20 Jahre Bella Donna - Ein Haus von Frauen

Stand: 06.10.2023 20:30 Uhr

Es ist ein deutschlandweit einmaliges Frauenprojekt: Das Bella Donna Haus in Bad Oldesloe. In diesem Jahr gibt es den sozialen und kulturellen Veranstaltungsort seit 20 Jahren.

von Corinna Below

Das Fenster muss raus. Es ist in die Jahre gekommen. Birgit Mahner und Bärbel Nemitz stehen vor dem Eine-Welt-Laden, der im Bella Donna Haus untergebracht ist, und überlegen. "Wir könnten hier ein Fenster einbauen lassen, was man kippen kann", schlägt die eine vor. Entscheiden wollen sie es jetzt nicht. Mahner und Nemitz sind im Vorstand des Vereins "Bella Donna - Ein Haus von Frauen".

"Wir machen aus einem Herrenhaus ein Weiberhaus"

Zwei Frauen stehen hinter einem Aufsteller und lächeln in die Kamera. © NDR Foto: Corinna Below
Birgit Mahner und Bärbel Nemitz sind Gründungsmitglieder und gehören zum Vorstand des Vereins

Das Bella Donna Haus war mal eine Autowerkstatt, mitten im Zentrum Bad Oldesloes (Kreis Stormarn). Eine der Gründungsfrauen, Dagmar Greiß, hatte die Idee. "Sie hat gesagt, wir wollen aus einem Herrenhaus ein Weiberhaus machen und da haben wir gesagt, Jawoll, das ist dringend nötig", erinnern sich Birgit Mahner und Bärbel Nemitz. Das war Ende der 1990er Jahre. Damals waren die beiden Frauen auch schon dabei. Sie kannten sich aus der feministischen Arbeit und durch die Beratungsstelle "Frauen helfen Frauen". Sie wollten einen Ort schaffen, an dem Frauen ihre Stärken feiern und sich künstlerisch ausdrücken können. Und sie taten es. In diesem Jahr gibt es das soziale und kulturelle Veranstaltungshaus Bella Donna seit 20 Jahren.

Frauen präsentieren ihre Themen

An diesem Nachmittag schleppen zwei Ukrainerinnen eine Kiste mit Plakaten und einen Sack mit Plüschteddys die Treppe zum ersten Stock hoch. Bärbel Nemitz begrüßt sie im großen, hellen Foyer des Bella Donna Hauses. Hier zeigt der Verein pro Jahr fünf bis sechs Ausstellungen mit Kunst von Frauen, denn "Frauen haben wenig Raum in dieser patriarchalen Gesellschaft", erklärt die Vorstandsvorsitzende.

Die aktuelle Ausstellung hängt seit dem 6. August. Nemitz hat die Künstlerin gebeten, eine Woche früher abzuhängen, um Platz zu machen für eine Ausstellung über im russischen Angriffskrieg gestorbene ukrainische Kinder. "Wir wollen zeigen, was Krieg für die betroffenen Menschen bedeutet", erklärt Nemitz. Die Künstlerinnen Anna Kalitchenko und Tatiana Kuvschinova sind dankbar für die Möglichkeit. Kalitchenko sagt: "Die Frauen von Bella Donna denken über die Sache genau wie wir. Das bedeutet uns sehr viel. Sie verstehen das Problem. Und sie sind sehr hilfsbereit."

Auch ein Schutzraum für Frauen

Rückblick in die 1990er Jahre: Nachdem die Idee für das "Weiberhaus" einmal ausgesprochen ist, legen die Frauen los. Sie schreiben ein Konzept, treiben Spenden und Privatkredite auf, machen Schulden bei der Bank, sie kaufen die Autowerkstatt und bauen sie um. 2003 ist die Eröffnung. Zu den ersten Mieterinnen gehört die Beratungsstelle "Frauen helfen Frauen". Beim Umbau des Hauses hatten sie Mitspracherecht. So kommt es, dass es im obersten Stock, wo sich die Beratungs- und Therapieräume befinden, zwei separate Bereiche gibt. Einen, in dem Frauen bei Bedarf mit ihren Männern beraten werden und einen, in dem Männer keinen Zutritt haben. Das Bella Donna Haus will auch ein Schutzraum für Frauen sein.

Vermietungen wichtig für Finanzierung

Den großen Saal im Obergeschoss vermietet der Verein zum Beispiel an Tanzgruppen. Zudem sind ein Restaurant, eine Heilpraktikerin und der Eine-Welt-Laden im Haus. Acht feste Mieterinnen sind es insgesamt. "Vermietung ist für uns ganz zentral," erklärt Birgit Mahner, "weil wir uns darüber finanzieren." Aber die Mieten seien alle sozialverträglich, versichert sie. Das sei ihnen sehr wichtig, weil sie vor allem an Existenzgründerinnen vermieten wollten. Früher sei im Haus eine Hebammenpraxis mit einem Geburtsraum gewesen. "150 Kinder sind in dem Raum geboren worden. Das hat uns alle sehr glücklich gemacht", so Mahner. Die Hebammen seien leider ausgezogen, weil sie sich vergrößern wollten. Schade, aber ein guter Grund, finden die Bella Donna-Frauen.

