Robotik im WerkHUS: Mehr als eine helfende Hand

Stand: 21.09.2022 14:34 Uhr

Im WerkHUS in Husum arbeiten rund 600 Menschen mit Behinderungen. Spezielle Robotiksysteme erleichtern ihnen einen Teil ihrer Arbeitsprozesse und eröffnen auch neue Aufgabenfelder.

von Frank Goldenstein

Schraube für Schraube nimmt er mit der linken Hand aus dem Kasten und führt sie in eine Schiene ein. Nach und nach rutschen die Schrauben in das Innere eines großen Kastens. Mit rechts führt er kleine gelbe Lampengehäuse in den Kasten. Darin befindet sich ein 35.000 Euro teurer Roboterarm, der jeweils eine Schraube in ein Gehäuse schraubt. Der Mitarbeiter, der den Roboter mit Material "füttert", heißt Kevin Tank. Er ist blind, sitzt im Rollstuhl und ist trotzdem voll integriert. "Das ist richtig klasse, früher musste ich die Schrauben selbst reinschrauben und jetzt habe ich einen eigenen Roboter, der mir hilft", sagt Kevin Tank. Und das ist wichtig. Denn seine motorischen Fähigkeiten haben in den vergangenen Jahren nachgelassen, berichtet sein Gruppenleiter Daniel Mittag. "Jeder, der hier neu hereinkommt, bekommt von Kevin erst einmal den Roboter gezeigt. Er ist mächtig stolz darauf", so Mittag.

Eine Person bei der Arbeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. © NDR Foto: Frank Goldenstein
Kevin Tank ist blind, sitzt im Rollstuhl und ist begeistert von seinem eigenen Roboter, der ihm bei der Arbeit hilft.

Jedes Jahr montieren die Mitarbeitenden im WerkHUS (ehemals Husumer Werkstätten) rund 500.000 gelbe Baustellenlampen für Straßenabsperrungen für ihren Auftraggeber, die Firma Nissen. Die Menschen mit Handicap bauen die einzelnen Bestandteile der Lampen in mehreren Produktionslinien zusammen. Die Lampen sind aber nur eine ihrer Aufgaben, auch Schrankenbäume für Tiefgaragen oder Wärmelampen für Ferkel und Lämmer fertigen sie hier - zum Teil mit Unterstützung von Robotern.

Vorbehalte konnten aufgelöst werden

"Einige hatten Vorbehalte und dachten, durch die Roboter verlieren die Menschen etwas", erzählt Okke Peters vom WerkHUS. "Aber es ist genau umgekehrt: Die Menschen gewinnen etwas. Sie sind stolz, an der Produktion teilhaben zu können." Peters ist der Einrichtungsleiter und hat Elektrotechnik studiert und jahrelang in der Technikbranche gearbeitet. Dort hat er sich auch mit dem Einsatz von Robotertechnik beschäftigt. Hier im WerkHUS kümmert sich Lars Röhe darum, den Menschen die passenden Rahmenbedingungen bei der Arbeit zu schaffen. Röhe ist gelernter Tischler und wird von seinem Chef mit einem Schmunzeln als "Halb-Verrückter" bezeichnet. "Der hat so viele Ideen, der macht einen wuselig", sagt Peters. Gemeinsam passen die beiden die Arbeitsplätze so an, dass sie den Wünschen und Möglichkeiten der Mitarbeitenden mit Behinderungen entsprechen. Drei Robotiksysteme haben die beiden mittlerweile selbst entwickelt und gebaut. Manchmal reicht aber auch ein kleines Holzpodest oder ein Holzklotz, um U-förmige Bolzen leichter in Gehäuse zu stecken.

600 Mitarbeitende mit Handicap arbeiten im WerkHUS

Vier Personen bei der Arbeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. © NDR Foto: Frank Goldenstein
Rund 600 sind im WerkHUS von Montag bis Freitag beschäftigt, haben geregelte Arbeitszeiten und eine feste Tagesstruktur.

"Wir lösen damit gleich zwei wichtige Anforderungen", sagt Okke Peters. "Zum einen integrieren wir möglichst viele Mitarbeitende in die Prozesse, da wir diese durch die Robotiksysteme vereinfachen können. Zum anderen werden wir unseren Kunden und den immer vielfältigeren Aufgaben gerecht." Ein Robotik-System hilft zum Beispiel dabei, Platinen in die Gehäuseteile der Baustellen-Lampen zu platzieren.

Durch die Erlöse aus der Produktion finanziert das WerkHUS die Roboterarme und die Gehälter der Mitarbeitenden mit Handicap. Rund 600 sind hier von Montag bis Freitag beschäftigt, haben geregelte Arbeitszeiten und eine feste Tagesstruktur. Etwa 180 weitere festangestellte Mitarbeiter kümmern sich um sie an den zwölf verschiedenen Standorten in Husum. Der Einzugsbereich reicht von Langenhorn bis nach Sankt Peter-Ording.

Arbeit für Menschen mit motorischen und psychischen Handicaps

Mit dem Einsatz der Roboter lassen sich Defizite der Beschäftigten kompensieren, die durch deren Behinderung bei komplexen Montagetätigkeiten auftreten. "Nicht ausgegrenzt zu sein und am Prozess teilzuhaben, sorgt für eine hohe Zufriedenheit bei unseren Mitarbeitenden", stellt Leiter Peters fest. "Das zu sehen, ist mehr wert als alles Geld der Welt", ergänzt Lars Röhe.

Und die Maschinen schaffen weitere Arbeitsplätze. Denn die Roboter müssen programmiert werden. Um Platinen einzusetzen, sind beispielsweise fast 250 Befehle nötig. Diese Aufgabe erledigen Beschäftigte mit psychischen Erkrankungen.

"In Schleswig-Holstein sind wir Vorreiter, was den Einsatz von Robotern in Werkstätten für Menschen mit Behinderung angeht", sagt Okke Peters. Ausruhen wollen sie sich darauf im WerkHUS nicht. Denn auch hier gebe es noch viele weitere Einsatzmöglichkeiten, bei denen Robotiksysteme für die Menschen mit Behinderung mehr als eine helfende Hand sein können.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 21.09.2022 | 19:30 Uhr

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