Urteil gegen IS-Chef: Zehneinhalb Jahre Haft für "Abu Walaa"
Nach dreieinhalb Jahren und mehr als 100 Zeugenaussagen hat das Oberlandesgericht Celle ein Urteil gegen Ahmad A. gefällt. Der deutsche Statthalter der Terrormiliz IS muss lange ins Gefängnis.
Die Richter verurteilten den 37-Jährigen, der sich selbst "Abu Walaa" nennt, am Mittwoch zu einer Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren. Der Vorsitzende Richter Frank Rosenow betonte in seiner Urteilsbegründung die herausgehobene Stellung von Ahmad A. beim IS: Er sei "als sein Vertreter in Deutschland eingesetzt" und autorisiert worden, in seinem Namen zu handeln. Zudem habe er persönliche Kontakte zu den Führungsfiguren des IS unterhalten. Im Tatzeitraum sei er zudem selbst eine "führende Autorität mit hoher Strahlkraft" in der dschihadistisch-salafistischen Szene in Deutschland gewesen. Die Richter bestätigten damit die Anklagepunkte der Bundesanwaltschaft gegen Ahmad A. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Terrorismusfinanzierung.
Mitangeklagte müssen ebenfalls ins Gefängnis
Die drei Mitangeklagten im Alter von 32 bis 55 Jahren seien ebenfalls wichtige Figuren in der islamistischen Szene gewesen, sagte Richter Rosenow. Sie hätten ihre Schüler und Zuhörer dazu aufgefordert und ermuntert, in IS-Gebiete auszureisen beziehungsweise Anschläge im Namen des IS zu begehen. Alle Angeklagten hätten teils zusammengearbeitet, seien aber "nicht Teil eines festgefügten Netzwerks" im Sinne einer straff organisierten und hierarchisch aufgebauten Organisation gewesen, hieß es weiter.
Kontakte zu Islamisten wie dem Attentäter Anis Amri
Ahmad A. war Imam der Moschee des inzwischen verbotenen Vereins Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim. Die Stadt galt zeitweise als Hotspot der islamistischen Szene. Ein mitangeklagter Deutsch-Serbe, der zu acht Jahren Haft verurteilt wurde, soll seine Wohnung in Dortmund als Gebetszentrum genutzt und dort zeitweise den Islamisten Anis Amri beherbergt haben. Amri verübte 2016 einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin, bei dem zwölf Menschen starben. Im Verlauf des Prozesses beschäftigte sich das Gericht mit vielen weiteren Islamisten, die von dem Dortmunder und einem Mitangeklagten aus Duisburg im Hinterzimmer von dessen Reisebüro radikalisiert worden sein sollen. Der Duisburger wurde zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Zwei der Rekrutierten sollen im Irak Selbstmordattentate mit zahlreichen Todesopfern verübt haben.
Anklage forderte lange Freiheitsstrafe für Prediger
Die Richter blieben mit ihrem Urteil unter der Forderung der Bundesanwaltschaft. Diese hatte ihrem Plädoyer elfeinhalb Jahre Haft für Ahmad A. gefordert, für die übrigen Angeklagten Freiheitsstrafen zwischen viereinhalb und zehn Jahren. Die Verteidigung forderte dagegen einen Freispruch beziehungsweise deutlich mildere Strafen und kündigte unmittelbar nach dem Urteil eine Revision vor dem Bundesgerichtshof an. Der Vorwurf, A. habe junge Menschen radikalisiert, sei von der Anklage und während der Beweisaufnahme des Gerichts nicht konkretisiert worden. Außerdem gebe es Zweifel an der Glaubwürdigkeit wichtiger Zeugen.
Anschuldigungen basieren auf Zeugenaussagen
Die Bundesanwaltschaft stützte sich in ihrer Anklage auf einen Kronzeugen, einen jungen Mann aus dem nordrhein-westfälischen Gelsenkirchen. Dieser geriet als Jugendlicher in islamistische Kreise, wandte sich später aber vom IS ab und arbeitete mit den Behörden zusammen. Eine weitere Schlüsselrolle spielten Informationen eines V-Manns der Polizei. Er erhielt für den Prozess aber keine Aussagegenehmigung.
