Stand: 02.04.2019 16:30 Uhr

"Baugesetz orientiert sich zu stark am Neubau"

Anfang April 1979 ist das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz in Kraft getreten. Damit wurde die Grundlage für das Institut für Denkmalpflege geschaffen - den Vorgänger des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege. Doch was passiert dort eigentlich? Ein Gespräch mit der Präsidentin Christina Krafcyk, die das Amt seit etwa eineinhalb Jahren leitet.

Christina Krafczyk im Portrait. © NDR
Christina Krafcyk leitet das Landesamt für Denkmalpflege in Hannover.

Frau Krafcyk, das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz besteht nun seit vier Jahrzehnten. Um wie viele Denkmäler kümmert sich Ihr Amt? Wie sieht das Tagesgeschäft aus?

Christina Krafcyk: Wir sind niedersachsenweit für etwa 90.000 Bau- und Kunstdenkmäler sowie für etwa 120.000 archäologische Denkmäler zuständig. Die Ausweisung ist ein umfangreiches Geschäft - leider gibt es aber auch immer wieder Verluste, beispielsweise durch Leerstände. Ein aktuelles Beispiel für unsere Arbeit ist die Burgpassage in Braunschweig: Dort soll in einem Wohn- und Geschäftshaus nicht nur das Erdgeschoss geöffnet werden, sondern auch das zweite Obergeschoss. Wir prüfen nun, ob hier eine sogenannte zwingende Eingriffserfordernis vorliegt. Es geht dabei immer um die Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und dem Denkmalschutz. Konkret sollen Gebäude unter Denkmalschutz für kommende Generationen bewahrt werden, aber darüber hinaus muss auch die Nutzung sichergestellt sein. Das müssen wir in Einklang bringen.

Wie viele Mitarbeiter sind für das Landesamt tätig?

Krafcyk: Wir haben insgesamt 140 Mitarbeiter, aber nicht alle sind in Vollzeit tätig. Es gibt 85 Stellen, die meisten davon in Hannover. Dazu haben wir noch Regionalreferate in Braunschweig, Lüneburg, und Oldenburg sowie das Referat für Montanarchäologie (Bergbau und Hüttenwesen, d. Red.) in Goslar.

Gibt es ein Gebäude, an dem man sinnbildlich die Geschichte und Aufgaben Ihres Amtes erklären kann?

Krafcyk: Da bietet sich unser eigenes Haus in der Scharnhorststraße an. Dabei handelt es sich um eine Villa aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die in neugotischer Form erbaut wurde. Zwanzig Jahre später ist das Gebäude dann in ein Krankenhaus umgebaut und erweitert worden. Im Krieg wurde es beschädigt. In den 1980er-Jahren ist es dann in einen Verwaltungsbau umfunktioniert worden: Die großen, tollen Zimmertüren wurden ersetzt, die Decken wurden verstärkt, es wurde ein Veranstaltungsraum eingerichtet und eine neue Gebäudetechnik installiert. Das war allerdings alles nicht sehr denkmalgerecht und anschließend wurde auch 40 Jahre lang kaum etwas gemacht. Nur wenn ein Schaden vorlag, wurde der repariert. Derzeit planen wir die denkmalgerechte Instandsetzung. Eine Konzeptstudie zur Machbarkeit ist bei einem Architekturbüro in Auftrag gegeben, es wird eine bauhistorische Untersuchung geben. Sonst läuft das meist andersherum: Eine Nutzungsidee für ein Gebäude wird vom Eigentümer oder einem Investor auf ein Gebäude
"drübergestülpt".

Für "Ihr" Gebäude gibt es alte Fotos oder Zeichnungen. Doch wie ist es, wenn gar nichts mehr existiert, an dem man sich orientieren kann?

Krafcyk: Das Wichtigste hat man direkt vor Augen: das Gebäude selbst. Mithilfe der bauforschenden Untersuchung geht es dann weiter. Wo gibt es Erweiterungen? Wo wurde ein anderes Material verwendet? Auf diese Weise und mit diesen Beobachtungen versuchen wir, die Geschichte zu rekaptiulieren.

Wie war die Situation vor 40 Jahren, als das Landesamt ins Leben gerufen wurde?

Krafcyk: Damals, also Ende der 1970er-Jahre, herrschte bundesweit ein regelrechter Bau-Boom. Mehr als 80 Prozent der Neubauten stammen aus dieser Zeit. Schulen, Verwaltungsgebäude, auch Wohnungen entstanden. Gerade Hannover ist ein gutes Beispiel: Hier sollte die sogenannte autogerechte Stadt entstehen, es herrschte eine Modernisierungswelle. Die Denkmalpflege war dagegen geprägt von bürgerschaftlichem Engagement - schon von Beginn an. Die Angst damals war, dass der Wiederaufbau die letzten historischen Objekte, die vom Krieg verschont geblieben waren, auch noch zerstört. Dem wollte man entgegenwirken. Nicht zuletzt dadurch wurde unser Denkmalschutzgesetz in Kraft gesetzt. Für die seit den 1990er-Jahren dann zunehmenden Bauaufgaben im Bestand fehlt allerdings bis heute eine eigentliche Umbauordnung. Das Baugesetz orientiert sich immer noch zu stark am Neubau. Die Denkmalpflege kann in ihrer Vorgehensweise und ihrer Wertschätzung des Bestehenden ein gutes Vorbild für eine Umbauordnung sein - gerade in einer Zeit, in der viel von Nachhaltigkeit die Rede ist.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 01.04.2019 | 17:00 Uhr

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