Stand: 28.04.2020 19:04 Uhr

Innenminister Hans-Joachim Grote ist zurückgetreten

Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) blickt in die Kamera. © picture alliance/dpa Foto: Frank Molter
Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) ist zurückgetreten

Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) ist zurückgetreten. Hintergrund sei ein Schriftwechsel zwischen ihm und einem Journalisten, der im Zuge eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen einen Beamten der Landespolizei Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) vorgelegt worden sei, erklärte er. Danach habe es eine Aussprache mit Günther gegeben. Günther sagte am Nachmittag, Erkenntnisse aus dem Verfahren würden eine weitere Zusammenarbeit mit Grote ausschließen. Grotes Amtszeit endet mit dem Ablauf des heutigen Tages. Grotes Nachfolgerin wird die bisherige Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU), der Landtagsabgeordnete Claus Christian Claussen (CDU) wird neuer Justizminister.

Grote soll Infos weitergegeben haben

Nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein handelt es sich bei dem angesprochenen Verfahren um die Ermittlungen gegen Thomas Nommensen, den früheren stellvertretenden Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Ihm wird vorgeworfen, Dienstgeheimnisse verletzt zu haben. Im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen wurde auch Nommensens Haus durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt, was für viele kritische Fragen im Parlament und in den Medien gesorgt hatte. Grote soll in diesem Zusammenhang einem Mitarbeiter der "Kieler Nachrichten" Informationen weitergegeben haben. Der Journalist teilte sie offenbar mit Nommensen. Strafrechtlich relevant ist Grotes Vorgehen nach NDR Recherchen offenbar nicht. Es handelte sich nicht um Informationen, die als vertraulich eingestuft worden waren.

Günther: Keine vertrauensvolle Basis mehr

Günther erklärte, ihm sei am 11. März ein Bericht der Staatsanwaltschaft zu dem Verfahren weitergeleitet worden. Dieser habe Fragen aufgeworfen, die er aufgrund der Corona-Krise erst am 14. April mit ihm besprochen habe. Daraufhin habe ihm Grote eine Erklärung zu den Fragen gegeben. Am 21. April habe er weitere Informationen von der Staatsanwaltschaft erhalten: "Dieser Bericht hat für mich Erkenntnisse gebracht, aus denen mir unmittelbar klar wurde, dass eine weitere dauerhafte Zusammenarbeit auf vertrauensvoller Basis mit dem Innenminister nicht möglich ist." Deshalb habe es am Dienstag weitere Gespräch gegeben - und schließlich habe Grote seine Entscheidung getroffen.

Günther entsprach Rücktrittsgesuch "ausdrücklich"

Grote hatte zuvor in schriftlich erklärt: "Um einen möglichen politischen Schaden abzuwenden, und nicht zuletzt nach einem gesundheitlichen Rückschlag vor längerer Zeit, von dem ich mich nicht vollständig habe erholen können, habe ich dem Ministerpräsidenten heute angeboten, mein Amt als Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration in der schleswig-holsteinischen Landesregierung mit Ablauf des heutigen Tages niederzulegen", schrieb Grote. "Ich habe diesem Wunsch ganz ausdrücklich entsprochen", sagte Günther.

Grote zuvor Oberbürgermeister in Norderstedt

Der 64-jährige Grote ist seit Bildung der Jamaika-Regierung aus CDU, Grünen und FDP im Jahr 2017 Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration. Zuvor war der gebürtige Paderborner von 2005 bis 2017 Oberbürgermeister der Stadt Norderstedt.

Grote: "Kommunen waren mir ein besonderes Anliegen"

In seiner Erklärung blickte er auf sein politisches Wirken zurück: "Als langjähriger Oberbürgermeister der Stadt Norderstedt waren mir die Belange der Kommunen in Schleswig-Holstein stets ein besonderes politisches Anliegen", erklärte Grote. "Mit dem neuen Landesentwicklungsplan und dem in der vergangenen Woche vom Kabinett beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur bedarfsgerechten Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs sind dazu wichtige Weichenstellungen für eine positive Weiterentwicklung gelungen." Die Umstrukturierung der Landespolizei sei von Anfang an eines seiner zentralen Anliegen gewesen. "In diesem Zusammenhang wurde auch das neue Polizeigesetz auf den Weg gebracht."

Gewerkschaft der Polizei fordert rückhaltlose Aufklärung

Der Abgang Grotes löste unterschiedliche Reaktionen aus. Überrascht reagierte die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die GdP dankte für die Projekte, die mit Grote für die Landespolizei erreicht werden konnten. Die Erklärungen Grotes ließen aber weitere Hintergründe offen. "Hier erwarten wir eine rückhaltlose Aufklärung", sagte der Landesvorsitzende Torsten Jäger. Mit der designierten Nachfolgerin Sütterlin-Waack erwarte die Gewerkschaft schnellstmöglich vertrauensbildende Gespräche.

Stegner: Schlag ins Kontor der Landesregierung

Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) forderte eine Aufklärung der Hintergründe. "Dass der Innenminister mitten in der größten politischen Krise zurücktreten muss, ist ein gewaltiger Schlag ins Kontor der Landesregierung", sagte Stegner. Auf Antrag seiner Fraktion müsse die Landesregierung am Mittwoch im Innen- und Rechtsausschusses zu diesem Sachverhalt Rede und Antwort stehen. "Weitere Schlussfolgerungen können erst gezogen werden, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen."

Grüne finden Nachfolgerin "fabelhaft"

Grünen-Landtagsfraktionschefin Eka von Kalben dankte Grote sehr für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Jamaika-Koalition: "Gerade in der Flüchtlingspolitik haben wir mit ihm einen Partner gehabt, wenn es um humanitäre Lösungen ging." Sütterlin-Waack sei "eine fabelhafte Nachbesetzung". CDU-Fraktionschef Tobias Koch erklärte: "Wir bedauern den Rücktritt von Hans-Joachim Grote außerordentlich. Als erfahrener Kommunalpolitiker hat er in seiner Zeit als Innenminister wegweisende Projekte für Schleswig-Holstein auf den Weg gebracht."

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 28.04.2020 | 20:00 Uhr

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