Wie gerecht ist die Impfstoffverteilung an die Landkreise?
Die Vergaberegeln für das knappe Corona-Vakzin sorgen für Unmut. Während der Landkreis Wittmund auf die letzten Dosen für Pflegeheime wartet, impft Cloppenburg bereits zu Hause lebende Senioren.
"Wir bedauern natürlich, dass wir unsere schwungvoll begonnene mobile Impfung in den besonders von der Pandemie betroffenen Pflegeheimen im Landkreis Wittmund nicht im gleichen Tempo fortsetzen können", sagte Landrat Holger Heymann (SPD) am Freitag. Wegen fehlenden Biontech/Pfizer-Impfstoffs musste der Landkreis die Impfungen in Pflegeheimen unter der Woche einstellen. Eine zweite Lieferung wird erst für den 4. Februar erwartet. Nun fehle Impfstoff, um drei verbliebene Pflegeheime durchzuimpfen, sagte Heymann. Dabei seien gerade in diesen Einrichtungen Impfungen dringend nötig. Darüber hinaus gab Biontech/Pfizer am Freitag bekannt, in den kommenden Wochen wegen einer Umstellung im Produktionsprozess weniger Dosen zu liefern als geplant. "Ein echter Schlag ins Kontor", wie Gesundheitsministerin Carola Reimann sagte.
Emder Stadtbaurat: Pause könnte Impfbereitschaft senken
Die Vergabekriterien nach Bevölkerungszahl findet auch die kreisfreie Stadt Emden "unglücklich". Die Verteilung führe vor Ort zu Unverständnis, sagte der Emder Stadtbaurat Andreas Docter am Freitag der "Ostfriesen-Zeitung". Wegen fehlenden Impfstoffs müssten Impfteams nach Hause geschickt werden. "Wir befürchten, dass diese Pause zu einem Nachlassen der Impfbereitschaft führt", sagte Docter.
Kreise wollen Alter und Infektionslage als Kriterien
Jüngst haben in Niedersachsen mehrere Landkreise und Kommunen kritisiert, dass die Landesregierung den Verteilschlüssel an der Bevölkerungsdichte und nicht am Altersdurchschnitt ausrichtet. Wittmunds Landrat Heymann forderte indes, bei den Lieferplänen für den neuen Moderna-Impfstoff auch die Infektionslage vor Ort zu berücksichtigen. Nach dem jetzigen Schlüssel bekommt die Region Hannover mit ihren fast 1,2 Millionen Einwohnern alle zwei Tage ein Paket mit rund 1.000 Impfdosen. Kleine Landkreise und Städte wie Wilhelmshaven, Wittmund und Holzminden erhalten aber nur alle 23 bis 30 Tage Lieferungen.
Gesundheitsministerium verteidigt Verteilschlüssel als fair
Das niedersächsische Gesundheitsministerium bekräftigte unterdessen, am aktuellen Verteilschlüssel festhalten zu wollen. Es sei verständlich, dass die Landkreise mehr impfen wollten, die Impfstofflieferungen an das Land aber seien begrenzt, sagte ein Ministeriumssprecher am Freitag in Hannover. Mit derzeit wöchentlich verfügbaren rund 30.000 Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer in Chargen von 975 Dosen lasse sich nicht jedes der 50 Impfzentren wöchentlich beliefern. Der auf der Einwohnerzahl beruhende Verteilschlüssel sei fair, sagte der Sprecher. Zusätzliche Lieferungen an einzelne Landkreise hätten dagegen zur Folge, dass diese Dosen anderen Kreisen weggenommen werden.
Holzminden und Wilhelmshaven: Viele alte Bewohner, zu wenig Impfstoff
Kritik an den Verteilkriterien hatte zuvor unter anderem Holzmindens Landrat Michel Schünemann (parteilos) geübt. In dem Landkreis leben Schünemann zufolge mehr alte Menschen als andernorts: Ein Drittel der Bevölkerung sei älter als 65 Jahre. Während dort noch nicht einmal alle Hochgefährdeten gegen das Coronavirus geimpft worden seien, könne in Hannover bereits die nächste - nicht mehr so gefährdete Gruppe - immunisiert werden. "Zweites Problem ist", so Schünemann weiter, "dass durch diese großen zeitlichen Verzögerungen die Impfteams drei Tage im Vollgasmodus arbeiten und anschließend drei Wochen nichts mehr zu tun haben. Das ist für die Motivation natürlich fatal." Ein Problem, das auch Wilhelmshavens Oberbürgermeister Carsten Feist (parteilos) sieht. Wilhelmshaven habe rund 9.600 hochgefährdete Einwohner. Wenn die Impfdosen so schleppend kämen, werde man in Wilhelmshaven allein für diese Gruppe bis Ende Mai brauchen. Das sei nicht akzeptabel.
Cloppenburg impft bereits zu Hause lebende Senioren
Im Landkreis Cloppenburg, wo die Impfungen wegen der kritischen Infektionslage bereits am 27. Dezember begonnen haben, geht die Kampagne derweil in die nächste Stufe. Knapp 3.000 impfbereite Personen in den 27 Senioren- und Pflegeeinrichtungen des Landkreises seien versorgt worden. Am Sonnabend beginnen einem Sprecher zufolge die dezentralen Impfungen der Über-80-Jährigen, die nicht in einem Heim leben. Von Sonntag an erhalten die als erste vor drei Wochen Geimpften ihre zweite Impfdosis. Dieser Impfstoff sollte am Freitag geliefert werden.
