Stand: 25.07.2019 20:00 Uhr

Moore: Die vergessenen CO2-Speicher

Von Michael Frömter

Die gesellschaftliche Debatte über das Thema Klimaschutz nimmt Fahrt auf. Erklärtes Ziel ist es, Schadstoffe wie Kohlendioxid (CO2) deutlich zu reduzieren oder erst gar nicht entstehen zu lassen. Neue Antriebsarten für Verkehrsmittel, die Abschaffung von Kohlekraftwerken oder eine CO2-Steuer sind aktuell die Lösungsansätze, mit denen die Emissionen gesenkt werden sollen. Es werden aber noch Jahre ins Land gehen, bis die Maßnahmen greifen. Bis dahin könnte eine natürliche Ressource helfen, das Treibhausgas CO2 aus der Luft zu binden: Moore. Sie sind natürliche CO2-Speicher und damit ein wesentlicher Schlüssel für den Klimaschutz. Doch solche Flächen sind auch in Schleswig-Holstein weitgehend verschwunden. 

Moorgebiete im Land erhalten

Moorflächen weiterhin für Ackerbau zu nutzen, hält der Ökologe Dr. Heinz Klöser aus Grambek bei Mölln (Kreis Herzogtum Lauenburg) angesichts der Klimaschutz-Debatte für völlig kontraproduktiv. "Die einzige Möglichkeit, CO2 risikofrei aus der Luft zu binden, sind Moore, Wälder und Meeres-Plankton," sagt Klöser, der bei der Naturschutzorganisation Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) als Moorexperte gilt, im Gespräch mit dem NDR Schleswig-Holstein. Wenn man den Klimaschutz ernst nähme, müsste jede Moorfläche im Land, die derzeit noch landwirtschaftlich genutzt werde, schnellst möglich renaturiert werden. Wenn das noch möglich sei, fügt er hinzu. 

Die bisherigen Moorschutzprogramme von Bund und Land hält Klöser für nicht ausreichend. Er fordert, für ein besseres Klima den Moorschutz zu einem vorrangigen politischen Handlungsfeld zu machen. Das bedeute eine schnelle Anpassung der entsprechenden Gesetzte und auch den weiteren Ankauf von Flächen. Wenn deren Eigentümer nicht zum Verkauf bereit seien, müsse gegebenenfalls auch enteignet werden, sagt der Ökologe vom BUND. "Ich frage mich schon seit Langem, warum es möglich ist, zum Beispiel beim Autobahnbau Grundeigentümer mit Entschädigung zu enteignen, und dass beim Klimaschutz, der dem Allgemeinwohl dient, ein solcher Weg nicht eingeschlagen wird", so Klöser.

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Blick auf eine Moorlandschaft. © NDR Foto: Jörn Schaar

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Was Moore leisten können

Moore gelten als der optimale, natürliche CO2-Speicher. Nach den Klimazahlen der Bundesregierung sind drei Prozent der gesamten Fläche auf dem Globus Moore. Der Torf darin bindet mehr CO2 als alle Wälder auf der Welt zusammen. Selbst die Torf-Industrie spricht von 250 Milliarden Tonnen jährlich. Wenn Moore allerdings trockengelegt werden, speichert der Torf kein CO2 mehr, sondern gibt die bereits gebundenen Schadstoffe wieder an die Atmosphäre ab. Die Universität Kiel führt seit ein paar Jahren Messungen auf Grünlandflächen in Schleswig-Holstein durch.

Erste Ergebnisse: Grünland auf einer Moorfläche, bei der das Wasser um 40 cm unter der Grasnarbe abgesenkt wird, setzt etwa 51 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr frei. Findet auf einer Moorfläche Ackerbau statt, liegen die Emissionen sogar bei mehr als 75 Tonnen pro Jahr und Hektar. Selbst wenn trocken gelegte Moorflächen brach liegen, werden noch immer mehr als zwei Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr freigesetzt. Naturschutzorganisationen wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und BUND fordern deshalb nicht nur, Moorflächen wieder zu vernässen, sondern auch ein weiteres Trockenlegen zu verbieten.

