Meteorit aus Elmshorn: Sammler bieten mehr als 100.000 Euro

Stand: 20.05.2023 05:00 Uhr

In Elmshorn sind Ende April mehrere Meteorite eingeschlagen, der größte davon im Garten einer Familie. Er wiegt 3,7 Kilogramm. Die Besitzer erreichen jetzt sechsstellige Angebote von Sammlern.

von Ole ter Wey

In einem Comic wäre eine rot-gezackte Sprechblase mit dem lautmalerischen Begriff "Whoooosh" zu sehen, in der Alltagssprache ist das Geräusch deutlich schwerer zu beschreiben: Mit einem schneidenden Zischen und einem abschließenden dumpfen Knall sind am 25. April mehrere Meteorite in Elmshorn niedergegangen, eine Überwachungskamera hat den Ton eingefangen.

Der größte Brocken des Meteors landete bei Mahmut Sahin und seiner Familie im Garten. "Meine Frau hat gerade mit meiner Tochter am Esstisch gesessen", berichtet er. "Die beiden sind dann raus in den Garten und haben einen richtigen Krater gesehen." Am Boden dieses Kraters lag ein etwa handballgroßer Stein.

Krater im Garten: Erster Gedanke - ein Gasleck?

Der Einschlag eines Meteoriten hat ein Loch in einem Garten erzeugt. © Mahmut Sahin Foto: Mahmut Sahin
So sah das Loch des Meteoriten-Einschlags im Garten der Familie Sahin aus.

Die Familie war zunächst unsicher, was all das zu bedeuten hatte. "An einen Meteoriten haben wir zuerst überhaupt nicht gedacht", erzählt Sahin. Stattdessen rief er die Feuerwehr, die sollte sicherstellen, dass der Krater nicht von einem Gasleck oder einer chemischen Reaktion stammte. Auf die Idee mit einem Meteoriten kam dann Sahins Tochter. Sie hatte von einem Trick gehört, um ihre Theorie zu überprüfen: Ein Meteorit ist in den Stunden nach dem Aufschlag noch magnetisch, normale Steine sind das nicht. "Sie hat dann einen Magnet von der Pinnwand geholt - und der hat tatsächlich am Stein gehalten", so Sahin.

Größter je in Schleswig-Holstein gefundener Meteorit

Ein Meteorit liegt in einem Garten. © Mahmut Sahin Foto: Mahmut Sahin
Der Meteorit, der in Elmshorn in einem Garten gelandet ist, ist vermutlich etwa 4,5 Milliarden Jahre alt.

Heute ist bekannt: Bei diesem Stein handelt es sich um den größten Meteoriten, der je in Schleswig-Holstein gelandet ist. Er wiegt 3,7 Kilogramm, hatte im Weltall noch ein Gesamtgewicht von mehr als 100 Kilogramm und ist vermutlich etwa 4,5 Milliarden Jahre alt. Carsten Jonas vom Arbeitskreis Meteore ist begeistert: "Das Besondere an diesem Meteoriten ist, dass er beobachtet gefallen ist. Und das auch noch in ein bewohntes Gebiet."

Normalerweise gingen Meteoriten irgendwo in der Wüste und nachts auf die Erde nieder, so der Experte. In Schleswig-Holstein gab es bisher ohnehin erst drei bekannte Meteoriteneinschläge. Der erste 1962 in Kiel, der zweite 2019 in Flensburg. "Das waren nur 28 Gramm. Und selbst das fand ich schon sehr spannend", so Jonas.

Glücksfall auch für die Wissenschaft

Für die Wissenschaft ist der gut dokumentierte Meteoriteneinschlag ein wahrer Glücksfall, bestätigt auch Meteoritenexperte Dieter Heinlein vom Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die sanfte Landung im Garten hat dafür gesorgt, dass der Gesteinsbrocken nahezu unversehrt blieb. Mithilfe eines bei Mahmut Sahin im Wohnzimmer angefertigten 3D-Scans kann jetzt die genaue Dichte des Meteoriten bestimmt werden. Das wiederum gibt aussagekräftige Hinweise auf die Stoffklasse des Gesteins.

Übergeordnetes Ziel, so Heinlein, sei die Kategorisierung des Meteoriten. So können Experten die Herkunft und die Bewegungen der Meteoriten besser nachvollziehen. Beim Meteoriten aus Elmshorn ist schon jetzt klar: Er stammt wohl aus dem Asteroidengürtel, bewegte sich also zwischen Mars und Jupiter. Hier kommen die allermeisten Meteore her, so Heinlein.

Sammler bieten sechsstellige Summen

Der Rekord-Meteorit aus Elmshorn ist äußerst begehrt. Mahmut Sahin erreichen Angebote von Meteoritensammlern aus aller Welt - denn er und seine Familie sind die rechtmäßigen Besitzer des Meteoriten. Gegenstände, die aus dem Weltall auf die Erde fallen, gehören laut Gesetz den Findern. "Wir haben mehrere Angebote aus Deutschland, aber zum Beispiel auch aus den USA bekommen", so Sahin. Und die liegen zum Teil im sechsstelligen Bereich. "Im Lotto zu gewinnen wäre wohl der wahrscheinlichere Weg gewesen, um an Geld zu kommen", lacht Sahin.

"Wir haben uns in den Stein verliebt"

Bisher hat die Familie aber auch noch gar nicht entschieden, den Meteoriten wirklich verkaufen zu wollen. "Wir haben uns ein bisschen in den Stein verliebt. Deshalb wollen wir ihn auch anderen Menschen zugänglich machen", sagt der Familienvater. Zumindest für eine gewisse Zeit möchten sie den Meteoriten deshalb an verschiedene Museen geben.

Was sich heute wie ein wortwörtlicher Glücksfall für Familie und Wissenschaft liest, hätte um ein Haar in einer echten Katastrophe enden können. "Wir hatten eigentlich geplant, das Haus fünf Meter weiter hinten zu bauen", so Sahin. Hätten sie an diesem Plan festgehalten, wäre das Haus getroffen worden - und zwar genau im Kinderzimmer. "Da war mein Sohn in dem Moment drin, als der Meteorit eingeschlagen ist", ergänzt Sahin.

Genug Daten für eine Abschiedshilfe liegen vor

Ab wann der Meteorit in Museen zu bewundern sein wird oder ob sich die Familie doch für einen Verkauf entscheidet, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen. Für die Zeit nach der Entscheidung stellt Carsten Jonas der Familie aber schon jetzt eine Abschiedshilfe in Aussicht: "Mit dem heute angefertigten 3D-Scan können wir den Meteoriten originalgetreu nachbilden. Wenn Sie wollen, können Sie sich dann auch fünf davon ins Wohnzimmer stellen", sagt er augenzwinkernd.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 19.05.2023 | 19:30 Uhr

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