VW-Chef Diess muss verantwortungsvoll handeln
Volkswagen-Chef Herbert Diess hat vor Arbeitsplatzverlusten wegen der Klima-Vorgaben für die Autoindustrie gewarnt. Sollte sich das EU-Parlament mit seiner Forderung nach einer Senkung des CO2-Ausstoßes für Autos um 40 Prozent durchsetzen, müsse 2030 bereits die Hälfte der Fahrzeuge rein elektrisch fahren, sagte Diess der "Süddeutschen Zeitung". In dieser Geschwindigkeit sei der Umbau der Flotte aber kaum zu managen und es drohe der Verlust von etwa 100.000 Stellen.
Ein Kommentar von Ann-Katrin Johannsmann, NDR 1 Niedersachsen
VW-Chef Diess hat in der Diskussion um Diesel und Kohlendioxid den Vorschlaghammer rausgeholt. Die neuen Klimaauflagen der EU würden ein Viertel der Jobs bei VW kosten. Das entspricht der stumpfen Logik: Wenn ich weiter geradeaus gehe, laufe ich vor die Wand.
Es stimmt, die schärferen Grenzwerte werden die Autobranche in Deutschland verändern - und zwar hoffentlich. Jenseits aller moralischen Vorwürfe hat die Diskussion um Diesel und Klimaziele nämlich eines gezeigt: Die deutsche Autoindustrie hat ihr wichtigstes Markenzeichen verloren. Technisch Weltspitze zu sein. Deutsche Ingenieure brauchen Betrugs-Software, um Schadstoff-Grenzwerte einzuhalten.
Elektroantriebe müssen eine größere Rolle spielen
Gleiches Bild bei den Elektroantrieben. Deren Entwicklung wird mittlerweile von Batteriekonzernen in Korea und China bestimmt. Niedersächsische Zulieferer klagen darüber, dass sie sich mit Innovationen an Konzerne wie Tesla halten müssen, weil ihre deutschen Auftraggeber auf der Stelle treten. Diess sagt, die Klimaziele der EU-Kosten 100.000 Jobs bei VW. Warum sagt er nicht mal, wie viel Arbeitsplätze es kosten wird, weiter die Hände in den Schoß zu legen? Warum rechnet er nicht vor, wie viele Arbeitsplätze das von VW mutwillig verspielte Vertrauen in den Diesel schon gekostet hat?
Allein in Niedersachsen arbeiten 220.000 Menschen in der Autoindustrie. Die eine Hälfte bei VW, die andere Hälfte bei Zulieferern. Für diese Jobs hat VW-Chef-Diess eine Verantwortung, in der Tat. Wenn er sie ernst nimmt, ist er gut beraten, Volkswagen in eine Zukunft zu führen, in der Elektroantriebe eine entscheidende Rolle spielen.
Deutsche Post als Innovations-Vorreiter
Die Große Koalition hat in den vergangenen Jahren dabei versagt, den Druck auf die Autokonzerne zu erhöhen. Sie hat sich mit dem Argument, die Kunden kaufen unsere E-Antriebe nicht, abspeisen lassen. Wir wären so gerne innovativ, aber uns sind die Hände gebunden.
Das Gegenteil ist der Fall: Die Deutsche Post hat kurzerhand selber einen Elektro-Lieferwagen entwickelt, damit sie weiter Pakete in deutsche Innenstädte liefern kann, weil sie von der Autoindustrie kein vernünftiges Angebot bekommen hat. Inzwischen sind 8.000 solcher Streetscooter auf deutschen Straßen unterwegs.
Diesel-Technologie als "Gold-Esel"?
Und siehe da: Auch die Autoindustrie kommt in Bewegung. Auf der jüngsten Automobilausstellung standen auf einmal deutlich mehr marktreife Elektrofahrzeuge.
In den vergangenen Jahren haben die Autokonzerne gerne mit Prototypen und Modellstudien ihr grünes Image poliert. Das legt zumindest den Verdacht nahe, dass die Autokonzerne technisch durchaus in der Lage wären, in Sachen E-Mobilität einen großen Schritt nach vorne zu machen, vorher aber gerne noch ein hübsches Sümmchen mit ihrer Diesel-Technologie verdienen würden.
Druck von außen schadet nicht
Die chinesische Regierung hat längst Ernst gemacht. Vom nächsten Jahr an sollen Autokonzerne in China mindestens zehn Prozent ihrer Flotte mit alternativen Antrieben ausstatten. China ist für Volkswagen der größte Einzelmarkt, dort kann der Konzern die Vorgaben ja offenbar erfüllen.
Nun muss man sich nicht gleich eine Planwirtschaft wünschen, um Klimaziele zu erreichen. Aber das Beispiel China zeigt: Druck von außen schadet nicht. Wenn Sylt und Wismar im Meer versinken, ist es zu spät - auch wenn die Bundesregierung das erfolgreich verdrängt. Deshalb ist es bitter nötig, dass die EU aufs Tempo drückt. Augen auf im Straßenverkehr!
