Whistleblower-Suche: Flugblattverteiler verurteilt
Gerade einmal fünf Minuten benötigte Richterin Penschow, um nach knapp zweistündiger Verhandlung im Amtsgericht Celle am Dienstag das Urteil gegen Hermann Theisen zu formulieren. Das Resultat: Der 54 Jahre alte Mann aus Heidelberg muss 1.800 Euro Geldstrafe zahlen - in 60 Tagessätzen zu jeweils 30 Euro. Die Tat, um die es ging, war in der Verhandlung unstrittig: Er habe am 3. Mai 2018 seine Flugblätter vor den Toren des Rüstungsherstellers Rheinmetall in Gemeinde Unterlüß (Landkreis Celle) verteilt, um auch innerhalb der Mitarbeiterschaft eine Debatte unter anderem über Rüstungsexporte auszulösen, sagte Theisen am Dienstag im Gericht. Er sehe sich dabei im Recht, denn sein Handeln sei vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt.
Mann wegen Aufruf zu Whistleblowing verurteilt
Weil er vor einem Rüstungskonzern Flugblätter verteilt und zum Whistleblowing aufgerufen hat, muss Hermann Theisen eine Geldstrafe zahlen. Das hat das Amtsgericht Celle entschieden.
Staatsanwaltschaft sieht Aufruf zu einer Straftat
Die Anklagevertretung sah es anders. Immerhin habe Theisen die Rheinmetall-Mitarbeiter aufgefordert, Betriebsinterna auszuplaudern. So habe er seine Flugblätter ausdrücklich im Imperativ formuliert: "Informieren Sie die Öffentlichkeit umfassend und rückhaltlos über die Hintergründe der in Rede stehenden in Teilen illegalen Exportpraxis Ihres Arbeitgebers!" zitierte die Staatsanwältin aus dem Flugblatt und sagte: "Das hat nichts mehr mit Meinungsfreiheit zu tun." Ihr Fazit: Theisen habe mit seiner Aktion öffentlich zur Begehung von Straftaten aufgerufen, nämlich zum Verrat von Betriebsgeheimnissen. Ihre Forderung: Insgesamt 4.800 Euro Geldstrafe.
"Informieren kann man Mitarbeiter auch anders"
Zwar teilte das Gericht die rechtliche Einschätzung der Anklagebehörde. Dass man aber das Strafmaß deutlich niedriger ansetze, habe auch damit zu tun, dass "im Zentralregister kein Eintrag" verzeichnet sei. Im Klartext: Theisen ist nicht vorbestraft, obwohl er wegen ähnlicher Taten schon mehr als zwei Dutzend mal vor Gericht gestanden hatte. In höheren Instanzen wurde er aber stets freigesprochen. Grundsätzlich sei es "in Ordnung", wenn Theisen durch sein Vorgehen politischen Protest zum Ausdruck bringen wolle, sagte die Richterin. Doch auch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung habe seine Grenzen. Pragmatisch fügte sie hinzu: "Informieren kann man Mitarbeiter auch anders." Dafür müsse nicht zur Preisgabe von Betriebsgeheimnissen aufgefordert werden.
Berufung angekündigt
Theisen zeigte sich nach dem Richterspruch enttäuscht und kündigte an, in die Berufung gehen zu wollen - wie in vielen vergleichbaren Fällen zuvor. Er sei "sehr zuversichtlich", dass das Urteil keinen Bestand haben und in der nächsten Instanz, "spätestens vor dem Oberlandesgericht in Celle" aufgehoben werde, sagte Theisen dem NDR.
