Ditib: Politiker stellen Kooperation infrage
Mit Bedauern und Unverständnis reagieren viele niedersächsische Politiker auf das personelle Beben beim Moscheeverband Ditib. Parteiübergreifend wird eine Überprüfung der weiteren Zusammenarbeit mit dem Moscheeverband gefordert. Am Sonntag war der komplette Ditib-Landesvorstand für Niedersachsen und Bremen samt des bisherigen Vorsitzenden Yilmaz Kilic aus Protest gegen zunehmende Einflussnahme aus der Türkei geschlossen zurückgetreten.
"Kooperationen auf den Prüfstand"
"Alle Kooperationen der niedersächsischen Landesregierung mit Ditib gehören auf den Prüfstand", forderte der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Dirk Toepffer, am Montag. Dass ein Verband, der die Inhalte des islamischen Religionsunterrichts in Niedersachsen maßgeblich mitgestalte, von der türkischen Regierung kontrolliert und gesteuert wird, sei "nicht zu akzeptieren", so Toepffer. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder kündigte eine "genaue Beobachtung" der Entwicklung bei der Ditib an.
"Islamvertrag deutlich weiter in die Ferne gerückt"
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erwartet zudem Folgen für den angestrebten Islamvertrag. Durch den Rücktritt von Yilmaz Kilic sei der im Januar 2017 auf Eis gelegte Rahmenvertrag, der die Rechte und Pflichten der Muslime in Niedersachsen regeln sollte, "deutlich weiter in die Ferne gerückt", sagte Weil am Montag. Es sei immer klar gewesen, dass vor dem Abschluss einer solchen Vereinbarung zunächst die Unabhängigkeit von Ditib zu klären sei. "Jetzt haben wir eine Klärung, leider eine sehr eindeutige, und dann in die falsche Richtung", so Weil. Bereits am Sonntag hatte Weil eine Überprüfung der weiteren Zusammenarbeit mit der Ditib Niedersachsen angekündigt. Der SPD-Politiker begründete dies mit der Befürchtung, dass der niedersächsische Landesverband "auf Linie gebracht" worden sei.
Kritik auch von FDP und Grünen
Rufe nach einer Überprüfung der weiteren Zusammenarbeit mit dem Moscheeverband kommen auch aus der Opposition. FDP und Grüne haben eine Landtagsanfrage angekündigt, in der es um den künftigen Umgang des Landes Niedersachsen mit dem Ditib-Landesverband geht. "Die Landesregierung muss jetzt intensiv prüfen, ob und inwieweit Ditib Niedersachsen noch als Partner für beispielsweise den islamischen Religionsunterricht oder auch die Gefängnisseelsorge geeignet ist", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner. Der Grünen-Abgeordnete Belit Onay betonte, es werde entscheidend sein, ob Ditib Niedersachsen nun vom bisherigen unabhängigen Kurs abweicht. Sollte sich der Verband zukünftig politisch an Ankara ausrichten, wäre dies "fatal", so Onay.
Islamexperte warnt vor Zersetzung des Verbandes
Als "schwarzen Tag für die niedersächsischen Muslime" bezeichnete Bülent Ucar, Direktor des Instituts für Islamische Theologie der Universität Osnabrück, die Entwicklung beim Ditib-Landesverband. Ucar kritisierte, dass es einen "zentralistisch organisierten und ferngesteuerten" Islam in Deutschland gebe. Wenn Ditib diese Politik weiter verfolge, werde der Verband sich zunehmend selbst zersetzen, warnte der Theologe. Der Verband benötige stattdessen "autonom agierende Vorstände und Imame".
