Prozess um Geheimnisverrat: Nommensen in Lübeck vor Gericht
Aus Sicht der Kieler Staatsanwaltschaft hat der frühere Polizeigewerkschafter Nommensen wichtige öffentliche Interessen gefährdet - und den Ruf der Polizei beschädigt. Indem er Geheiminformationen an einen Journalisten weitergab.
Wer er denn sei, wird der Mann im Sakko am Montag am Einlass der provisorischen Außenstelle des Landgerichts Lübeck gefragt. "Ich bin der Angeklagte", sagt Thomas Nommensen. Und wird hereingelassen in den mit Stacheldraht umzäunten Container-Bau, in dem die Verhandlung stattfinden wird.
Es geht um Geheimnisverrat, den Nommensen in verschiedenen Funktionen begangen haben soll: Als Polizist, als Gewerkschaftsmitglied und als Personalrat. Sechzehn Fälle aus zwei Anklagen aus dem Jahr 2020 sollen von Montag an zusammengefasst verhandelt werden.
Befangenheitsantrag abgelehnt
Doch bevor die beiden Kieler Staatsanwälte ihren Auftritt haben und die Anklageschrift vortragen können, gilt es noch einige Hürden zu überwinden: Nommensens Verteidiger Michael Gubitz hatte einen Befangenheitsantrag gegen die Richterinnen und Richter gestellt. Den lehnt der Vorsitzende Richter zwar zu Sitzungsbeginn ab. Doch Gubitz widerspricht und es folgen Diskussionen und Unterbrechungen.
Gäste und Journalisten verfolgen das Geschehen Corona-konform durchs Fenster aus einem Nebenraum. Nach einer halben Stunde sind dann die Staatsanwälte dran. Abwechselnd verlesen die beiden die gesammelten Vorwürfe. Überwiegend speisen die sich aus Chat-Nachrichten, die die Ermittler auf Nommensens Handy wiederhergestellt haben.
Öffentliche Interessen gefährdet?
Es geht um vertrauliche Informationen über Tatverdächtige, Fotos von Opfern - bis hin zu geheimen Dokumenten, die sensible Informationen enthalten. Nommensen soll sie an einen Polizeireporter weitergeleitet haben. Die Staatsanwälte leiten daraus unterm Strich den Vorwurf ab: Nommensen habe "wichtige öffentliche Interessen gefährdet", etwa Polizeieinsätze oder Ermittlungen damit behindert oder erschwert und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die "Redlichkeit der Polizei" untergraben.
Wann immer es in den Chats zwischen Polizist und Reporter um Führungskräfte etwa von Polizei oder Innenministerium geht, dann hagelt es Gossensprache und Schimpfworte - im Gerichtssaal am Montag noch einmal vorgetragen von den beiden Staatsanwälten.
Für sie steht fest, Nommensen habe besagten Führungskräften bewusst schaden wollen. "Ihm ging es allein um die Skandalisierung von ihm empfundener Missstände bei den Ermittlungsbehörden", so Oberstaatsanwalt Henning Hadeler.
Nommensen verfolgt das alles relativ ruhig, schüttelt nur hin und wieder leicht den Kopf.
Verteidigung sieht "gravierende Rechtsverstöße" bei den Ermittlern
Rund zwei Stunden später ist die Anklageschrift verlesen und Verteidiger Gubitz kann sich äußern: Er beklagt eine "aggressive Pressearbeit" der Kieler Staatsanwaltschaft mit Blick auf die Vorwürfe gegen Nommensen - und wirft der Staatsanwaltschaft seinerseits vor, es seien gezielt Infos durchgestochen worden. Sein Mandant, kritisiert Gubitz, werde "bloßgestellt."
Fragwürdig nennt Gubitz auch die Grundlagen der Anklagen: Bei den ausgewerteten Chats handle es sich um Zufallsfunde - solche Erkenntnisse seien nicht verwertbar, sagt der Verteidiger und spricht von "gravierenden Rechtsverstößen".
Weil das wiederum die Staatsanwaltschaft so nicht stehen lassen will, folgt Gegenrede auf Gegenrede. Dann ist der Verhandlungstag beendet. Thomas Nommensen selbst will sich kommende Woche ausführlich äußern.