Lotta Seidenberg, 5 Jahre, trägt links ein Hörgerät seit sie 5 Monate alt ist. © NDR Foto: NDR

Pädakustik: Mit Kuscheltieren und Zaubersteinen Hörprobleme erkennen

Stand: 27.04.2022 08:44 Uhr

Rund 500.000 Kinder in Deutschland sind schwerhörig. Für ihre Entwicklung ist es wichtig, sie frühzeitig richtig zu versorgen - eine Aufgabe für Hörakustiker mit einer Spezial-Ausbildung für Kinder.

von Naïs Baier

Etwa ein bis zwei von 1.000 Neugeborenen kommen mit einer Hörstörung auf die Welt. Eine von ihnen ist die heute fünfjährige Lotta. Bei einer standardmäßigen Untersuchung nach der Geburt wird ihr Hörproblem sofort entdeckt: "Da gab es in der Messung Differenzen bei ihr, und dann ging das halt los: Wir sind von da aus in die Uniklinik, zu einer Abteilung extra für Kinder, dann zum Hörakustiker", erinnert sich ihre Mutter Svenja Seidenberg. "Wenn man diese Diagnose kriegt, ist man erst mal geschockt und denkt: 'Gott, warum wir?' Andererseits denkt man: 'Naja, es ist nur eine Seite, es ist nur ein Hörgerät.'"

Mutter: "Am Anfang war es schwer"

Seit Lotta auf der Welt ist, kann sie auf ihrem linken Ohr nicht richtig hören. Bereits mit fünf Monaten bekommt sie ihr erstes Hörgerät. Für die Familie eine Herausforderung: "Es war schwer am Anfang, weil sie das immer als Fremdkörper wahrgenommen hat und immer wieder raus genommen hat. Und da sie halt auch noch nicht sprechen konnte, wussten wir natürlich auch nicht: Ist das zu laut, ist es zu leise?" Genau das herauszufinden, ist der Job von Claudia Brömel.

Hörtest mit Kuscheltieren und Zaubersteinen

Claudia Brömel, Hörakustik-Meisterin, Pädakustikerin und Dozentin an der Akademie für Hörakustik in Lübeck. © NDR Foto: NDR
Claudia Brömel, Hörakustik-Meisterin, Pädakustikerin und Dozentin an der Akademie für Hörakustik in Lübeck.

Die Hörakustik-Meisterin ist seit 20 Jahren auf den Umgang mit Kindern, auf die sogenannte Pädakustik, spezialisiert. "Wir brauchen sehr, sehr viel Empathie und Einfühlungsvermögen. Zuerst muss man die Eltern auffangen: Sie haben ja gerade eine Schock-Nachricht bekommen. Dann ist es bei Kindern so, dass man ein kurzes Zeitfenster hat für die Messungen." Um die Aufmerksamkeit der Kinder möglichst lange zu fesseln und ihre Reaktionen auf Geräusche beobachten zu können, werden die Messungen spielerisch verpackt: Da gibt es Handpuppen und Kuscheltiere, sprechende Bilderbücher und "Zaubersteine", die Geräusche machen können. Für jedes Alter kennt Claudia Brömel eine passende Methode, um auch bei Kindern, die noch nicht sprechen können, festzustellen, was sie hören.

Spezial-Ausbildung fürs Kindergehör in Lübeck

Alexander Wendt, Hörakustik-Geselle aus Hamburg, und Jonas Frantz, Hörakustik-Meister aus Kleve. © NDR Foto: NDR
Alexander Wendt, Hörakustik-Geselle aus Hamburg, und Jonas Frantz, Hörakustik-Meister aus Kleve.

Etwa 1.000 Pädakustiker und Pädakustikerinnen wie Claudia Brömel gibt es mittlerweile in Deutschland. Viele von ihnen absolvieren ihre Ausbildung an der Akademie für Hörakustik in Lübeck, der weltweit größten Aus- und Weiterbildungsstätte des Hörakustiker-Handwerks. Hier gibt auch Claudia Brömel ihre Methoden, Tipps und Tricks weiter. Aber auch die Theorie dahinter sowie Fachwissen, um das empfindliche Kindergehör, das Hörvermögen oder den Grad der Schwerhörigkeit genau einschätzen zu können.

Ein- bis zweimal im Jahr kommen dafür Hörakustik-Meister und -Meisterinnen sowie Hörakustik-Gesellen und -Gesellinnen aus ganz Deutschland in die Hansestadt. Das Highlight der Fortbildung: die Realitätsprobe. Dabei üben die Teilnehmenden in Kleingruppen mit Kindern und wenden die erlernten Methoden praktisch an. Claudia Brömel begleitet sie dabei. "Gerade für Teilnehmende, die überhaupt keinen Bezug zu Kindern haben, ist das sehr, sehr wichtig, zu lernen und zu erfahren: Wie funktioniert das mit einem dreijährigen Kind? Was kann ich erwarten von einem vierjährigen Kind? Wie kommuniziert man da?", erklärt die Dozentin. "Und das ist schon sehr hilfreich, wenn man eben auch hier mit echten Kindern üben kann."

Lotta trägt ihr Hörgerät mit Stolz

Teilnehmende der Pädakustik-Fortbildung üben mit Kindern. © NDR Foto: NDR
Teilnehmende der Pädakustik-Fortbildung üben mit Kindern.

Auch Lotta war als Probandin schon bei einer Fortbildung dabei. "Wir haben ihr gleich klargemacht, als sie drei oder vier Jahre war: 'Du hast ein Hörgerät, das brauchst du zum Hören und das ist ein Teil von dir'", erzählt Mama Svenja Seidenberg. Einmal im Jahr geht Lotta zur Kontrolle ihres Hörgeräts zu Claudia Brömel - und testet dann mit ihr gemeinsam ihr Hörvermögen. Ihr Hörgerät - ein Kindermodell im Einhorn-Design - trägt die Fünfjährige mittlerweile mit Stolz.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 27.04.2022 | 19:30 Uhr

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