Günther zu Afghanistan-Soldaten: "SH verneigt sich vor Ihnen"
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat den Soldaten aus Schleswig-Holstein gedankt, die in den vergangenen 20 Jahren in Afghanistan stationiert waren.
Rund 200 Soldaten kamen am Montag laut Staatskanzlei auf Einladung von Günther und Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) zu dem Empfang. Die Teilnehmer gedachten auch der deutschen Soldaten, die in dem Einsatz ums Leben gekommen sind. "Schleswig-Holstein verneigt sich vor Ihnen! Sie alle verdienen die Anerkennung der Gesellschaft für Ihre Leistungen während des 20-jährigen Afghanistan-Einsatzes", sagte der Ministerpräsident an die Rückkehrer gewandt. In seiner Rede in der Kieler Arena sagte Günther, das Engagement habe für die 20 Jahre des Einsatzes Stabilität in die Region gebracht und den Menschen Freiheiten gegeben, die sie so vorher nie erleben durften. Er räumte aber auch ein, dass die Politik einiges falsch eingeschätzt habe. "Sie haben in Afghanistan im Auftrag der Regierung und mit dem Mandat des Parlaments Sinnvolles geleistet. Der dramatische Abzug soll nicht verdecken, dass mit Ihrem Einsatz eine Gesellschaft und eine Region über 20 Jahre stabilisiert worden sind", sagte Günther.
Günther wünscht sich mehr Dankbarkeit
Günther erinnerte daran, dass in den dramatischen Tagen nach dem Abzug mehr als 5.300 Deutsche, Verbündete und afghanische Ortskräfte von der Bundeswehr aus Kabul gerettet wurden. Dass täglich viele tausend deutsche Soldaten in Auslandseinsätzen der Gefahr von Gefechten, Verwundung, Kriegstraumata und Tod ausgesetzt seien, werde oft verdrängt. Der CDU-Politiker wünschte sich mehr Aufmerksamkeit und Dankbarkeit der Gesellschaft.
Oberst Scheider: Auftrag nicht erfüllt
Landtagsvizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber (SPD) sagte zu den Soldaten: "Sie haben 20 Jahre lang Ideen von Demokratie, Gleichberechtigung und freiheitlichen Werten nach Afghanistan gebracht." Diese Impulse klängen in der Bevölkerung nach. Eickhoff-Weber machte in ihrer Ansprache klar, dass der Bundestag verpflichtet sei, sich auch nach Einsätzen um die Soldaten zu kümmern. Dabei gehe es zum Beispiel um körperliche Verletzungen oder traumatische Erlebnisse. Der vom Parlament erteilte Auftrag sei nicht erfüllt worden wie erhofft, sagte Oberst Axel Schneider, Kommandeur des Landeskommandos. Allerdings liege dies nicht an den Soldaten. Die Politik solle nun Schlüsse aus dem Einsatz ziehen. Das sei man den Soldaten schuldig, so Schneider.
Von den knapp 150.000 Bundeswehr-Angehörigen, die in den zwei Jahrzehnten in Afghanistan vor Ort waren, stammen etwa 4.000 aus Schleswig-Holstein. Etwa 100 von ihnen waren laut Bundeswehr bis zum Schluss im August am Hindukusch dabei.
Persönliche Gespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Im Mittelpunkt standen am Montag persönliche Gespräche mit den Soldatinnen und Soldaten. Eickhoff-Weber und Günther wollten dies privat und ohne Öffentlichkeit tun, teilte die Staatskanzlei mit. Etwa 200 Soldaten wurden dafür von den Kommandeuren der Truppenteile und Verbände ausgesucht und sollen stellvertretend für alle Soldatinnen und Soldaten stehen, die im Einsatz waren, erklärte das Landeskommando.
Einsätze in Afghanistan über mehrere Monate
Neben der Bundeswehr waren auch zivile Angestellte in Afghanistan im Einsatz. Diese haben sich laut Landeskommando unter anderem um Verwaltungsaufgaben gekümmert. Die meisten Soldaten waren vier bis sechs Monate in Afghanistan. Hauptsächlich gehörte der Feldlagerbau sowie Aufklärungsarbeit am Boden und in der Luft zu den Aufgaben der Bundeswehr. Doch das Einsatzgebiet umfasse weit mehr als das, so Oberstleutnant Nils Kruth. "Einzelne Aufgaben im Besonderen herauszustellen, würde die Aufgaben aller nicht würdigen. Im Einsatz greift ein Rad in das andere, nur die gemeinsame Erledigung des Auftrags führt zum Erfolg", erklärte er.
Auch die Familie muss auf den Abschied vorbereitet werden
Einer von vielen Soldaten vor Ort war Hauptbootsmann Andreas Schneider, der Kiel stationiert ist. Er war am Hindukusch für die Sicherheit des Feldlagers zuständig. Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan vor wenigen Wochen habe ihn im Nachhinein wütend gemacht. Es tue ihm persönlich weh, weil er im Endeffekt fühle, dass er umsonst vor Ort gewesen sei, sagte er im NDR Interview. Auch die Vorbereitung auf diesen Einsatz sei für ihn und seine Familie nicht einfach gewesen. Er bekomme ein Jahr vorher seinen Einsatzort, dann müssen noch viele Termine im Vorfeld abgestimmt und erledigt werden. Auch die Kinder müssten darauf vorbereitet werden, so Schneider. "Man distanziert sich nachher auch voneinander, gerade kurz vor dem Einsatz. Vielleicht auch, damit der Abschied nicht so schwer wird", sagte Schneiders Ehefrau im NDR Interview.
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