Gewalt gegen Polizisten nimmt in Schleswig-Holstein leicht zu
Die Gewalt gegen Polizisten nimmt in Schleswig-Holstein tendenziell zu. 2020 sind die Beamten 1.280 Mal verbal oder physisch angegriffen worden. Besonders viele Fälle gab es in Lübeck.
Schleswig-Holsteins Polizeibeamte sind im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 1.280 Mal verbal oder physisch angegriffen worden. Laut Landespolizei sind das 26 Fälle mehr als im Jahr 2019. Die Zahl der Betroffenen stieg deutlich. Fast 2.900 Polizistinnen und Polizisten wurden angegriffen oder beschimpft, das waren fast 250 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Verletzten stieg von 386 auf 438. Diese Zahlen seien zu hoch, sagte Landespolizeidirektor Michael Wilksen: "Es geht um das Leben und die Gesundheit unserer Kollegen."
Zahlen im Ländervergleich nicht besonders hoch
Die Landespolizei hat die Gewalt gegen ihre Beamten wissenschaftlich untersuchen lassen. "Im Vergleich zu 2015 wuchs die Zahl der Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte um 196, die der betroffenen Beamten um 858 und die der Verletzten um 83", sagte Wilksen. Studienautor und Kriminalpsychologe Dr. Lars Riesner verwies darauf, dass die Zahlen im Ländervergleich nicht besonders hoch sein, aber die regionalen Unterschiede in Schleswig-Holstein seien auffällig.
Auswirkungen von Urbanitätsgrad, Straßenkriminalität und Kita-Versorgung
Die Studie zeigte, dass der Urbanitätsgrad und die allgemeine Straßenkriminalität in einer Region die Gewalt gegen Polizeibeamte negativ beeinflussen. Je höher die Straßenkriminalität und je urbaner eine Region, desto mehr Gewalt gegen Beamte wird verzeichnet. Aber auch der Bevölkerungsanteil an Suchtkranken, die Verschuldung der kommunalen Kernhaushalte oder die Anzahl von Sozialhilfe-Empfängern von Sozialleistungen sowie die Arbeitslosenquote von Männern führen zu mehr Gewalt gegen Polizeibeamte. Positiv wirkt sich hingegen eine gute Kita-Versorgung und ein höheres Einkommen der Privathaushalte aus.
Besonders viele Fälle in Lübeck
Rechnerisch hat Lübeck das größte Potential für Gewalttaten gegen Polizisten in Schleswig-Holstein. Und tatsächlich wurde jede vierte Gewalttat in der Hansestadt verzeichnet - 115 Beamte wurden dort im vergangenen Jahr bei Einsätzen Opfer verbaler oder körperlicher Gewalt. "Als Erklärung für die Höherbelastung Lübecks kann daher ein komplexes Zusammenspiel aus spezifischen kommunalen und sozio-strukturellen Merkmalen angenommen werden", sagte Kriminalpsychologe Riesner. Außerdem seien die Kollegen der Polizeidirektion der Hansestadt bereits seit längerem besonders sensibilisiert worden. Daher sei auch die Bereitschaft höher, Vorfälle auch zu melden, so Riesner.
Studienergebnisse für Aus- und Weiterbildung nutzen
Ziel der Untersuchung ist es auch zu klären, wie sich die Gewalt vermeiden lässt und sich Polizisten bei Konflikten am besten verhalten sollen. "So geht es vor allem um den Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern in konflikthaften Einsatzsituationen, wie auch um die Durchführung von standardisierten Einsatznachbereitungen, denn nach einem Einsatz ist vor einem Einsatz", sagte Landespolizeidirektor Wilksen. Die Ergebnisse sollen auch in die Aus- und Fortbildung der Landespolizei einfließen.
