Norderstedt prüft Kreisfreiheit, doch es gibt Gegenwind
Das wirtschaftsstarke Norderstedt erwägt, sich aus dem Kreis Segeberg zu lösen. Dazu wird nun ein Gutachten auf den Weg gebracht. Bis auf die Fraktion der AfD und der Freien Wähler stimmten alle Parteien für das Gutachten.
Es ist eine Idee, die immer wieder in der südlichsten und größten Stadt im Kreis Segeberg hochköchelt: Norderstedt mit seinen 80.000 Einwohnern könnte, wie das fast gleichgroße Neumünster, eine kreisfreie Stadt werden. Fraktionsübergreifend ist man sich in der Stadtvertretung einig, die Schritte zu einer möglichen Trennung vom Kreis sollten konkret analysiert werden.
Im Dezember gab es Streit um ein Impfzentrum
In erster Linie geht es um mehr Eigenverantwortung. Denn die Politiker fühlen sich von der wesentlich kleineren Kreisstadt Bad Segeberg oft nicht ernst genommen, heißt es zum Beispiel aus der Wir-in-Norderstedt-Fraktion und der CDU. "Zuletzt haben wir um das Impfzentrum gestritten. Weil der Landrat es für völlig in Ordnung befunden hatte, dass 80.000 Norderstedter nach Kaltenkirchen zum Impfen fahren könnten. Bis heute hat er das nicht begründet", erklärt CDU-Abgeordneter Peter Holle NDR Schleswig-Holstein.
Auch Abfallentsorgung sorgt für heftige Diskussionen
Schon länger gibt es auch Streit mit dem Wege-Zweckverband der Gemeinden des Kreises Segeberg um die Müllentsorgung in Norderstedt. "Wir haben ganz andere Aufgaben mit 80.000 Einwohnern als andere Gemeinden im Kreis." sagt Oberbürgermeisterin Elke-Christina Röder. Sie unterstützt das Vorhaben, genau zu analysieren, welche Vorteile für Norderstedt als kreisfreie Stadt entstehen würden. Denn auch sie hat nicht das Gefühl, dass ihre Stadt wirklich als eine der fünf großen Städte in Schleswig-Holstein wahrgenommen wird.

Wenn man sich auf den Straßen Norderstedts umhört, ist die mögliche Kreisfreiheit kaum Thema. Für die Norderstedterin Giesela Menke ist alles in Ordnung, so wie es ist: "Ich habe doch hier alle Ämter, zu denen ich gehen kann. Jetzt auch das Impfzentrum. Ich finde nicht, dass wir als Stadt mehr allein machen müssen." Dass sich Norderstedt für das Impfzentrum einsetzen musste, hat sie gar nicht mitbekommen. Karl Timmer aus Norderstedt findet da deutlichere Worte: "Das kostet doch nur wieder extra für die Verwaltung. Das wäre Geld, was wir zum Fenster herauswerfen. Und dass manche Dinge diskutiert werden müssen, ist nun mal so."
Landrat hält an Zusammenarbeit fest
Auch für den Landkreis gibt es keine Notwendigkeit, Norderstedt als größte Stadt im Kreis auszuschließen. "Aus meiner Sicht sollten der Solidaritätsgedanke und ein Denken in Regionen, nicht in Gemeindegrenzen, im Vordergrund stehen. Beide Seiten profitieren von der bisherigen Lösung, etwa bei den Themen Personal und Kostenaufwendungen", so Jan-Peter Schröder. Neben einem Großteil der Einwohner im Kreis kommt auch das meiste Geld aus dem Wirtschaftsstandort Norderstedt. Dem Kreis würde eine Summe von mehr als 40 Millionen Euro Kreisumlage wegfallen.
Kreis und Stadt müssen sich über Kreisfreiheit einig sein
Ob Norderstedt mehr Vorteile oder Nachteile von einer Eigenständigkeit hätte, soll nun von einem externen Gutachter genau unter die Lupe genommen werden. Und auch, wie der Prozess zur Kreisfreiheit überhaupt aussehen würde. "Denn fest steht, sind sich der Kreis Segeberg und Norderstedt nicht einig, wird es nicht zu einer Trennung kommen", erläutert Verwaltungsrechtler Jörg Junge. "Die endgültige Entscheidung trifft das Innenministerium. Und sollte das Nachteile für den Kreis sehen, wird es zum Allgemeinwohl gegen eine Trennung entscheiden." Seine Empfehlung: Für die Kooperation auf Augenhöhe einen Mittelweg finden. Den wünscht sich auch Oberbürgermeisterin Röder. Und auch die Fraktionen in der Stadtverwaltung drängen auf eine verbesserte Kommunikation mit dem Kreis.
