Das ThOP: Theater spielen, wo mal operiert wurde
Es ist ein ganz besonderer Ort auf dem Gelände der Georg-August-Universität in Göttingen. Dort im Jacob-Grimm-Haus, wo früher Studierenden gezeigt wurde, wie operiert wird, schlüpfen nun schon seit 1984 Menschen in Rollen und spielen Theater. Dass das überhaupt möglich ist, nennt Barbara Korte, die Geschäftsführerin des Theaters im OP (ThOP), ein "großes Glück". Damals suchte die dramaturgische Abteilung der Philologischen Fakultät eine Bühne und der Platz wurde frei, weil die Uni-Medizin auszog. "Eine sehr, sehr gute Idee", sagt Barbara Korte, die seit bald 20 Jahren beim Theater in Göttingen mitwirkt. Zunächst auf der Bühne, dann 2004 erstmals auch als Regisseurin und nun seit zehn Jahren als Geschäftsführerin und als technisch-organisatorische Leiterin.
Die unbequemen Holzbänke sind geblieben
Die Anmutung eines Anatomie-Hörsaals sei natürlich längst verschwunden, erzählt Korte. Viel habe sich verändert. "Damals gab es noch kein Gestänge, an dem man Scheinwerfer aufhängen konnte." Doch was ist geblieben in dem alten Anbau? "Die unbequemen Holzsitzbänke sind leider dringeblieben", sagt sie. "Und wenn man weiß, das hier war einmal ein Operationssaal, dann bringt das ein ganz anderes Gefühl mit." Wer die schwere Tür zum Theater aufdrückt, ein paar Schritte geht und zwischen die Tribünen blickt, die links und rechts bis fast unter die Decke reichen, der staunt durchaus.
Viel Nähe zu den Schauspielern
Die Bühnenform des Theaters sei eben ganz besonders, mit ihrer Bühne unten in der Mitte, sagt Korte. Die Zuschauer sitzen links und rechts auf den Rängen und schauen von oben hinab auf die Darsteller, "eigentlich von allen Seiten", wie die Geschäftsführerin es beschreibt. Das beeinflusse auch die Art und Weise, wie die Darsteller spielen. "Man dreht halt auch mal den Zuschauern den Rücken zu, man bewegt sich ganz anders." Was auch bedeutet, dass die Regisseure ihre Stücke anders inszenieren. Kurzum: "Es gibt nicht den guten und nicht den schlechten Platz. Es gibt Plätze, von denen man einzelne Szenen ganz toll sieht und andere halt nicht so gut." Außerdem schaffe die Nähe zu den Schauspielern eine ganz besondere Atmosphäre.
Das ThOP bringt Generationen zusammen
Am ThOP dürfen Studierende und andere Interessierte nicht nur auf der Bühne mitmachen, sagt Korte. "Bei uns kann auch jeder das ausprobieren, was ihm im Hintergrund des Theaters spannend erscheint." Grundsätzlich dürfen beim Theater im OP Studierende aus allen Fachbereichen mitmachen. Mitwirken können aber auch Personen, deren Studium schon etwas zurückliegt - schließlich wolle man nicht Studierenden graue Farbe ins Haar sprühen. "Genauso können auch mal Schüler mit auf die Bühne", sagt sie. "Diese Vielfalt macht uns aus. Bei uns kommen eben Leute aus allen Generationen und allen fachlichen Hintergründen zusammen."

Für Korte ist klar: "Jeder sollte mindestens einmal im Leben Theater gemacht haben." Wie man sich oder etwas präsentiere oder wie man laut vor Leuten spreche, das seien Dinge, die man auf der Bühne lernt. Und die man auch gut im Job anwenden könne. "Außerdem lernt man auch handwerkliche Dinge: Wie tapeziere ich? Was kostet eine Produktion?"
"Ehrenamtliche sind das Fundament, auf dem alles steht"
Neben Korte, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni arbeitet, kümmert sich ein ganzes Team um den Betrieb des ThOP. "Studentische Hilfskräfte helfen zum Beispiel bei der Verwaltung, bei Anfragen von außen oder von Gruppen, die gerade an Stücken proben." Rund 20 ehrenamtliche Mitarbeiter unterstützen das Theater zudem in ihrer Freizeit. "Sie sind das Fundament, auf dem alles steht." Außerdem bietet von der Uni bezahltes Lehrpersonal ein Angebot für die Studierenden - zum Beispiel das Berufsprofil "Theaterpraxis" oder das Zertifikat "Theaterpraxis und Präsentation".
Finanzierung fällt weg
"Was auch noch bezahlt werden muss, sind natürlich Bühnenbild, Kostüme und Aufführungsrechte", sagt Korte. Dafür habe man allerdings kein festes Budget. Den Spielbetrieb finanziert das Theater über das Geld, das mit den Stücken und über das Kulturticket, das die Studierenden in Göttingen erwerben, eingenommen wird. Das Lehrangebot durch Lehrbeauftragte sei bislang zum großen Teil aus sogenannten Studienqualitätsmitteln bezahlt worden. Diese seien allerdings ab dem Wintersemester 2019/2020 von offizieller Seite gestrichen worden. "Wir finanzieren einen Teil des Angebots gerade aus eigenen Mitteln, also aus Rücklagen." Der andere Teil falle aus.
"Wir hoffen, dass wir hier an der Uni eine Lösung finden, wie wir das Lehrangebot aufrechterhalten können", sagt Korte, die sich noch genau an ihre erste eigene Produktion am ThOP erinnern kann. Das war "Rosenkranz & Güldenstern" vom Briten Tom Stoppard vor 15 Jahren. "Meine erste eigene Regiearbeit auf dieser tollen Bühne", erzählt sie. Ein "Herzensprojekt" - wie so viele im alten Anbau im Jacob-Grimm-Haus.
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