Kommentar: "Weil vor schwierigen Gesprächen"
Mit diesem eindeutigen Ergebnis war nach den letzten Umfragen nicht unbedingt zu rechnen: Die SPD hat die Landtagswahlen in Niedersachsen klar gewonnen. Die Partei von Ministerpräsident Stephan Weil legte im Vergleich zu 2013 deutlich zu, während CDU, Grüne und FDP Verluste verzeichnen mussten. Eine Frage bleibt nach Feststellung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses vorerst unbeantwortet: Mit wem bilden die Sozialdemokraten das neue Regierungsbündnis?

Niedersachsen ist immer wieder gut für Überraschungen: Am Sonntagabend stand der klare Gewinner der Wahl schon kurz nach 18 Uhr fest. Wie das Land künftig regiert wird, war auch am Morgen danach noch offen. Vieles spricht für eine Große Koalition und damit für das Bündnis, das die beiden großen Parteien unbedingt vermeiden wollten. Bleiben die Freien Demokraten bei ihrem Nein zur Zusammenarbeit mit Rot-Grün, dann hat Stephan Weil keine Alternative, will er den Auftrag zur Regierungsbildung erfolgreich umsetzen.
Der alte und vermutlich auch neue Ministerpräsident wird am Tag nach der Wahl in Berlin als Hoffnungsträger seiner durch Niederlagen gebeutelten Partei gefeiert werden. Er hat es in einer furiosen Aufholjagd geschafft, seine noch im August in Umfragen deutlich abgeschlagene SPD wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Gegen den Bundestrend! Persönliche Glaubwürdigkeit und eine positive Leistungsbilanz waren der Schlüssel zum Erfolg. Dazu der Übertritt der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU. Eine Geschichte von Enttäuschung und Verrat, die sich zum Motivationsturbo für die Genossen entwickelte.
Selbst die große Unzufriedenheit vieler Bürgerinnen und Bürger mit der Schul- und Bildungspolitik wurde Rot-Grün - anders als in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen - nicht zum Verhängnis. Ein Wählervotum für ein "Weiter so!" ist das jedoch nicht, stattdessen der wohl wichtigste Auftrag an die neue Regierung.
Pragmatismus von allen Seiten
Doch zunächst steht Stephan Weil vor schwierigen Gesprächen. Denn die Liberalen haben gestern ihre Absage an ein Bündnis mit SPD und Grünen erneuert. Der Union hatte Weil "Opposition mit Dachlatte" vorgeworfen. Jetzt muss er sich mit Herausforderer Bernd Althusmann an einen Tisch setzen. Von allen Seiten braucht es Pragmatismus und die Bereitschaft, die Gräben zuzuschütten. Die sind in Niedersachsen zwischen den politischen Lagern besonders tief. Wie gut, dass der CDU-Spitzenkandidat nach einem mit harten Bandagen geführten Wahlkampf und einer für seine Partei schweren Niederlage schnell signalisiert hat, dass er zum Brückenbau bereit ist.
Es gärt in der Union
Ein politisches Beben wie bei der Bundestagswahl gab es gestern in Niedersachsen also nicht, aber deutliche Signale, die weit über das Land hinausreichen: Wenn am Mittwoch zum ersten Mal Union, Grüne und Liberale in Berlin über Jamaika verhandeln, sitzt am Tisch eine angeschlagene Kanzlerin. Das enttäuschende Wahlergebnis für ihre Partei wird die Kritik aus den eigenen Reihen befeuern. Es gärt in der Union. Und auch Grüne und Liberale fühlen sich durch die Landtagswahl nicht gestärkt. Das macht Jamaika schwieriger.
Allein für die Sozialdemokraten bringt der Wahlsieg von Hannover Auftrieb. Das, was in Niedersachsen gelang, soll jetzt zur Blaupause werden für die Bundespartei. Dazu braucht es ein klareres politisches Profil und eine polarisierte Auseinandersetzung im Parlament. Dann kann es übrigens auch gelingen, die AfD kleinzuhalten. Auch das ist eine der Lehren aus der Wahl in Niedersachsen.
