalen Forschungsverbünde zu führen. Das heißt Leibniz. Das hat auch der schleswig-holsteinische Landtag so beschlossen, als er ja nicht unerhebliche Mittel für das Institut freigemacht hat. Aber ich hatte ja die Verpflichtung, das mit Leibniz zu verbinden. Das gelingt jetzt.

Was hat Sie eigentlich so gereizt, dass sie sich so ausführlich mit der Wikingerforschung beschäftigt haben?

von Carnap-Bornheim: Dieser Blick über den Horizont. Immerhin haben die das ja am Ende des neunten Jahrhunderts geschafft bis nach Island zu kommen und später bis nach Grönland. Und dann noch bis nach Nordamerika. Also was ist denn da die Motivation gewesen, sich auf solche maritimen Abenteuer einzulassen? Das fand ich schon immer faszinierend.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr von Carnap-Bornheim.

Das Interview führte Nadina von Studnitz, NDR Schleswig-Holstein

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Moin! Schleswig-Holstein – Von Binnenland und Waterkant | 12.07.2022 | 19:00 Uhr

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