"Facebook-Unfälle" sind schwer nachzuweisen
Fast jeder Autofahrer kennt die riesigen Plakate mit der Aufschrift "Finger vom Handy". Sie sind Teil einer Kampagne, mit der die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung für eine sichere Fahrweise wirbt. Wirklich ernst genommen wird diese Warnung aber offenbar nicht. Immer wieder kommt es vor, dass Autofahrer während der Fahrt noch mal eben schnell bei Facebook reinschauen oder eine Kurz-Nachricht schreiben. Ein Fehlverhalten, das tödliche Folgen haben kann.
Nur der Verdacht reicht nicht aus
In den Polizeimeldungen nach Unfällen finden sich häufig Formulierungen wie "Der Fahrer geriet aus ungeklärter Ursache auf die Gegenfahrbahn" oder "Das Auto kam aus unbekannten Gründen in einer Kurve von der Straße ab". Nach übereinstimmender Auskunft von Sprechern verschiedener Polizeiinspektionen liegt hier häufig der Verdacht nahe, dass der Unfallverursacher durch die Benutzung eines Handys abgelenkt war. Das große Problem der Beamten ist jedoch, dies auch zu beweisen. Außerdem ist der Aufwand sehr groß.
Auswertung nur mit richterlicher Zustimmung
"Es kommt immer wieder vor, dass nach Unfällen im Auto ein Handy gefunden wird", sagte der Sprecher der Polizeiinspektion Oldenburg, Stefan Klatte, im Gespräch mit NDR.de. "Beschlagnahmt werden kann es aber nur dann, wenn ein konkreter Verdacht vorliegt und schwere Vorwürfe wie zum Beispiel fahrlässige Tötung im Raum stehen." Auch in diesem Fall dürfen die Beamten das Handy nicht auf eigene Faust auswerten, sondern müssen zunächst eine richterliche Anordnung beantragen. "Das passiert nur in Ausnahmefällen", so Klatte.
Handynutzung schwer zu beweisen
Ähnlich äußern sich auch andere Polizeidienststellen. Bei Bagatellunfällen oder wenn der Unfallverursacher der einzige Beteiligte ist, würden die Handys nicht überprüft, sagte ein Sprecher der Polizei in Verden. Nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung sei es eine Option, ein Mobiltelefon zu beschlagnahmen. In Osnabrück und Lingen heißt es, dass der Nachweis einer Handynutzung äußerst schwierig und aufwendig sei und deshalb fast nie vorkomme.
Landesverkehrswacht spricht von hoher Dunkelziffer
Die Landesverkehrswacht ist sich dieser Problematik ebenfalls bewusst. "Es gibt sicher eine hohe Dunkelziffer von Unfällen, bei denen Handynutzung eine Rolle spielt", sagte eine Sprecherin NDR.de. "Aber meist sind das nur Vermutungen." Besonders kritisch betrachtet sie den Hype um das Spiel "Pokémon Go". "Das ist schon fast ein gesellschaftliches Problem", so ihre Einschätzung. Der Sprecher der Polizei Delmenhorst hält "Pokémon" gar für eine "Katastrophe", weil die Spieler ständig auf das Display tippen müssten, damit die Verbindung bestehen bleibt. "Unfälle, bei denen Handys eine Rolle spielen, häufen sich", ist er sich sicher, ohne konkreten Zahlen nennen zu können.
Keine Statistiken zu "Handy-Unfällen"
Auch die Verkehrsunfallforschung Hannover, die Unfälle mit Personenschaden auswertet, hat keine Statistiken zum Einfluss von Handynutzung. "Alle unsere Interviews mit Unfallbeteiligten sind freiwillig", sagte ein Sprecher. "Da sagt natürlich keiner, dass er während der Fahrt telefoniert hat."
