Hass im Netz: Zahl der Verfahren hat sich verfünffacht
Die Zahl der Verfahren wegen Hasskriminalität im Netz hat sich in Niedersachsen verfünffacht. Das geht aus dem Jahresbericht hervor, den Justizministerin Barbara Havliza vorgestellt hat.
Demnach beschäftigte sich die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet (ZHIN) in den vergangenen zwölf Monaten mit 1.136 neuen Verfahren. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 226, wie die CDU-Politikerin am Dienstag mitteilte.
Beleidigung bis Todesdrohung
"Die Corona-Monate haben uns gezeigt, wie schnell sich die Menschen über ihre digitalen Geräte in abstrusen Gedankenwelten verlieren können, gepusht von anonymen Gleichgesinnten", sagte Havliza. Es sei eine gute Entscheidung gewesen, im Kampf gegen den Hass im Netz eine spezialisierte Zentralstelle zu schaffen. Die dort verfolgten Hassdelikte reichen den Angaben zufolge von Beleidigungen über üble Nachrede und die Billigung von Straftaten bis zur Todesdrohung.
Ermittlung von Tätern weiter schwierig
Nur rund 28 Prozent der Verfahren führten zu einer Anklage oder einem Strafbefehl. Freisprüche gebe es vor Gericht aber so gut wie keine, sagte Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue, der die Zentralstelle leitet. Auch wenn viele der Verfasser von Hasskommentaren namhaft gemacht werden konnten, gelinge es nicht immer die Täter zu ermitteln, so Laue weiter. "Dies liegt unter anderem daran, dass die häufig im Ausland ansässigen Betreiber sozialer Netzwerke auf Anfragen von Ermittlungsbehörden nicht oder nur zögerlich antworten." Die zur Identifizierung des Täters benötigten IP-Adressen seien häufig bereits gelöscht oder es könne nicht nachgewiesen werden, "welcher von mehreren Nutzern ein und desselben Gerätes den fraglichen Kommentar verfasst hat". Zudem sei nicht jeder geschmacklose Kommentar strafbar.
Havliza sieht Social-Betreiber in der Verantwortung
Die Justizbehörden riefen dazu auf, Hassbotschaften im Netz nicht zu ignorieren, sondern anzuzeigen. Das gehe direkt bei der Polizei oder über eine Internet-Plattform, werde bisher aber nur in wenigen Fällen auch getan. Havliza nimmt auch die Anbieter sozialer Netzwerke in die Pflicht: Sie sollen mehr gegen Hasskriminalität unternehmen. "Die Strafverfolgung könnte deutlich verbessert werden, wenn sich die Social-Media-Anbieter ihrer Verantwortung mehr stellen würden", sagte sie. Auch beim Löschen strafbarer Inhalte hätten viele Betreiber großen Nachholbedarf. Als Negativbeispiel nannte sie Telegram.
