Stand: 10.12.2015 13:42 Uhr

Auf der Spur eines Müllskandals

von Jörg Hilbert

Es war ein kalter Tag im Januar 2015 als wir das erste Mal in der Kiesgrube Schalkholz unterwegs waren. Und es war der Beginn einer langen und aufwändigen Recherche. Jäger hatten in der Kiesgrube im Kreis Dithmarschen eine beunruhigende Entdeckung gemacht: große Mengen mit Abfall verunreinigter Erde. Wir sind diesem Hinweis nachgegangen, mit Klappspaten und Neugierde. Mit dem, was wir dabei gefunden haben, hatten wir zunächst selbst nicht gerechnet.

Krebserzeugende Stoffe

Die etwa zwölf Hektar große Grube war von frisch gefallenem Schnee bedeckt, doch wir mussten nicht lange suchen. Ganz offensichtlich hatte hier jemand Abfall abgekippt und das in großem Stil. Das Zeug lag überall herum: verdächtiger schwarzer Sand, Teerbrocken, Bauschutt. Wie viel und wie gefährlich das alles war, unmöglich das auf den ersten Blick zu beurteilen. Erst unsere Boden- und Wasserproben brachten Klarheit: Wir hatten krebserzeugende Stoffe entdeckt, so genannte Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Diese Stoffe entstehen bei unvollständigen Verbrennungsprozessen von zum Beispiel Kohle oder Öl. Viele dieser PAK gelten als krebserzeugend, sind gefährlich für das Grundwasser. Brisant, denn das Kiesabbaugebiet grenzt an das wichtigste Trinkwasserreservoir der Region, den "Heider Trog".

VIDEO: Auf der Spur eines Müllskandals (2 Min)

Aufklärung versprochen

Betreiber des Kieswerks ist die Firma Holcim, der größte Baustoffkonzern der Welt. Holcim hatte zuvor, gemeinsam mit einer Entsorgungsfirma, die Planung einer Deponie für mineralische Abfälle wie Bauschutt in dem Abbaugebiet angekündigt. Doch die Deponie war noch nicht einmal beantragt, jegliche Einlagerung von Abfällen und anderen Materialien damit illegal. Unsere Entdeckung kam Holcim offenbar ziemlich ungelegen. Der Konzern bemühte sich sichtlich um Schadensbegrenzung und kündigte an: "Wir nehmen alle Vorwürfe und die damit verbundenen Aspekte sehr ernst und sind uns unserer Verantwortung als Betreiber bewusst." Holcim werde die "Fremdmaterialien" aus der Grube entfernen.

Eklat bei Ortstermin

Es folgte ein monatelanges Hin- und Her zwischen Holcim und der zuständigen Abfallbehörde des Kreises Dithmarschen. Immer ging es um die Frage: Wie viel wurde illegal eingelagert und wie gefährlich ist der Abfall für das Grundwasser? Von Holcim und dem Kreis in Auftrag gegebene Untersuchungen kamen zu einem anderen Ergebnis als die des NDR: Sie fanden keine gefährlichen PAK-Werte im Erdreich. Allerdings wurden die Ergebnisse des NDR vom Kreis nicht angezweifelt. "Sie haben höhere Werte gefunden als wir, es hätte genauso gut umgekehrt sein können", so der Leiter der Bodenschutzbehörde Jürgen Eilers.

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Der Unternehmenssprecher von Holcim wird ungehalten.
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"Ich möchte keine Filmaufnahmen"

Großer Bahnhof beim Ortstermin in der Kiesgrube Schalkholz - der Unternehmenssprecher von Holcim versuchte die Dreharbeiten von Panorama 3 in dem Kiesabbaugebiet zu verhindern. 1 Min

Auf einem Ortstermin sollte der NDR seine Fundstellen der krebserzeugenden Stoffe zeigen. Dabei kam es zum Eklat mit dem Unternehmenssprecher von Holcim. Dieser versuchte die Dreharbeiten während des Ortstermins in dem Kiesabbaugebiet zu verhindern. Unser Team verließ daraufhin das Gelände.

Mehr als 54.000 Tonnen illegal abgekippt

Der Kreis verfolgte von Anfang an das Ziel, sämtliche illegal eingelagerten Böden aus der Grube entfernen zu lassen und damit auch möglicherweise belastete Abfälle. Dabei musste die gefundene Menge immer wieder nach oben korrigiert werden. War anfangs nur von wenigen tausend Tonnen die Rede, wurden bis Mitte des Jahres mehr als 54.000 Tonnen illegal eingelagertes Material aus der Grube abgefahren. Davon wurden mehr als 10.000 Tonnen auf einer Deponie entsorgt, der Rest in eine andere Kiesgrube und in einen Lärmschutzwall eingebaut. Aus der Kiesgrube Schalkholz wurden damit nach Angaben der Abfallbehörde des Kreises Dithmarschen alle illegal eingelagerten Materialien entfernt. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Kommt die Deponie?

Lange haben die anliegenden Gemeinden befürchtet, Holcim könnte jetzt die Planungen für eine Deponie wieder voran treiben. Immerhin ließen sich in Schalkholz theoretisch mehr als zwei Millionen Kubikmeter mineralische Abfälle wie Bauschutt einlagern. Doch Holcim hat am 14. Dezember 2015 gemeinsam mit dem beteiligten Entsorgungsunternehmen angekündigt: "Holcim und Otto Dörner legen Pläne für Deponie in Schalkholz auf Eis." Grund dafür sei die fehlende Wirtschaftlichkeit. Doch Sven Großterlinden, Geschäftsführer der Holcim Beton und Zuschlagstoffe GmbH, räumt auch ein: "Natürlich waren die Fehler, die dort passiert sind, nicht hilfreich, um vor Ort das Vertrauen der Politik und der Anwohner für ein neues Projekt zu gewinnen." Hier die Erklärung im Wortlaut.

In Dithmarschen dürfte die Entscheidung gegen eine Deponie für Erleichterung sorgen.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 10.02.2015 | 21:15 Uhr

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