Stand: 06.03.2016 19:20 Uhr

VW-Vorstand verschwieg Abgas-Manipulationen

von Thorsten Hapke, Peter Hornung

Volkswagen hat im vergangenen Jahr die Informationen über Abgas-Manipulationen bewusst verschwiegen. Das geht aus der Erwiderungsschrift auf Aktionärsklagen hervor, die NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" vorliegt. Demnach wussten Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und weitere Vorstandskollegen spätestens Ende August 2015 davon, dass Volkswagen eine illegale Motorsoftware zur Umgehung der strengen US-Abgaswerte eingesetzt hatte. Öffentlichkeit und Aktionäre wurden aber nicht informiert.

VIDEO: VW hielt Abgasmanipulation bewusst zurück (2 Min)

Aktionäre klagen

Volkswagen ist von Aktionären vor dem Landgericht Braunschweig auf Schadenersatz verklagt worden, weil das Unternehmen auf den Verstoß gegen US-Umweltauflagen und die damit verbundenen Milliarden-Risiken nicht hingewiesen hatte. Damit seien für die Aktionäre drastische Verluste durch den dramatischen Kurssturz nicht vorhersehbar gewesen.

VW ging von 100-Millionen-Dollar-Strafe aus

Tauben sitzen auf einer Straßenlaterne vor dem VW-Tower in Hannover. © dpa-Bildfunk Foto: Julian Stratenschulte
Der VW-Vorstand hat in der Abgas-Affäre auf Geheimverhandlungen mit den US-Behörden gesetzt.

In ihrer Klage-Erwiderung schreiben die von VW beauftragten Anwälte, für den Vorstand des Unternehmens sei die Kursrelevanz des Verstoßes nicht erkennbar gewesen. Analog zur Ahndung ähnlicher Umweltverstöße in der Vergangenheit habe Volkswagen von einer maximalen Strafzahlung von 100 Millionen Dollar ausgehen können. Außerdem habe das Unternehmen nach dem Eingeständnis am 3. September 2015 in konstruktiven Gesprächen mit den Behörden gestanden. Dabei war Volkswagen offenbar signalisiert worden, dass man gemeinsam die Öffentlichkeit informieren werde, wenn die genauen Rückrufmaßnahmen geklärt seien. Angedacht war ein Termin im ersten Quartal 2016.

Im Sinne der Aktionäre gehandelt?

Der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG Matthias Müller vor einem großen VW-Logo. © dpa - Bildfunk Foto: Uli Deck
Der heutige VW-Chef Matthias Müller gehörte schon vor dem Bekanntwerden des Abgas-Skandals dem Vorstand an.

Die VW-Anwälte reklamieren sogar ein vorübergehendes "Geheimhaltungsinteresse" für den VW-Vorstand. Dieses ergebe sich unter anderem "aus den laufenden Verhandlungen von Volkswagen mit den US-Behörden". Eine Veröffentlichung "hätte in diesem Verhandlungsstatus daher sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge gehabt, dass die US-Behörden die Verhandlungen abgebrochen hätten." Dass man über den Verstoß schwieg, habe nicht der "Verschleierung" gedient, sondern sei im Interesse der Aktionäre "geradezu angezeigt gewesen", um den wirtschaftlichen Schaden des Verstoßes gering zu halten.

Auch VW-Chef Müller war im Bilde

Mit anderen Worten: Ex-VW-Chef Winterkorn und seine Kollegen waren kurz vor der Enthüllung der illegalen Praktiken in den USA durch die US-Umweltbehörde EPA im Bilde, entschieden sich aber bewusst gegen den Gang an die Öffentlichkeit. Pikant: Mitglieder im Vorstand waren der jetzige VW-Chef Matthias Müller und der heutige Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch, also die zwei Männer, die heute quasi die Chefaufklärer der Affäre sind.

"US-Umweltbehörde für Kurssturz verantwortlich"

Für den drastischen Kurssturz macht Volkswagen indirekt die US-Umweltbehörde EPA verantwortlich. Die habe "unerwartet" den Verstoß veröffentlicht und dabei eine "maximal mögliche Strafzahlung" genannt, "die jedoch bislang noch nie verhängt worden war." Tatsächlich ergab sich aus dieser Maximalstrafe von 37.500 Doller pro Auto bei rund 500.000 betroffenen Fahrzeugen eine Gesamtstrafe von rund 18 Milliarden Dollar. Diese Summe ließ am nächsten Börsentag den Volkswagenkurs einbrechen, kostete die Aktionäre viel Geld und stürzte Deutschlands größten Autobauer in eine Krise, die bis heute anhält.

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Dieses Thema im Programm:

NDR//Aktuell | 07.03.2016 | 14:00 Uhr

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