Kiel plant Partnerschaft mit Qingdao - Sicherheitspolitik alarmiert

Stand: 18.04.2023 18:33 Uhr

Nachdem die Stadt Kiel angekündigt hat, eventuell eine Städtepartnerschaft mit der chinesischen Metropole Qingdao auszubauen zu wollen, hat das Institut für Sicherheitspolitik starke Bedenken geäußert.

Der Hauptausschuss der Stadt Kiel hatte Anfang März beschlossen, die Gespräche mit der ostchinesischen Millionenmetropole fortzuführen. Auch die Ratsversammlung stimmte zu, eine Kooperation mit Qingdao in Bereichen wie Umwelt- und Meeresschutz, Nachhaltigkeit und Wissenschaft zu prüfen. Bisher konzentrierte sich die Zusammenarbeit zwischen Kiel und Qingdao auf den Segelsport. Aus China sei jedoch der Wunsch an die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt herangetragen worden, die Freundschaft "auf eine höhere Ebene zu bringen" und offiziell eine Städtepartnerschaft einzugehen, teilte die Stadt Kiel im März mit.

Joachim Krause: Es geht wohl vielmehr um militärisches Wissen

Portät des Kieler Politikwissenschaftlers Joachim Krause © Joachim Krause Foto: privat
Der Politikwissenschaftler Joachim Krause befürchtet, dass Qingdao in Wahrheit an militärischen Informationen interessiert ist.

Professor Joachim Krause vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel reagierte im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein alarmiert. "Wir schätzen die Gefahr hier am Institut sehr groß ein, weil China eine lange Tradition des Missbrauchs von Städtepartnerschaften und auch wissenschaftlichen Kontakten hat, um Informationen abzufischen, die vor allen Dingen für das Militär und in diesem Fall für die Marine der Volksrepublik von entscheidender Bedeutung sind." Speziell ginge es um die U-Boot-Technik und Unterwasser-Kriegsführung.

Ist das Geomar von besonderem Interesse?

Das Institut hat laut Krause die Stadt Kiel darum gebeten, sich diese Anfrage aus Qingdao noch einmal sehr genau anzusehen. Die Förderung des Segelsports hält der Institutsleiter für ein vorgeschobenes Argument. "In der Hauptsache geht es den Chinesen um die wissenschaftlichen Kontakte. Da steht insbesondere das Geomar im Mittelpunkt." Viele Inhalte dieser zivilen Forschung des Geomar ließen sich laut Krause auch militärisch verwenden. Die China-Expertin Sarah Kirchberger an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel hat ähnliche Bedenken. Sie warf der Stadt schon vor einigen Tagen vor, die wahren Motive der Chinesen zu übersehen.

Krause: Kieler Ratsversammlung fehlt Expertise

Das Institut für Sicherheit ist auch der Ansicht, dass der Kieler Ratsversammlung hier das Fachwissen fehlt. "Ich gehe mal davon aus, dass hier die Expertise nicht vorhanden ist", mutmaßte Krause. Die Ratsversammlung solle noch einmal in sich gehen und das Ganze umfassender und komplexer analysieren. Es gebe zwar ein Papier in Kiel, in der die Pro- und Kontraargumente abgewogen werden, aber das reicht nach Auffassung des Politikwissenschaftlers nicht aus.

Endgültige Entscheidung erst im Sommer

Kiels Stadtpräsident Hans-Werner Tovar (SPD) glaubt hingegen weiter an den Austausch zwischen beiden Städten.

"Natürlich besteht die Gefahr einer Werksspionage insbesondere. Ich weiß auch, dass sich im militärischen Bereich die Experten darüber unterhalten, dass solche Städtepartnerschaften auch ein militärisches Gefahrenpotenzial mit sich bringen könnten. Aber ich glaube nicht, dass das im Ergebnis durch eine Städtepartnerschaft, in der wir darauf drängen, dass Menschen sich wechselseitig besuchen, dass dies tatsächlich im Vordergrund steht." Hans-Werner Tovar (SPD), Stadtpräsident Kiel

Voraussichtlich im Juni oder Juli - also nach der Kommunalwahl - wird die Ratsversammlung laut Tovar über einen abschließenden Vertragstext entscheiden.

Bewusst kritische Themen ansprechen

Bereits im März hatte sich Tovar über die Chancen einer Städtepartnerschaft geäußert: "Auch wenn Chinas Haltung zum Krieg in der Ukraine, zur Unabhängigkeit von Taiwan, zu Menschenrechtsverletzungen und zum Umgang mit Minderheiten nicht unseren Vorstellungen von Demokratie entspricht, halte ich es dennoch für notwendig, im Gespräch zu bleiben." Die Partnerschaft solle bewusst auch dafür genutzt werden, politisch kritische Themen anzusprechen. Außerdem sollen durch den Aufbau einer Städtepartnerschaft Vorurteile abgebaut und für mehr China-Kompetenz in Kiel gesorgt werden.

Die chinesische Hafenstadt Qingdao © picture alliance/-/CHINATOPIX/AP/dpa
Qingdao ist eine Hafenstadt im Osten Chinas.

Ähnlich sehen das die FDP und die Grünen in der Kieler Ratsversammlung. Die Grünen betonen jedoch, dass die Städtepartnerschaft nur auf gesellschaftliche Fragen beruhen sollte. Militärtechnik oder wirtschaftliche Kooperationen sollten demnach nicht dazugehören. Die CDU hingegen lehnt die Partnerschaft ab - weil China unter anderem die Sanktionen gegen Russland in Folge des Angriffskrieges auf die Ukraine unterläuft und Taiwan offen militärisch droht.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 18.04.2023 | 19:30 Uhr

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