Corona in Niedersachsen: Der erste Jahrestag naht
Am 29. Februar 2020 wurde die erste Corona-Infektion in Niedersachsen bestätigt. Seitdem hat die Pandemie das Leben völlig auf den Kopf gestellt.
Ein 68-jähriger Mann aus Uetze (Region Hannover) war der erste Niedersachse, der positiv auf das Virus getestet wurde - der erste von mittlerweile fast 160.000 Infizierten. Vor einem Jahr hätte wohl kaum jemand damit gerechnet, welches Ausmaß die Krise in der Folge annehmen würde. Auch jetzt ist ein Ende der Pandemie noch immer nicht absehbar - und die Kritik am Krisenmanagement wächst.
Opposition bemängelt Krisenmanagement
FDP-Fraktionschef Stefan Birkner sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa), Niedersachsen sei eines der Schlusslichter in Sachen Pandemiebekämpfung, weil die Regierung aus SPD und CDU zu zögerlich agiere. Die Landesregierung habe aus den vielen Erkenntnissen und Fehlern des vergangenen Jahres nicht gelernt. Maßnahmen würden zu spät und zu pauschal umgesetzt, gleichzeitig passiere zu wenig für den Infektionsschutz. Grünen-Fraktionschefin Julia Willie Hamburg forderte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auf, den Entwurf eines Stufenplans entschlossen voranzutreiben. Dabei seien weitere Begleitmaßnahmen nötig wie eine umfassende Teststrategie, mehr Investitionen und Förderung für Corona-Schutz, mehr Hilfen gegen die sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Weil hatte unter der Woche im Landtag eingeräumt, dass das Krisenmanagement nicht perfekt laufe.
Inzidenzwert mittlerweile über dem Bundesschnitt
Im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern schnitt Niedersachsen lange Zeit relativ gut ab. Vor einem halben Jahr waren erst rund 16.000 Ansteckungen bekannt und der Sieben-Tage-Wert lag deutlich unter 10, aus anderen Bundesländern wurden deutlich höhere Inzidenzen gemeldet. Mittlerweile liegt der Wert mit knapp 70 in Niedersachsen aber über dem Bundesschnitt. Der Lockdown hat die zweite Welle zwar auch hier abgebremst. Dennoch gibt es landesweit mittlerweile rund 160.000 bestätigte Ansteckungen und mehr als 4.000 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus.
Mutationen sind großer Unsicherheitsfaktor
Große Sorgen bereiten auch in Niedersachsen die Mutationen. Zuletzt zeigte die Kurve der Neuinfektionen an einigen Tagen bereits wieder leicht nach oben. "Wir sind der Mutation nicht schutzlos ausgeliefert, aber wir müssen in den ganzen nächsten Monaten vorsichtig bleiben", sagte Ministerpräsident Weil. Denn anders als angenommen geht auch hierzulande ein erheblicher Teil der neuen Ansteckungen auf Virusvarianten zurück, insbesondere die sogenannte britische Mutante B.1.1.7. Der Krisenstab bezifferte den Anteil der Mutanten an den Corona-Fällen zuletzt landesweit auf zehn Prozent. In einigen Regionen geht aber schon fast jede zweite Infektion darauf zurück. Anders als etwa Bremen und Baden-Württemberg hat Niedersachsen recht spät damit begonnen, positive Corona-Proben flächendeckend daraufhin zu untersuchen. Von der Ausbreitung der Mutanten hängt laut Experten auch ab, ob eine dritte Welle droht.
Niedersachsen hängt bei Impfkampagne hinterher
Ziemlich ruckelig ist in Niedersachsen ab Ende Dezember die Impfkampagne angelaufen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Impfstoffhersteller ihre Lieferzusagen teilweise nicht einhalten konnten. Bei der Impfquote liegt Niedersachsen aber auch unabhängig davon im Vergleich zu den anderen Bundesländern weit zurück und belegt einen der letzten Plätze. Anders als zu Beginn legt das Land deshalb jetzt nicht mehr jede zweite Impfdosis für die Zweitimpfungen zurück. Für Ärger sorgten zudem Probleme bei der Terminvergabe mit einer überlasteten Telefon-Hotline. Positiv festzuhalten ist jedoch, dass in den Pflegeheimen 90 Prozent der Erst- und 60 Prozent der Zweitimpfungen bereits verabreicht wurden. Spätestens bis Ende September sollen alle Impfwilligen im Land ein Angebot bekommen.
Kurzarbeit, Insolvenzen und mehr Arbeitslose
Die wirtschaftlichen Folgen von einem Jahr Corona sind auch in Niedersachsen enorm. Im Januar waren landesweit 267.000 Menschen ohne Job - das sind 16 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Tausende Unternehmen meldeten Kurzarbeit an, trotz milliardenschwerer Corona-Hilfen drohen zahlreiche Insolvenzen. Als Konsequenz muss der Landeshaushalt den Wegfall von Milliarden an Steuereinnahmen verkraften, der Schuldenberg des Landes wächst.
Wann kann gelockert werden?
Eine Rückkehr zur Normalität scheint derzeit noch in weiter Ferne zu liegen. Ob bei den nächsten Bund-Länder Beratungen am 3. März spürbare Lockerungen beschlossen werden, ist angesichts der sich ausbreitenden Mutation fraglich. Als Voraussetzung dafür wurde zuletzt ein stabiler Sieben-Tage-Wert unter 35 genannt. Der ist bislang aber noch nicht in Sicht. Niedersachsens Stufenplan stellt immerhin schon bei einem Wert unter 50 die nächsten Öffnungsschritte in Aussicht, unter anderem für private Treffen, Geschäfte, Restaurants, Hotels, Schulen und Kitas.