Moorschutz ist Klimaschutz

Moore speichern enorme Mengen Kohlendioxid. Werden sie trockengelegt, passiert das Gegenteil: Der Torf setzt dann die großen Mengen gespeicherter klimaschädlicher Gase wieder frei. Moore beeinflussen somit die Bilanz der Treibhausgase erheblich. Erhalt und Wiederherstellung von Mooren kosten aber Geld. Doch das scheint sich offenbar zu rechnen. So werden im Bericht "Naturkapital und Klimapolitik" des Bundesamtes für Naturschutz in Bonn gesellschaftliche Kosten beispielsweise für eine Renaturierung mit öffentlichen Fördergeldern für die Landnutzung auf Moorböden verglichen. Ein Ergebnis: Die Kosten, die Staat und Steuerzahler für die Förderung des Ackerbaus auf entwässerten Moorböden zahlen, sind danach um ein Vielfaches höher als die Gewinne der Landwirte.

Durch Vernässung könnten auch Kosten gespart werden

Das gilt in Schleswig-Holstein beispielsweise für den Meggerkoog mit seiner Sorge-Schleife. Dort werden Unsummen investiert, um einen Teil der Flächen mit Pumpen trocken zu legen, damit zumindest Grünlandwirtschaft möglich ist. Professor Bernd Hansjürgens vom Helmhotz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig verdeutlicht, was das bedeutet: "Wenn wir zum Beispiel 300.000 Hektar Moorböden in Deutschland wieder vernässen würden, ließen sich volkswirtschaftliche Kosten von 217 Millionen Euro pro Jahr vermeiden."

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Pläne der Landesregierung

Die Klimabilanz von Mooren ist auch der schleswig-holsteinischen Landesregierung bekannt. Sie hat deshalb ein Moorschutz-Programm aufgelegt. Ziel sei es, mehr Moore in Schleswig-Holstein wieder zu vernässen, sagt Umweltminister Jan-Philipp Albrecht. Dafür würde die Stiftung Naturschutz mögliche Flächen aufkaufen. Um die Klimaziele zu erreichen, müsse nicht nur weniger CO2 ausgestoßen, sondern auch mehr CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden, sagt Albrecht im Interview mit dem NDR Schleswig-Holstein. Moore könnten zügiger als technische Mittel dabei helfen, CO2 zu binden.

Albrecht: Zahl der Flächen müssten mindestens verdoppelt werden

Dafür müssten vor allem manche Bauern davon überzeugt werden, dass wieder vernässte Moorflächen für die Allgemeinheit sinnvoller sind, als die weitere Entwässerung für eine landwirtschaftliche Nutzung. "Die Zahl der Flächen, die für Natur- und Klimaschutz zur Verfügung stehen, müssten mindestens verdoppelt, wenn nicht verdreifacht werden", so Albrecht. Allerdings fehlt häufig das Geld zum Kauf solcher Flächen." Der Umweltminister spricht sich deshalb dafür aus, dass die Politik mehr Mittel für die Renaturierung von Moorflächen zur Verfügung stellen sollte. Ob das in Schleswig-Holstein möglich ist, ist derzeit aber noch offen.   

Bauern bleiben skeptisch

Dass die Speicherung von CO2 in Torfböden aus theoretischer Sicht sinnvoll ist, bestreitet auch nicht der Bauernverband. Dennoch sorgt die Diskussion bei manchen Landwirten schon jetzt für Aufregung. Sie sehen ihre Existenz bedroht, wenn beispielsweise trockengelegtes Grünland wieder vernässt würde. Dadurch könnten ganze Landstriche gefährdet werden, insbesondere die mit vorwiegender Milchviehhaltung, sagt der Generalsekretär des Schleswig-Holsteinischen Bauernverbandes, Stephan Gersteuer. Betroffen seien dann nicht nur die Milchbauern sondern der gesamte Landhandel. Deshalb gehe es bei der Diskussion nicht nur um den Ankauf von Moorflächen, so Gersteuer weiter. Er fordert deshalb ein Konzept, das sowohl wirtschaftlich als auch soziologische Belange in betroffenen Regionen berücksichtigt. Wichtig sei auf jeden Fall, dass einvernehmliche Lösungen gefunden werden, sagt Gersteuer.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 26.07.2019 | 08:00 Uhr

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