Was macht den "Abu Walaa"-Prozess so bedeutend?
Er gilt als wichtigster Prozess gegen Islamisten in der Bundesrepublik. Das Verfahren gegen den mutmaßlichen Anführer des IS in Deutschland vor dem Oberlandesgericht in Celle - es soll heute enden nach dreieinhalb Jahren. Der Hauptangeklagte war Prediger in Hildesheim, das deshalb sogar zu einem bundesweiten Hotspot der Islamistenszene geworden war. NDR Reporterin Angelika Henkel hat den Prozess beobachtet.
Warum ist der Prozess und warum ist das Urteil so bedeutend?
Das Urteil könnte ein Meilenstein werden - denn hier geht es nicht um die typischen IS-Rückkehrer. Der Hauptangeklagte Ahmad A., mit dem Szene-Namen "Abu Walaa" bekannt, der soll laut Bundesanwaltschaft einen direkten Draht vom niedersächsischen Hildesheim aus zur Terrormiliz IS nach Syrien gehabt haben. Ein Mann von enormer Strahlkraft für die islamistische Szene, mit dem auch der Berliner Attentäter Anis Amri zu tun hatte. Er und die anderen drei Mitangeklagten sollen hier Menschen radikalisiert und dann zur Ausreise nach Syrien verholfen haben.
Der Prozess hat dreieinhalb Jahre gedauert, 245 Tage, mehr als 120 Zeugen sind gehört worden. Kosten: mehr als zehn Millionen Euro. Warum hat der Prozess so lange gedauert?
Der wohl wichtigste Grund: Die Beweisführung stützte sich vor allem auf Zeugen. Die wichtigsten von ihnen waren selbst in der Szene aktiv gewesen und versprachen sich möglicherweise von ihrer Aussage einen Bonus in eigener Sache. Das machte die Beweisführung herausfordernd. Doch im Verlauf des Prozesses meldeten sich weitere Zeugen - am Ende hat sogar einer der Mitangeklagten gegen "Abu Walaa" ausgesagt.
Eine Vertrauensperson der Polizei durfte nicht aussagen. Welche Rolle spielt das?
Diese Vertrauensperson - genannt VP01 - ist ein wichtiger Zeuge. Als bezahlter Spitzel drang VP01 im Auftrag der Polizei bis zum innersten Kreis vor, auch bis zum Attentäter Anis Amri. Aber: Das Innenministerium in Düsseldorf verbot VP01 bis zuletzt im Prozess auszusagen. Das Argument: Ein Auftritt könnte für den Mann zu gefährlich sein. An seiner Stelle nahmen Polizeibeamte auf dem Zeugenstuhl in Celle Platz. Die Verteidigung sieht das sehr kritisch.
Was ist da heute zu erwarten?
Die Bundesanwaltschaft hat für "Abu Walaa" elfeinhalb Jahre gefordert. Seine Verteidiger fordern dagegen einen Freispruch - sie sehen die Vorwürfe als nicht belegt an und stellen die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Frage. Der Senat des Oberlandesgerichtes in Celle hat bereits während der Verhandlung durchblicken lassen, dass am Ende hohe Haftstrafen stehen könnten.
