Industriemechaniker: Azubi Hohmann lernt "das Laufen"
Nach zwei Jahren Ausbildung ist Niklas Hohmann weiter mit viel Begeisterung dabei. Mitte April hatte der 18-Jährige seine Zwischenprüfung. Stellt sich Ernüchterung ein oder wächst die Begeisterung?
Konzentriert tippt er auf dem Touchscreen der neuen Fräsmaschine und gibt Daten ein. Mithilfe der Werte fräst das Gerät einen Metallklotz auf den Hundertsten-Millimeter genau. Dieser ist in eine Halterung eingespannt. Mit einem Bedienpanel kann Hohmann den Fräskopf darüber per Knopfdruck an die richtige Stelle über dem Werkstück platzieren. Der 18-Jährige absolviert eine Ausbildung als Industriemechaniker bei der Firma Visiconsult in Stockelsdorf (Kreis Ostholstein). Das Unternehmen fertigt Röntgenanlagen für die Industrie. Mit den Geräten werden Fertigungsteile auf Einschlüsse oder Risse untersucht.
Arbeiten an der neuen Fräsmaschine
Hohmann drückt die Starttaste. Der Fräskopf fängt an zu rotieren. Metallspäne sprühen durch die Luft und verteilen sich auf der Arbeitsplatte. "Mittlerweile habe ich mich in die Technik eingearbeitet", erzählt der angehende Industriemechaniker. Mit der alten Fräsmaschine ging noch vieles per Hand. Das Gerät arbeitete aber weniger präzise: "Damit konnte ich die Werkstücke nur etwa auf einen Zehntel-Millimeter genau bearbeiten, mit der neuen Maschine klappt das auf den Hundertsten-Millimeter genau. Das ist schon faszinierend", meint der Azubi stolz.
Wenn die Einzelteile später zu einer Röntgenanlage zusammengefügt würden, passe alles besser ineinander. "Dann müssen wir viel weniger nacharbeiten und die Anlage ist schneller fertig und kann an den Kunden ausgeliefert werden." Den größten Teil seiner Arbeitszeit verbringt der 18-Jährige gerade an der neuen Fräsmaschine. Die Einarbeitung in die Bedienung war für ihn eine kleine Herausforderung. "Da musste ich mich manchmal auch nach Feierabend nochmal dransetzen und die einzelnen Schritte im Kopf durchgehen."
Corona sorgt für Kurzarbeit
Mit kritischer Mine verfolgt Hohmann die Fräse, die automatisch über das Werkstück gleitet. "Jetzt muss das Gerät, nur noch genau das umsetzen, was ich vorher an Werten eingegeben habe". Bis vor Kurzem waren die meisten seiner Kollegen wegen Corona noch in Kurzarbeit. Die Firma hatte kaum Aufträge. "Wir Azubis dürfen nicht in Kurzarbeit und haben dann hauptsächlich die Werkshalle aufgeräumt, geputzt und ein paar kleinere Arbeiten erledigt", berichtet Hohmann. Die Arbeitstage, an denen viele seiner Kollegen fehlten, seien langweilig gewesen. Der kurze Plausch oder der ein oder andere Scherz hätten gefehlt.
"Wir haben trotzdem versucht, unseren Auszubildenden ein paar kniffelige Aufgaben zu geben, damit die Ausbildung nicht leidet", erklärt Ausbilder Christian Brinkmeyer. Deshalb seien die Azubis trotz Corona weiter im Lehrplan. Die Kurzarbeit ist inzwischen beendet. Laut Brinkmeyer gibt es jetzt wieder viel zu tun.
Privat hat der 18-Jährige die Pandemie genutzt, um in seiner eigenen kleinen Werkstatt zu schrauben: "Ich habe mir einen alten Golf gekauft und ihn tiefer gelegt. Das ist gerade mein kleines Projekt. Während Corona ist mir deshalb zu Hause kaum langweilig geworden."
Selbstständiges arbeiten nimmt zu
Im dritten Ausbildungsjahr geht es für Niklas Hohmann darum, selbstständig zu arbeiten. "Wir nennen das Laufen lernen. Die Azubis sollen Probleme selber lösen und mit anderen Abteilungen kommunizieren", erklärt Brinkmeyer. Wenn die Fertigung eines Bauteils zum Beispiel von der Konstruktion ungünstig vorgegeben worden ist, soll der Azubi die Technische Zeichnung von der Abteilung ändern lassen und den Kollegen erklären, warum das nötig ist. "Niklas macht das gut. Wir können ihn zum Beispiel auch ohne Probleme alleine zu Kunden schicken. Dort ist er immer kompetent und steht seinen Mann", lobt der Ausbilder.
Sein Ziel? Eine Festanstellung
Der Azubi präsentiert seinem Ausbilder das fertige Werkstück. Brinkmeyer gleicht es mit den Vorgaben der technischen Zeichnung ab. "Das passt alles, gut gemacht", sagt Brinkeyer.
Der Lehrling ist mit der Wahl seiner Ausbildung immer noch zufrieden. Es sei nach wie vor eine gute Entscheidung gewesen. Etwa ein Jahr vor der Abschlussprüfung sei nun die Festanstellung das große Ziel. "Für mich ist klar, dass ich hierbleiben will", sagt Hohmann. Die Arbeit mache Spaß und die Stimmung unter den Kollegen sei gut. Ob das klappt, ist aber noch unklar: "Wir würden Niklas sicherlich gerne übernehmen, aber im Moment ist die Entwicklung der Auftragslage wegen der Corona-Pandemie überhaupt nicht absehbar", sagt Brinkmeyer. Für den 18-Jährigen heißt es deshalb: abwarten, sich weiter empfehlen und auf ein rasches Abklingen der Pandemie hoffen.
Fünf Autoren begleiten fünf Auszubildende in fünf Branchen - über Wochen, Monate und Jahre: In einer langfristig angelegten Serie berichtet NDR Schleswig-Holstein über junge Menschen, die ins Berufsleben starten. Nach den ersten zwei Jahren ziehen die Auszubildenden im fünften Teil der Serie Bilanz.
