12 Euro Mindestlohn: Freude und Sorgen in Schleswig-Holstein
Der gesetzliche Mindestlohn sollte ab Januar eigentlich nur leicht auf 9,82 Euro pro Stunde steigen. Doch die Ampel-Koalition will nun im kommenden Jahr 12 Euro durchsetzen.
"Mehr Geld wäre natürlich schön!", freut sich Friseurin Natascha Arndt aus Heide über die Nachricht. Die Ampelkoalition will den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,60 Euro auf 12 Euro im kommenden Jahr anheben. Das würde auch ihr Gehalt deutlich erhöhen. Aber sie macht sich gleichzeitig auch Sorgen: "Also, das muss natürlich auch alles möglich sein für den Chef. Denn es bringt ja nachher auch keinem was, wenn der Chef sich das nicht mehr leisten kann und der Laden zugemacht werden muss."
Das Friseurhandwerk ist besonders betroffen

Ganz so drastisch will es die Chefin von Natascha Arndt nicht ausdrücken. Aber für Friseurmeisterin Tina Brodkorb-Alaszewski bedeutet die Nachricht eine große finanzielle Belastung: "Ich würde gerne sofort mehr Geld an die Mädels weitergeben. Das hab‘ ich immer schon gesagt: Die machen gute Arbeit, dann sollen sie auch ordentlich verdienen. Es ist nur so: Das alles kommt jetzt auf einen Schlag. Wir haben eine harte Zeit hinter uns." Natürlich meint sie damit Corona und den Lockdown.
Aktuell bekommen Friseurinnen und Friseure im Durchschnitt rund 1.690 Euro brutto Tariflohn im Monat. Das entspricht einem Stundenlohn zwischen 9,50 und 10,25 Euro. Kommt der gesetzliche Mindestlohn von 12 Euro, würden die Monatsgehälter direkt auf rund 1.980 Euro brutto steigen - pro Monat und Arbeitnehmer. "Für meinen Betrieb würde das bedeuten: Ich muss es eben 1 zu 1 auf die Preise draufknallen - anders geht es einfach nicht", sagt Tina Brodkorb-Alaszewski.
Sie bekräftigt, dass sie den Mindestlohn umsetzen würde und hofft auf das Verständnis ihrer Kunden. Um welchen Betrag sie die einzelnen Schnitte erhöhen müsste, berechnet sie derzeit noch mit ihrem Betriebsberater.
"Handwerk Schleswig-Holstein": Einmischung in Tarifautonomie
Marcel Müller-Richter vom Unternehmensverband Handwerk Schleswig-Holstein kritisiert, dass sich der Gesetzgeber nach seiner Auffassung erneut ins Tarifsystem einmischt. "Lohnverhandlungen sollten grundsätzlich dort bleiben, wo sie hingehören: In die Hände der Tarifpartner - also Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände", sagt er.
Inzwischen hätten sich die Tarifpartner sowie der Gesetzgeber ja in der Mindestlohn-Kommission auf Steigerungen geeinigt, die noch verkraftbar gewesen seien. "Dass es nun aber auf einen Schlag zwei Euro mehr pro Stunde als bisher werden sollen, kann nur mit langem zeitlichem Vorlauf und nur schrittweise funktionieren", so Müller-Richter.
Einige Handwerksunternehmen halten Steigerung für sinnvoll

Doch es gibt auch andere Meinungen: Bauunternehmer Björn Will aus Weddingstedt bei Heide ist Kreishandwerksmeister in Dithmarschen. Er hat über 80 Beschäftigte und ist überzeugt: "Die Menschen brauchen anständige Löhne und Gehälter." Man brauche doch nur die einfache Rechnung aufzumachen: Die Menschen müssten Miete, Strom, Gas, Wasser, Müll und Telekommunikation zahlen, hinzu kämen auf dem Land Kosten für Auto und Benzin - und gerade gingen alle Preise deutlich nach oben. "Das muss doch alles bezahlt werden können", sagt Will. In seinem Bauunternehmen würden die Tariflöhne des Bauhauptgewerbes gezahlt: "Anständige Löhne - für die meisten Mitarbeiter mit Ausbildung im Bau jenseits der 20 Euro - sprich über 3.000 Euro brutto", sagt er.
Bisherige Steigerungen im 2-Jahres-Zyklus
Die letzte Erhöhung des Mindestlohns stammt aus dem Jahr 2019. Hier hatte sich die Mindestlohn-Kommission ursprünglich einmal auf 9,82 Euro zum 1. Januar 2022 sowie auf 10,40 Euro zum 1. Juli 2022 geeinigt. Also bisher Schritte um 40 bis 60 Cent. Arbeits- und Sozialminister Heil lässt die Kritik der Wirtschaftsverbände kalt. Die Koalition begründet die Erhöhung mit der allgemeinen Preisentwicklung.
Die Löhne hätten damit zuletzt nicht mehr Schritt halten können. Im November hatte die Inflationsrate nach Angaben des statistischen Bundesamtes mit über 5 Prozent neue Höchststände erreicht. Es gehe darum, als Gesellschaft zusammenzuhalten, verkündete Heil. Deshalb lege die Koalition ihren Fokus auf die Erhöhung des Mindestlohns.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels haben wir den Nachnamen von Friseurmeisterin Tina Brodkorb-Alaszewski falsch geschrieben. Wir bitten das zu entschuldigen.
