Eine Ermittlerin sitzt vor einem Bildschirm mit Dateien. © picture alliance/dpa | Arne Dedert Foto:  Arne Dedert

Kindesmissbrauch: Polizei Hannover gelingt Schlag gegen Kriminelle

Stand: 13.09.2024 15:59 Uhr

Die Polizei Hannover hat mit der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg ein bundesweit agierendes Netzwerk von mutmaßlichen Pädophilen ausgehoben. Gegen sieben Männer wurde Haftbefehl erlassen. Ein mutmaßliches Opfer wurde aufgefunden.

Die Beschuldigten im Alter von 41 bis 53 Jahren sollen auf einschlägigen Kinderpornografie-Plattformen im Darknet als Administratoren und Moderatoren tätig gewesen sein, wie die Ermittlungsbehörden am Freitag mitteilten. Die Männer aus Bayern, Schleswig-Holstein, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Thüringen sollen dort Fotos und Videos von sexuellen Missbräuchen von Kindern veröffentlicht und geteilt haben. Gegen sie wurde Haftbefehl erlassen. Die Behörden ermitteln wegen des Verdachts der bandenmäßigen Verbreitung sogenannter kinderpornografischer Inhalte. Mehrere Beschuldigte hätten bereits Teilgeständnisse abgelegt und ihre mutmaßlichen Komplizen belastet.

Zwölfjähriger mutmaßlich in Missbrauchs-Situation angetroffen

Als die Beamten die Wohnung eines der Beschuldigten durchsuchten, entdeckten sie dort einen zwölfjährigen Jungen "in Umständen, die den Tatverdacht des sexuellen Missbrauchs begründen", wie es in der Erklärung von Polizeidirektion Hannover und Generalstaatsanwaltschaft Bamberg heißt. Der Verdächtige ist einer der Festgenommenen. Der Junge wurde den Behörden zufolge an seine Eltern übergeben. Aus Gründen des Opferschutzes und um die Ermittlungen nicht zu gefährden, machten die Behörden keine weiteren Angaben.

Datenträger und Sexpuppen sichergestellt

Einsatzkräfte der Polizeidirektion Hannover, Beamte der jeweiligen lokalen Polizeidienststellen und zwei IT-Forensiker der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg durchsuchten auch die Wohnsitze und Arbeitsplätze der übrigen Beschuldigten. Die Einsatzkräfte beschlagnahmten den Angaben zufolge rund 620 mögliche Beweismittel, darunter hauptsächlich Datenträger, aber auch missbrauchsrelevante Sexpuppen. Darüber hinaus wurde eine Online-Plattform vom Netz genommen, über die angeblich musikalische Talente gefördert werden sollten. Tatsächlich sollten darüber aber Kontakte zwischen kriminellen Pädophilen und Minderjährigen entstehen. In der Szene sei die Plattform als "Deutsches Pädophilen Forum" bezeichnet worden, teilten die Behörden mit.

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Ermittler suchen potenzielle Opfer und weitere Täter

Mit der Abschaltung der Internet-Plattform und dem Aufdecken des laut Behörden seit Jahren agierenden Netzwerks sei "ein schwerer Schlag gegen die Pädokriminalität gelungen". Die Polizei Hannover und die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg ermitteln weiter, um potenzielle Opfer sowie weitere Tatverdächtige zu identifizieren. Die Polizeidirektion Hannover war bei vorausgehenden Ermittlungen auf das Netzwerk gestoßen. Dies geschah laut einem Sprecher der Polizei während der Ermittlungen gegen einen 65-jährigen Mann aus Seelze. Der frühere Chorleiter steht derzeit wegen sexuellen Kindesmissbrauchs vor dem Landgericht Hannover. Bereits im April waren 19 verdächtige Pädokriminelle in Frankreich und Deutschland vorläufig festgenommen worden. Neue Erkenntnisse aus diesen Ermittlungen hatten die Behörden auf die Spur des jetzt ausgehobenen Netzwerks gebracht. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen übernahm das bayerische Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet, da zwei der sieben Beschuldigten aus Bayern stammen.

Schwierige Begriffe: Kinderpornografie und Missbrauch

  • Kinderpornografie ist die fotorealistische Darstellung des sexuellen Missbrauchs einer Person unter 14 Jahren. Der Herstellung solcher Darstellungen liegt ein realer, oft schwerer sexueller Missbrauch zugrunde. Delikte in diesem Straftatbestand werden mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. (Quelle: BKA)
  • Die Aufarbeitungskommission, die sexuellen Kindesmissbrauch in Deutschland unabhängig aufarbeitet, kritisiert die Bezeichnung: Kinderpornografie sei ein verharmlosender und ungenauer Begriff für Missbrauchsdarstellungen von Kindern auf Fotos, in Filmen und Texten. Der Begriff vermag darüber hinwegtäuschen, dass jede derartige Darstellung eine schwere Straftat ist, so die Kommission.
  • Der Verein "Wendepunkt" betont, dass bei der Herstellung von Pornografie die Teilnahme in der Regel freiwillig sei. Dafür könne bei Videos oder Fotos, auf denen sexuelle Handlungen mit Kindern gezeigt würden, nicht die Rede sein. Auch der Begriff "Missbrauch" sei nicht angebracht - er schließe ein, dass es im Umkehrschluss so etwas wie einen zulässigen Gebrauch von Kindern geben könne. Stattdessen solle der Begriff "sexuelle Gewalt" genutzt werden, weil sexuelle Handlungen mit Kindern nichts anderes seien.
  • Die Polizei hingegen verwendet den Begriff "Kinderpornografie" neben Formulierungen wie "Abbildungen von sexuellem Missbrauch von Kindern" oder "Darstellung von sexueller Gewalt", da der Begriff im Strafgesetzbuch als Tatbestand verankert ist. (Quelle: Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes)

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