Jüngstes Mitglied 19 Jahre

Mehrere Frauen sitzen an einem Tisch. © NDR Foto: Corinna Below
Einmal im Monat sitzen die Frauen von Bella Donna zusammen, um zu planen.

Einmal im Monat treffen sich die Vereinsfrauen, um zu planen: Lesungen, Konzerte, was so ansteht. Alleine schaffen sie die viele Arbeit aber schon lange nicht mehr. Seit gut 15 Jahren haben sie zwei Halbtagskräfte angestellt. Eine kümmert sich um die Finanzen, die andere um die Kulturveranstaltungen. Das bringt sie finanziell oft an ihre Grenzen. Deswegen sind sie immer wieder auch auf Fördergelder und Spenden angewiesen. Zehn Frauen arbeiten regelmäßig und zum Teil rund um die Uhr ehrenamtlich für das Frauenprojekt. Charlize Pinder ist mit 19 Jahren das jüngste Mitglied. Sie ist schon seit vier Jahren dabei. "Wir haben lauter Projekte, die für unsere Gesellschaft wirklich wichtig sind", sagt sie.

Abends: ein Vortrag zu Ghana

Es ist 18:15 Uhr. Immer mehr Frauen kommen ins Foyer. Großes Hallo. Bärbel Nemitz begrüßt den Gast des Abends: Faustiona Moses aus Bad Oldesloe wird Fragen zu ihrem Heimatland Ghana beantworten. Alle sitzen in einem großen Kreis. Ein Beamer wirft Fotos aus Ghana an die Leinwand und Faustiona Moses erzählt, dass in diesm Land neun Sprachen offiziell anerkannt sind, in der Schule aber nur Englisch gesprochen wird. Sie erzählt, dass sie Bad Oldesloe mag, dass sie Ghana trotzdem vermisst: "Heimat ist Heimat", sagt sie. Sie erzählt, dass sie in Hamburg Lebensmittel kauft, weil sie die Zutaten für die traditionellen ghanaischen Gerichte in Bad Oldesloe nicht bekommt. Aber sie koche auch manchmal Kartoffelbrei, weil sich ihre Töchter das so wünschten. Sie lacht. Die anderen auch. In solchen Momenten fühle sich das, was dieses Haus ausmache, sehr gut an, sagt Bärbel Nemitz. "Es ist so beglückend, dabei zu sein und das geschafft zu haben mit den anderen wunderbaren Frauen zusammen", sagt sie.

Damit es niemand falsch versteht, betont Birgit Mahner: "Männer sind jederzeit willkommen. Nicht nur als Gast bei unseren Veranstaltungen. Sie können sich sogar engagieren." Allerdings nur finanziell als Fördermitglied. Denn eins bleibt, wie es ist: Es heißt: "Bella Donna - Ein Haus von Frauen".

Weitere Informationen
Miu auf der Bühne beim Reeperbahn Festival 2020. © NDR Foto: Benjamin Hüllenkremer

"Es geht um Sichtbarkeit": Miu über Frauen im Musikgeschäft

Die Hamburger Multiinstrumentalistin spricht im Interview über die ganz persönlichen Inhalte ihrer Songs. mehr

Eine Archivaufnahme zeigt Frauen an Schreibmaschinen Sitzen in einem Klassenraum der Kolonialen Frauenschule Rendsburg. © Landesbibliothek Schleswig-Holstein

Zeitreise: Feminismus in einer rassistischen Zeit

An der Kolonialen Frauenschule Rendsburg konnten Frauen eine emanzipatorische Ausbildung erfahren, allerdings für koloniale und rassistische Motive. mehr

Eine Seniorin und eine junge Frau stehen vor einem Gemälde. © NDR

Gemeinsam in die Ausstellung: Kulturprojekt hilft einsamen Senioren

Die Initiative "KulturistenHoch2" bringt Seniorinnen und Senioren für Theater- oder Museumsbesuche mit Jugendlichen zusammen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 06.10.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Ausstellungen

Kreis Stormarn

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Investor Lars Windhorst auf dem Werksgelände der Nobiskrug am Nord-Ostsee-Kanal. © picture alliance/dpa | Gregor Fischer

Insolvenz der Windhorst-Werften FSG-Nobiskrug: Zustand "erschreckend"

Nach der Insolvenz spricht die IG Metall vom "Tag der Befreiung". Die Insolvenzverwalter kündigen Tempo bei der Investorensuche an. mehr

Videos