Einbau-Stopp von Kirchenfenster: Künstler kritisiert Gemeinde
Die Marktkirche in Hannover hat den Einbau des "Reformationsfensters", einem Geschenk von Gerhard Schröder, auf Eis gelegt. Künstler Markus Lüpertz zeigt sich "tief enttäuscht" von der Entscheidung.
Der 80 Jahre alte Lüpertz sagte in einem Gespräch mit der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung": "Für die Zeiten, in denen wir gerade leben, können wir alle nichts." Weiter wolle er sich zu der Diskussion um Gerhard Schröder und dessen Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin nicht äußern. Der Künstler warf den Verantwortlichen der Marktkirchen-Gemeinde außerdem schlechte Kommunikation vor. "Ich persönlich habe von der Entscheidung und der Begründung des Kirchenvorstands erst erfahren, nachdem dieser die Öffentlichkeit bereits informiert hatte", sagte Lüpertz, der nach eigenen Angaben derzeit im französischen Orléans eine Ausstellung vorbereitet. Lüpertz gilt als einer der wichtigsten deutschen Gegenwartskünstler und persönlicher Freund von Altkanzler Gerhard Schröder.
Kirchenvorstand will kein Geschenk von Schröder
Das geplante "Reformationsfenster" sorgt seit Jahren für Diskussionen. Am Freitag hatte der Vorstand der Marktkirche erklärt, aufgrund von Schröders Verflechtungen mit der russischen Öl- und Gasindustrie den Einbau des Fensters auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Schröder hatte den von Putin entfesselten Ukraine-Krieg zwar kritisiert, aber sich weder klar vom russischen Präsidenten distanziert noch seine beruflichen Tätigkeiten in Russland aufgegeben. Man sehe sich deshalb nicht mehr in der Lage, die finanzielle Förderung für das Kunstwerk anzunehmen, sagte Martin Germeroth, Vorsitzender des Kirchenvorstandes. Die Entscheidung im Vorstand sei am Donnerstagabend einhellig gefallen. In der jahrelangen Debatte um das Fenster, die auch Unterschriftensammlungen und Gerichtsverfahren umfasste, ist dies nun die nächste Wende. Erst im November vergangenen Jahres hatte sich die Gemeinde mit einem Erben des Architekten der Marktkirche vor dem Oberlandesgericht Celle darauf geeinigt, dass das Fenster eingebaut werden darf.
"Unvereinbar mit dem friedensethischen Engagement"
Marktkirchen-Pastor Marc Blessing betonte, Schröder habe sich unzureichend von der völkerrechtswidrigen und menschenrechtsverletzenden Kriegspolitik des russischen Präsidenten distanziert. Das sei "unvereinbar mit dem friedensethischen Engagement der Marktkirche". Die Gemeinde will die vermittelten Spendengelder nun zurückgegeben, wie Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes am Freitag sagte. Schröder hatte die Spenden von Privatfirmen vor fünf Jahren vermittelt, um das Kunstwerk in Auftrag geben zu können.
Symbol für das Böse und die Vergänglichkeit
Das umstrittene Fenster sollte eigentlich im Laufe des Jahres eingebaut werden. Das rund 150.000 Euro teure Buntglasfenster des Künstlers Lüpertz ist etwa 13 Meter hoch und wurde der Kirche von Gerhard Schröder gestiftet. Es zeigt eine Szene mit zwei Gestalten, von denen eine an den Reformator Martin Luther (1483-1546) erinnert. Außerdem sind fünf schwarze Fliegen zu sehen - sie sollen das Böse und die Vergänglichkeit symbolisieren.
Viel Druck auf Gerhard Schröder
Am Donnerstag hatte die Stadt Hannover angekündigt, Schröder dieEhrenbürgerwürde aberkennen zu wollen. Ein entsprechendes Verfahren sei eingeleitet worden, hieß es. Grund sind die geschäftlichen Verbindungen des Altbundeskanzlers zu russischen Staatskonzernen. Auch in seiner Partei steht Schröder unter Druck: Bundeskanzler Olaf Scholz und SPD-Chef Lars Klingbeil forderten, dass er seine Posten bei russischen Staatsunternehmen niederlegt.
Auch in Sport und Wissenschaft gibt es Reaktionen: Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund hat Schröder die Ehrenmitgliedschaft entzogen, Hannover 96 prüft gar den Vereinsausschluss. Die Universität Göttingen beschäftigt sich derweil mit der Frage, wie sie mit Schröders Ehrendoktortitel umgehen soll.
