Polizisten bei einem internationalen Polizeieinsatz in Osnabrück © TV7NEWS

Razzia gegen Schleuser: Schaltstelle lag im Raum Osnabrück

Stand: 06.07.2022 14:48 Uhr

In einer gemeinsamen Aktion haben europäische Ermittler eigenen Angaben zufolge eines der führenden Netzwerke im Migrantenschmuggel zerschlagen. Die logistische Zentrale lag im Landkreis Osnabrück.

Rund 900 Beamtinnen und Beamte waren am Dienstag in Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen (NRW) und Baden-Württemberg im Einsatz. Im Fokus standen vier Materiallager in Osnabrück, Hannover sowie in Lotte und Bielefeld. Darüber hinaus durchsuchten die Ermittelnden unter anderem Häuser und Wohnungen in Osnabrück und im nahe gelegenen Wallenhorst. Insgesamt standen 36 Objekte auf ihrer Liste, wie es am Mittwoch in einer Mitteilung von Staatsanwaltschaft Osnabrück, Bundespolizei und Polizei Osnabrück hieß. Dabei seien unter anderem 119 Schlauchboote, 33 Bootsmotoren, 966 Schwimmwesten, 64 Mobiltelefone und Tablets, rund 27.000 Euro Bargeld und Waffen sichergestellt geworden. Zuvor hatten Beamte - vorwiegend Spezialkräfte - 18 Verdächtige zwischen 22 und 54 Jahren festgenommen. Die meisten Festnahmen gab es einem Polizeisprecher zufolge im Raum Bremen. Die Beschuldigten seien in Untersuchungshaft beziehungsweise sollten zügig einem Haftrichter vorgeführt werden.

Netzwerk soll bis zu 10.000 Menschen geschmuggelt haben

Das Schleusernetzwerk soll bisherigen Erkenntnissen zufolge von der französischen und belgischen Küste aus operiert haben, um Migrantinnen und Migranten in Schlauchbooten über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu bringen. Das kurdisch-irakische Netzwerk soll nach Erkenntnissen der Behörden in einem Zeitraum zwischen einem Jahr und eineinhalb Jahren bis zu 10.000 Menschen gegen Bezahlung befördert haben. Die groß angelegte europaweite Razzia wurde von den europäischen Justiz- und Polizeibehörden Eurojust und Europol koordiniert. Bei der Aktion in Frankreich, Belgien, Großbritannien und in Deutschland wurden den Angaben zufolge insgesamt 52 Beschuldigte festgenommen.

Hinweise führten Ermittelnde zu Lagern der Schleuser

Polizisten aus mehreren europäischen Staaten bei einem international geführten Polizeieinsatz in Osnabrück. © TV7NEWS
In Osnabrück waren auch Ermittler aus den Partnerländern im Einsatz.

Während der Ermittlungen hatte es Hinweise darauf gegeben, dass die Schleuserbande in großem Umfang Material aus Deutschland an die Kanalküste gebracht hat. Demnach hatten die Mitglieder in Deutschland die Aufgabe, unter anderem Boote, Motoren und Westen zu beschaffen und zu lagern. Diese seien dann von ihnen selbst oder anderen mit Fahrzeugen an die französische und belgische Nordseeküste gebracht worden. Die Ermittler konnten demnach unter anderem zwölf Transporte aus Lagern in Hannover und Bielefeld nachvollziehen. Später seien sie dann auf die anderen Lager aufmerksam geworden. Bei den Durchsuchungen am Mittwoch seien die deutschen Beamten von Polizeikräften aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Großbritannien unterstützt worden. Auch in diesen Ländern habe es Hausdurchsuchungen und Festnahmen gegeben.

Verbindung zu Schüssen auf Mann in Osnabrück?

Nach Erkenntnissen der Ermittelnden könnte das Schleusernetzwerk mit einem versuchten Tötungsdelikt in Osnabrück in Verbindung stehen. Dabei wurde im November ein Mann durch Schüsse schwer verletzt. Es handelte sich womöglich um einen Racheakt für eine Schusswaffenangriff auf ein Mitglied der Organisation in einem französischen Flüchtlingslager, wie die Polizei weiter mitteilte.

Innenminister Pistorius: Modell ist niederträchtig uns skrupellos

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) lobte derweil das Vorgehen der Ermittler. "Das kriminelle Geschäftsmodell, mit dem Leid und der Not von Menschen illegal Geld zu verdienen, ist niederträchtig und skrupellos", sagte Pistorius. "Diese Menschen sehen in ihrer ausweglosen Situation oft keinen anderen Ausweg, als sich für viel Geld in die Hände von kriminellen Banden zu begeben und dabei oft das Leben zu riskieren." Der Innenminister wies darauf hin, dass "Schleusungskriminalität uns auch in Zukunft stark fordern wird". Justizministerin Barbara Havliza (CDU) betonte die internationale Zusammenarbeit. "Allein national ist der Kampf gegen Schleusernetzwerke nicht zu gewinnen. Ich bin froh darüber, dass die Strafverfolgung grenzübergreifend funktioniert", sagte Havliza. Dabei nehmen Staatsanwaltschaft und Polizei in Osnabrück "derzeit eine Vorreiterrolle ein".

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Osnabrück | 06.07.2022 | 15:00 Uhr

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