Therapeutin Nicole Soinski bei der Sporttherapie. © NDR Foto: Astrid Wulf

Neue Wege in der Krebstherapie für Kinder und Jugendliche

Stand: 02.02.2022 12:03 Uhr

Etwa 510.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland an Krebs. Besonders schlimm ist die Diagnose, wenn es sich bei den Betroffenen um Kinder und Jugendliche handelt.

von Astrid Wulf

Nach Angaben der Deutschen Krebshilfe erkranken jedes Jahr rund 2.000 junge Menschen an Krebs. Speziell für sie wurde am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) ein Konzept entwickelt, das den Genesungsprozess unterstützen und das Wohlbefinden verbessern soll. Bei diesem Konzept liegt der Fokus nicht auf einer Behandlung mit Medikamenten, sondern vor allem auf Bewegung.

Freude an Bewegung gewinnen

"Wenn man sagt, man ist erkrankt, kommt oft die Gegenantwort: ruh Dich aus, weil Bewegung oft mit Anstrengung verbunden ist", sagt Torsten Schmidt, Sporttherapeut am Kinderkrebszentrum des UKSH. "Unser Ziel ist es, dass das Kind wieder in den Schulsport und den Vereinssport integriert werden kann und Freude an Bewegung erhält oder gewinnt."

Schmidt engagiert sich für das UKSH im Netzwerk "Active Onco Kids", ein Zusammenschluss von Kliniken und Sportwissenschaftler*innen. Gemeinsames Ziel ist es, die Bewegungstherapie auch bei jungen onkologischen Patienten zum Standard zu machen. Denn Sport helfe unter anderem die Nebenwirkungen von Chemotherapien zu lindern. Der Patient lerne, den eigenen Körper zu spüren und ihm auch wieder zu vertrauen.

Sporttherapie als bewährtes Konzept

Therapeutin Nicole Soinski bei der Sporttherapie. © NDR Foto: Astrid Wulf
Sporttherapeutin Nicole Soinski übt mit einem jungen Patienten das Balancieren.

Bei Erwachsenen habe sich Bewegung in der Krebstherapie schon lange bewährt, junge Patientinnen und Patienten würden sich aber noch zu wenig bewegen, sagt Thorsten Schmidt. Gemeinsam mit der Kieler Sporttherapeutin Nicole Soinski will er das ändern. Einmal in der Woche besucht die 27-Jährige die Kinderkrebsstation im UKSH. Immer mit dabei: Eine große Kiste mit Bällen, Schlägern und Ballons. Bälle fangen, Kegelspiele, Dosenwerfen - so werden schon im Krankenbett erste Übungen möglich.

Dem fünfjährigen Matthies wurde ein Tumor aus dem Becken entfernt. Alles ist gut gelaufen, er kann die Kinderkrebsstation in Kürze verlassen. Allerdings tut er sich noch schwer damit, sich im Bett selbständig aufzurichten. Nicole Soinski drückt ihm einen Tischtennisschläger in die Hand, spielt ihm einen roten Ballon zu. Matthies reckt seinen Arm lachend dem Ballon entgegen.

Mit kleinen Schritten zum Ziel

Seine Mutter Nicole Bahr ist froh über das Bewegungsprogramm. "Er hat manchmal noch Angst, sich zu bewegen. Im Spiel merkt er allerdings gar nicht, dass er sich bewegt." Gerade kleinere Kinder haben einen großen Bewegungsdrang, doch nicht immer haben die jungen Krebspatient*innen Lust, zu spielen und zu trainieren - manchmal geht es ihnen einfach zu schlecht. Daher muss sich Nicole Soinski bei jedem Besuch neu auf ihre Patienten einstellen und schauen, was möglich ist. Über Erfolgserlebnisse, wie mit Matthies, freut sie sich besonders. "Manche denken, gar nicht so viel zu schaffen. Und dann geht es plötzlich doch." Fittere Kinder und Jugendliche können auch im Physiotherapieraum trainieren. Schon der Gang über den Flur sei jedoch für viele bereits sehr anstrengend.

Übungen für daheim

Krebskranke Kinder und Jugendliche in Bewegung zu bringen, ist für die engagierte Sporttherapeutin ein Herzensanliegen. Zusätzlich zu ihren Besuchen auf der Krebsstation erstellt sie Online-Übungspläne, mit denen die Kinder und Jugendlichen für sich allein auch im Krankenzimmer trainieren können - oder nach der Entlassung zuhause. Über das Programm melden sie auch zurück, wie gut sie die Übungen schaffen.

Es gibt bereits Leitlinien, die Sporttherapie für junge Krebspatient*innen empfehlen. Allerdings übernehmen die Krankenkassen bisher lediglich Kosten für Sport in der Rehabilitation - jedoch nicht während des Klinikaufenthaltes, obwohl der monatelang dauern kann. Die Arbeit von Sporttherapeutin Soinski am UKSH in Kiel wird bisher durch die Spende eines großen Handballvereins finanziert.

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