Kontroverse Corona-Debatte im Landtag
In einer Regierungserklärung hat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Montag die Bund-Länder-Beschlüsse zur Pandemie als zwingend notwendig bezeichnet. Von der Opposition gab es harsche Kritik.
"Wir haben das Ziel eines klaren Rückgangs der Infektionszahlen noch nicht erreicht", sagte Weil. Deshalb bestehe unverändert dringender Handlungsbedarf: "Solange wir uns auf einem derart hohen Infektionsniveau bewegen, droht jederzeit eine neue Eskalation mit allen daraus resultierenden Folgen." Aus diesem Grund müssten die Maßnahmen im Dezember noch einmal verschärft werden, betonte Weil. "Zur Wahrheit gehört, dass wir bis zum Ende des Winters noch eine anstrengende Zeit vor uns haben." Wer etwas anderes sage, streue den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen.
Neue Corona-Verordnung mit strengeren Regeln
Weil betonte, dass es essentiell sei, die direkten Kontakte der Menschen noch einmal zu reduzieren. Deshalb sind gemäß der ab Dienstag geltenden Corona-Verordnung bis zum 23. Dezember nur noch Treffen von maximal fünf Personen aus zwei Haushalten erlaubt. Weitere Maßnahmen sind die Ausweitung der Maskenpflicht auf Arbeits- und Betriebsstätten sowie eine Entzerrung der Kundenströme im Einzelhandel durch striktere Zugangsregelungen. Überschreitet der Inzidenzwert in einem Landkreis die Marke von 200, soll es zusätzliche Einschränkungen geben.
Zurückhaltung an den Festtagen angemahnt
Für die Festtage zwischen dem 23. Dezember und dem 1. Januar ist eine leichte Lockerung der Regeln vorgesehen. Dann dürfen sich bis zu zehn Menschen aus mehreren Haushalten treffen. Weil appellierte allerdings an die Bürgerinnen und Bürger, dies nicht unnötig auszureizen. Da solche Treffen mit Risiken verbunden seien, komme es entscheidend darauf an, eine kluge, ausgewogene Mischung von Möglichkeiten und Grenzen herzustellen, so der Ministerpräsident. "Niemand hat etwas davon, wenn im Januar die Infektionslage wieder deutlich verschärft ist", so Weil. "Je niedriger die Zahlen am Jahresanfang sind, desto leichter wird uns das Jahr 2021 fallen."
Weil hält Wechselunterricht nicht für nötig
Auch für die Schulen sind zunächst weitere Verschärfungen vorgesehen. Ab einem Inzidenzwert von 200 gilt die Maskenpflicht für alle Schulformen. Das heißt, dann müssen auch Grundschulkinder im Unterricht einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Forderungen, an allen Schulen auf Wechselunterricht umzuschwenken, wies Weil zurück. "Dem kann ich nichts abgewinnen", sagte der Minister. Wenn die Hygieneregeln eingehalten werden, sei der Aufenthalt in den Schulen sehr gut vertretbar. Belegt werde dies auch dadurch, dass es derzeit in mehr als 80 Prozent der niedersächsischen Schulen Präsenzunterricht gibt.
Schulen bekommen zusätzliches Budget für Schutzmaßnahmen
Um den Infektionsschutz zu verbessern, sollen laut Weil alle Schulen ein Budget von 20 Euro pro Schülerin und Schüler bekommen. Damit könnten beispielsweise FFP2-Masken, Plexiglasvorrichtungen oder Luftfilter angeschafft werden. Außerdem sollen - wie bereits von Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) angekündigt - Tausende Assistenzkräfte die Schulen dabei unterstützen, den Corona-bedingten Mehraufwand zu bewältigen. Das Wirtschaftsministerium hat zudem 30 Millionen Euro für zusätzliche Busse im Schülertransport bereitgestellt.
Willie Hamburg: Mittel für Schulen nicht ausreichend
Die Grünen kritisieren den Umgang mit Schulen. Weils Prozentangaben zu Schulen im Präsenzbetrieb seien nicht korrekt, sagte die Fraktionsvorsitzende Julia Willie Hamburg. In die Statistik fließen ihr zufolge nur Schulen ein, bei denen Gesundheitsämter Quarantäne für Schüler oder Lehrkräfte verfügt haben. "Das dauert zum Teil bis zu einer Woche", so Willie Hamburg. Sie forderte, die Verfügungen klarer zu formulieren, damit "die Schulen in die Lage versetzt werden, selbständig zu handeln". Die 20 Millionen Euro Fördermittel für weitere Schutzmaßnahmen seien ebenso wenig ausreichend wie die 25 Millionen Euro für zusätzliche Kräfte. Eineinhalb 450-Euro-Stellen pro Schule stellten keine Hilfe für die gestiegenen Anforderungen dar. "Gut gewollt ist nicht gut gemacht", so Willie Hamburg.
Grüne und FDP bemängeln Fehlen einer langfristigen Strategie
Hamburg kritisierte zudem das Vorgehen der Landesregierung bei der Beschlussfassung von Corona-Schutzmaßnahmen. Sie und ihre Partei sehen sich nicht genügend eingebunden. Und: "Es ist nichts von einer langfristigen Strategie zu erkennen", sagte Willie Hamburg. Die Einschränkungen überwiegend im privaten Bereich reichten zudem nicht aus, um die Infektionszahlen entscheidend zu senken, sagte Hamburg. Unterstützung bekommt sie von der FDP. "Was Sie heute geliefert haben, war viel zu wenig", sagte deren Landesvorsitzender Stefan Birkner in Richtung Weil. Birkner kritisierte, dass die Landesregierung die Zeit seit dem Frühjahr nicht genutzt habe, um ein Konzept auf die Beine zu stellen. Zudem lasse sie ein Selbstkritik vermissen.
Birkner: "Fragwürdige Grenzziehung" in Kaufhäusern
Die FDP kritisierte des Weiteren die differenzierten Regeln für mittlere und große Läden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum für eine Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern pro Kunde zehn Quadratmeter, für größere Geschäfte pro Kunde 20 Quadratmeter Fläche als Infektionsschutzmaßnahme angeführt seien. Eine "fragwürdige Grenzziehung", so Birkner. "Sie erschließt sich uns nicht." Zumal als zusätzliche Maßnahme innerhalb von Geschäften Maskenpflicht gelte. "Das Infektionsrisiko ist nach unserer Sicht kein sachlicher Grund für diese Differenzierung", sagte Birkner.
Zwei AfD-Abgeordnete klagen gegen Maskenpflicht
Zwei AfD-Abgeordnete haben noch einen anderen Weg eingeschlagen: Sie wollen vor dem Staatsgerichtshof gegen die Maskenpflicht im Landtag klagen.
