Stand: 11.09.2012 12:28 Uhr

Behörden gehen gegen Schwarzbauten vor

Sandra und Holger Jürries sind verzweifelt. Gemeinsam mit ihren drei kleinen Kindern bewohnen sie ein Häuschen nahe der niederländischen Grenze. Das Eigenheim hat einen Garten, jedes Kind ein Zimmer - klein aber ausreichend für die fünfköpfige Familie. Hier könnten die Kinder sicher aufwachsen, dachte die junge Familie.

VIDEO: Behörden gegen Schwarzbauten (6 Min)

Doch dann kam ein Brief von der Bauaufsicht mit niederschmetterndem Inhalt: Ein Teil des Hauses sei illegal - ohne Baugenehmigung - erbaut worden und müsse abgerissen werden. Dadurch würden zwei der Kinder ihre eh schon kleinen Zimmer verlieren. Und als ob das nicht reicht, stellte die Bauaufsicht fest: Familie Jürries darf hier überhaupt nicht wohnen bleiben. Denn ursprünglich sei das Haus als Ferienhaus geplant und errichtet worden. Wohnen auf Dauer sei dort nicht gestattet.

Bauen ohne Genehmigung

An- und Ausbauten ohne Baugenehmigung waren in den vergangenen Jahrzehnten in Norddeutschland, insbesondere auf dem flachen Land, gängige Praxis. Wenn es die Nachbarn nicht störte, gab es meist auch keine Probleme mit der örtlichen Baubehörde. So manch ein Dachboden wurde zum Kinderzimmer, der Schweinestall am Haus zur guten Stube, und der Geräteschuppen zum schmucken Gartenhaus, in dem auch gerne mal die Verwandtschaft einquartiert wurde.

Ausgangspunkt vieler dieser illegalen Bauten ist die Nachkriegszeit. Damals waren die Kommunen froh, wenn die Menschen sich in Eigenarbeit neuen, dringend benötigten Wohnraum schufen. Baubehörden drückten gerne mal beide Augen zu. Es wurde geduldet, was rechtlich eigentlich nicht sein durfte.

Die Bauaufsicht schlägt zurück

Zwei Häuser werden umrahmt von grünen Bäumen. In der Auffahrt steht ein Auto. © NDR Foto: Jörg Holzapfel
Manche Häuser sind inzwischen zu stattlichen Anwesen geworden. Die Menschen fühlten sich dabei vom Gewohnheitsrecht geschützt.

Die Menschen kamen und blieben, bauten und veränderten. Und die Bauverwaltungen schauten lange Zeit zu. Doch mit der Zeit änderte sich der Blick auf die illegal errichteten Hausbauten: Jetzt durchforsten die Kontrolleure der Bauaufsicht ganze Wohngebiete nach ungenehmigten Bauten. Kein Carport, kein Dachausbau und keine Gartenhütte entgeht ihren wachsamen Augen. Es hagelt Bußgelder und Abrissverfügungen.

Rein rechtlich sei das zwar in der Regel einwandfrei, meint Peter Mauel vom Bauherren-Schutzbund, doch an der Lebensrealität der Hausbesitzer gehe das vorbei. Schließlich werde hier etwas verfolgt, das Jahrzehnte geduldet worden sei. Mauel ist sicher: "Die Behörden können illegale Schwarzbauten auch weiterhin dulden, wenn durch diese niemand gefährdet wird."

Duldung auch weiterhin möglich?

Doch damit tun sich viele Baubehörden offenbar schwer. Sie nutzen stattdessen all ihre Möglichkeiten, um Schwarzbauten aufzuspüren und deren Besitzer zu sanktionieren. Wehren können sich betroffene Hausbesitzer nur in besonderen Fällen: Wenn ein Schwarzbau zum Beispiel nach geltendem Bebauungsplan hätte genehmigt werden können, stehen die Chancen ganz gut. Dann wird nur ein Bußgeld fällig.

Ansonsten droht schlimmstenfalls eine Abrissverfügung. Aber auch dagegen können sich Betroffene zur Wehr setzen. Insbesondere wenn die Baumaßnahme über Jahre wissentlich von örtlichen Behörden geduldet wurde, könne ein Gang vor Gericht zum Erfolg führen, weiß Peter Mauel.

Ganze Siedlungen vom Abriss bedroht

Ein weißer Bungalow umgeben von Birkenbäumen. © NDR Foto: Jörg Holzapfel
Insbesondere in Feriensiedlungen mit Bungalows wie diesem droht der Abriss.

Ob Abriss oder nicht - das wird in Zukunft sicherlich immer mehr auch ein Thema der Politik werden. Die Kommunen erstellen die Bebauungspläne und könnten über diese Pläne auch illegale Zustände legalisieren. Eine politische Entscheidung wird besonders dann gefragt sein, wenn ganze Siedlungen vom Abriss bedroht sind oder den Bewohnern eine Nutzung als Dauerwohnsitz untersagt werden soll.

Letzteres droht bei Ferien- oder Gartensiedlungen, in denen Menschen ein neues Zuhause gefunden haben. Und das nicht selten schon vor Jahrzehnten - wie eben bei Familie Jürries. Peter Mauel fordert insbesondere in diesen Fällen "vernünftige Lösungen mit Augenmaß." Denn für die Betroffenen sei der Verlust ihres Hauses ein soziales Desaster.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 11.09.2012 | 21:15 Uhr

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