Prozessbeginn: Unfassbarer Stalking-Fall vor Gericht
In Göttingen muss sich ein Mann wegen massiven Stalkings vor dem Amtsgericht verantworten. Die Liste der Vorwürfe ist erschreckend.
Der 38-jährige Angeklagte soll einen heute 68 Jahre alten Mann durch anonyme Anrufe, E-Mails, Verbreitung von Fotos und Videoaufnahmen sowie Warenbestellungen und Zeitschriftenabos unter dessen Namen terrorisiert haben. Ungewöhnlich an diesem Stalking-Fall ist, dass der Angeklagte keinerlei persönliche Beziehung zu dem Opfer hatte. Der 68-Jährige wusste jahrelang nicht, wer ihn terrorisierte und warum. Durch die permanenten Nachstellungen fühlte er sich so verunsichert und bedroht, dass er sich irgendwann nicht mehr aus dem Haus traute. Er verlor 17 Kilogramm Gewicht und kam schließlich aufgrund seiner desolaten psychischen und körperlichen Verfassung zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus.
Schwulenhass als Tatmotiv vermutet
Die Staatsanwaltschaft hat den 38-Jährigen unter anderem wegen Beleidigung, Verleumdung, schwerer Körperverletzung und Nachstellung in einem besonders schwerem Fall angeklagt. Demnach soll der Mann Ende 2013 beschlossen haben, den 68-Jährigen zu mobben. Tatmotiv sei Schwulenhass, heißt es. Der Angeklagte habe sein Opfer für einen Homosexuellen gehalten, ohne zu wissen, ob dies zutraf. Sein Ziel sei es gewesen, dessen Ruf zu schädigen, ihn zu ärgern und öffentlich ins Lächerliche zu ziehen. Der 38-Jährige sagte aus, dass ihm der Mann in einem Fachgeschäft in der Göttinger Innenstadt aufgefallen sei, in dem seine Großeltern Kunden waren. Er habe sich angeblich über die Haare des Mitarbeiters gewundert.
Heimliche Fotos und Videos veröffentlicht
Laut Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte zunächst E-Mails an das Geschäft geschickt haben, in dem der 68-Jährige arbeitete. Darin behauptete er, dass der Mann Kunden belästigt und sexuell genötigt habe. Außerdem soll der 38-Jährige heimlich Fotos und Videos in dem Laden sowie vor dem privatem Wohnhaus des Stalking-Opfers aufgenommen und daraus Montagen mit obszönen und beleidigenden Inhalten gefertigt haben, die er über das Internet sowie in der Nachbarschaft verbreitete. Es folgten unzählige belästigende Anrufe.
Dutzende Bestellungen im Namen des Opfers
Nachdem sich der Mann eine neue Telefonnummer zugelegt hatte, hörten diese auf, dafür gab es nun Dutzende von Paketlieferungen. Einmal brachte den Angaben zufolge ein Lieferant spätabends einen Berg von Pizzen, dann wiederum stand ein Taxi vor der Tür, das der 68-Jähriger nie bestellt hatte. Hinzu kamen jede Menge Zeitschriftenabonnements, die jemand auf seinen Namen abgeschlossen hatte. Der 68-Jährige wurde durch die Nachstellungen so stark verunsichert, dass er früher in Rente ging und in eine schwere Depression verfiel.
Bis zu fünf Jahre Haft möglich
Dem Angeklagten droht wegen Nachstellung in einem besonders schweren Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Ein solcher Fall liegt beispielsweise dann vor, wenn der Täter durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht oder das Opfer in die Gefahr des Todes beziehungsweise einer schweren Gesundheitsschädigung bringt. Grundlage ist der so genannte Stalking-Paragraf 238 im Strafgesetzbuch, der im März 2017 verschärft wurde.
