Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei einer Veranstaltung zum Baustart der Volkswagen-Batteriezellfabrik für E-Fahrzeuge in Salzgitter. © Moritz Frankenberg/dpa Foto: Moritz Frankenberg

Startschuss für die erste VW-Batteriezellfabrik

Stand: 07.07.2022 20:44 Uhr

Lange wollte Volkswagen keine eigenen Batteriezellen für seine E-Autos bauen. Jetzt sollen europaweit gleich sechs Fabriken entstehen, die erste in Salzgitter. Am Donnerstag war die Grundsteinlegung.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war vor Ort und sprach am Nachmittag von einem guten Tag für die Automobilindustrie in Deutschland und Europa. Die Batteriefabrik markiere in zweierlei Hinsicht einen Wendepunkt: Zum einen, weil Volkswagen in Zukunft als erster europäischer Autobauer einen Teil seiner Batterien selbst fertige und damit weniger abhängig von Importen aus Asien werde. Zum anderen zeige die Strategie bei Erfolg aber auch, wie der Wandel zur Elektromobilität sozialverträglich geschehen könne.

Weil: Werk hat nun sichere Perspektive

Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, spricht anlässlich des Baustarts der Volkswagen-Batteriezellfabrik für E-Fahrzeuge in Salzgitter auf einer Volkswagen-Mitarbeiterversammlung. © Moritz Frankenberg/dpa Foto: Moritz Frankenberg
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat zum Baustart in Salzgitter gesprochen.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) merkte an, dass an dem Standort bis jetzt Verbrennungsmotoren für Motorengetriebe hergestellt wurden und das Werk auf dieser Grundlage keine sichere Perspektive gehabt hätte. "Jetzt wird es das Weltleitwerk für Batteriezellen, aber auch insgesamt für die Batterieaktivitäten von Volkswagen“, sagte Weil. Für VW-Chef Herbert Diess ist die Batteriefabrik ein strategischer Meilenstein. Der Betriebsrat wiederum sieht in dem Großprojekt ein Paradebeispiel für den sozialverträglichen Wandel zur Elektromobilität.

Salzgitter "wichtig für weitere Strategie"

Zwei Milliarden Euro kostet die Batteriezellfabrik in Salzgitter, wo ab 2025 Zellen mit einer Jahreskapazität von 40 Gigawattstunden produziert werden sollen. Die Stadt wird aber nicht nur reiner Produktionsstandort. Salzgitter sei extrem wichtig für die weitere Strategie, sagte Frank Blome, der Chef der Batterie-Produktion. Hier solle die Batteriezell-Kompetenz gebündelt werden, von hier aus sollen die weiteren geplanten Batteriezellfabriken gesteuert werden, sämtliche Innovationen sollen von hier kommen.

Seit 2019 wird Salzgitter als Pilot-Anlage genutzt

Im Herbst 2019 hatte Volkswagen in Salzgitter bereits eine Pilot-Anlage für die Fertigung von Batteriezellen in Betrieb genommen. In kleinem Maßstab erforscht und entwickelt VW hier die für den Konzern noch eher unbekannte Technologie. Und die Arbeit sei durchaus erfolgreich, so Blome. Beispiel: Die Stapel-Geschwindigkeit von Elektroden. "Die Zelle besteht ja aus bis zu 100 Elektroden-Blättern, die gestapelt werden müssen. Am Anfang haben wir dafür eine Sekunde pro Blatt gebraucht. Jetzt haben wir eine Maschine entwickelt, die 20 Elektroden-Blätter pro Sekunde stapeln kann." Das spare nicht nur Geld, sondern auch Platz in der neuen Fabrik.

VW wird weiter auf Lieferanten angewiesen sein

Volkswagen-Mitarbeiter nehmen anlässlich des Baustarts der Volkswagen-Batteriezellfabrik für E-Fahrzeuge in Salzgitter an einer Mitarbeiterversammlung teil. © Moritz Frankenberg/dpa Foto: Moritz Frankenberg
Volkswagen-Mitarbeiter nahmen anlässlich des Baustarts der Batteriezellfabrik in Salzgitter an einer Mitarbeiterversammlung teil.

VW will mit der eigenen Batteriezell-Produktion die Abhängigkeit von asiatischen Herstellern verringern. Für den VW-Analysten Frank Schwope von der Norddeutschen Landesbank ein richtiger und notwendiger Schritt: "Es kann sogar sein, dass Volkswagen damit auch eine gewisse Rentabilität erreicht. Darauf würde ich aber nicht unbedingt setzen." Komplett unabhängig von asiatischen Zulieferern wird VW allerdings nicht werden. Denn die insgesamt sechs geplanten Batteriezellfabriken dürften nicht für die Masse der E-Autos reichen, die VW in den kommenden Jahren ausliefern will. Und solange die Rohstoffe aus ausgedienten Batterien nicht im großen Stil zurückgewonnen werden, ist der Konzern weiter auf seine Lieferanten angewiesen. Für Schwope ein Unsicherheitsfaktor. Der Ukraine-Krieg und Corona hätten gezeigt, wie schnell es zu Verwerfungen innerhalb von Lieferketten kommen könne.

Die IG Metall blickt positiv in die Zukunft

Und es gibt noch ein Problem: In der neuen Batteriezellfabrik in Salzgitter dürften nach Konzern-Angaben zwar an die 2.500 Arbeitsplätze geschaffen werden. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass an anderer Stelle viele Stellen verloren gehen. Bisher werden im VW-Werk Salzgitter Motoren gefertigt, 7.000 Mitarbeitende gibt es dort aktuell. Doch spätestens 2030 dürfte für sie Schluss sein, der Verbrenner hat dann ausgedient. Nur ein Bruchteil aber wird wohl umgeschult werden auf die Batterie. Die IG Metall in Salzgitter blickt dennoch positiv in die Zukunft. "Wir haben lange daran gearbeitet, die Batteriezelle überhaupt hierher zu bekommen", sagte Brigitte Runge von der IG Metall Salzgitter-Peine. Der Elektromobilität gehöre die Zukunft, eine Rolle rückwärts werde es nicht geben.

Auch die Feststoffzelle wäre kein Problem für Salzgitter

Die Entscheidung von VW für die Batterie ist auch eine gegen die Brennstoffzelle - was einige Kritiker durchaus bemängeln. Noch nicht ausgemacht ist dagegen, wohin die Reise in Sachen Batterie geht. Volkswagen arbeitet bereits an der sogenannten Feststoffzelle, deren Vorteil in einer höheren Reichweite und kürzeren Ladezeit liegt. Sollte sie sich durchsetzen, wäre das laut Batterie-CEO Frank Blome kein Problem für die neue Fabrik in Salzgitter. Ein paar Anpassungen und die nächste Generation der Batteriezelle könne vom Band laufen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Braunschweig | 07.07.2022 | 06:30 Uhr

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