Stand: 03.12.2018 14:07 Uhr

Beamtensold verfassungswidrig - Und was nun?

Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig. © NDR
Das Bundesverwaltungsgericht hat die niedersächsische Beamtenbesoldung als zu niedrig eingestuft.

Beamte in Niedersachsen bekommen zu wenig Geld - davon ist nicht nur der Niedersächsische Beamtenbund (NBB) überzeugt. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat im Oktober 2018 geurteilt: Die Beamtenbesoldung ist verfassungswidrig, und das bereits seit 2005. Einer der Gründe: Die Bezüge in der untersten Besoldungsgruppe müssten nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mindestens 15 Prozent höher sein als das Niveau der sozialrechtlichen Grundsicherung. "Diese absolute Untergrenze ist im Land Niedersachsen unterschritten worden", so das Bundesverwaltungsgericht.

In zwei Kriterien fällt der Beamtensold durch

Vor allem begründen die Richter ihre Entscheidung aber damit, dass die Bezüge der wirtschaftlichen Entwicklung nicht angepasst worden seien. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte 2015 folgende fünf Parameter zur Beurteilung des Beamtensolds formuliert:

  • Deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und der Entwicklung der Tariflöhne im öffentlichen Dienst,
  • deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und dem Nominallohnindex sowie
  • dem Verbraucherpreisindex,
  • systeminterner Besoldungsvergleich und
  • Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder.

Sei der Sold im Hinblick auf die Mehrzahl dieser Kriterien - also drei - zu niedrig, bestehe zumindest die Vermutung der Verfassungswidrigkeit, so das Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht hatte festgestellt, dass Niedersachsen zwei der Parameter "seit Jahren gerissen" hat: Dem Vergleich mit den Tariflöhnen im öffentlichen Dienst und dem Nominallohnindex in Niedersachsen konnte der Sold demnach nicht standhalten. Das sind zwar nur zwei Kriterien, in diesen wurde das Ziel aus Sicht der Richter jedoch so eklatant verfehlt, dass sie dennoch zur Annahme der Verfassungswidrigkeit kamen.

Landesregierung wartet Urteil aus Karlsruhe ab

Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) hat Einwände gegen diese Auffassung: Indem das Bundesverwaltungsgericht aufgrund von nur zwei Kriterien die Verfassungswidrigkeit annimmt, lege es "eine von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abweichende Beurteilung" der Prüfungsmaßstäbe zugrunde. "Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern sich das Bundesverfassungsgericht dieser neuen Argumentation anschließt." Das Urteil in Leipzig bedeutet also keineswegs, dass Niedersachsen seinen Landesbeamten in Kürze mehr bezahlen wird. Das Bundesverfassungsgericht nimmt sich jetzt der Sache an, und das kann dauern - beim Niedersächsischen Beamtenbund (NBB) rechnet man damit, dass es 2020 eine Entscheidung geben könnte. Bis dahin dürfte wenig bis nichts passieren. Auch der Wunsch der Beamten nach einer Wiedereinführung des Weihnachtsgelds wird sich so bald sicherlich nicht erfüllen.

Finanzminister hält Besoldung für verfassungskonform

Der neue Finanzminister Reinhold Hilbers stellt sein Programm vor. © NDR Foto: Carina Körner
Finanzminister Hilbers rechnet eher nicht damit, dass die Besoldung in Karlsruhe als verfassungswidrig eingestuft wird. (Archivbild)

Der Finanzminister scheint auch eher nicht damit zu rechnen, dass nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Änderung notwendig wird. "Bei Beibehaltung der bisherigen Maßstäbe und Kriterien habe ich keinen Anlass zur Annahme, dass das Bundesverfassungsgericht die Besoldung und auch die Versorgung in Niedersachsen als verfassungswidrig beurteilen wird", so Hilbers. "Möglicherweise erhalten wir vom Bundesverfassungsgericht Hinweise dahingehend, welche konkreten Annahmen zur Berechnung der einzelnen Parameter und Prüfkriterien wie anzuwenden sind."

Hilbers: Besoldungsgruppe A 2 als Grundlage ist praxisfern

Dies gelte besonders für die Frage des Abstandsgebots zur Grundsicherung. Das Finanzministerium weist darauf hin, dass in der untersten Besoldungsgruppe A 2, deren zu geringen Abstand zur Grundsicherung das Gericht bemängelt hatte, schon lange nicht mehr eingestellt werde. Eine Prüfung des Abstands zwischen A 2 und Grundsicherung sei daher rein theoretisch und praxisfern, sagte Hilbers. Darüber hinaus müsse klargestellt werden, welcher Betrag überhaupt als Grundsicherung zum Vergleich herangezogen werde.

NBB: "Sonderopfer" von Beamten schrittweise abbauen

In Ruhe warten, bis klar ist, wie Karlsruhe die Sache sieht - das reicht dem Niedersächsischen Beamtenbund nicht. Die Beamten hätten aufgrund der Finanzlage des Landes seit 2005 "Sonderopfer" erbracht, diese gelte es nun schrittweise abzubauen, heißt es vom NBB. Zudem existiere die Besoldungsgruppe A 2 immerhin noch, vielleicht werde dort auch irgendwann wieder eingestellt, man könne sie daher nicht einfach abtun.

Beamtenbund wünscht sich Entgegenkommen der Landesregierung

Dass das Land nicht auf einen Schlag den alten Zustand wiederherstellen könne, sei klar, sagt der NBB - rückwirkend bis 2005 sei das schon gar nicht möglich. Der Beamtenbund formuliert seine Forderungen daher fast schon zurückhaltend: "Der NBB möchte, wie bereits in den vergangenen Jahren, mit der Landesregierung in einen Dialog über die Art und Weise des Abbaus der Unteralimentation eintreten", heißt es. Man wolle eine "Reduzierung des Sonderopfers" der Beamten, sagte der Landesvorsitzende Martin Kalt NDR.de. Eine Übernahme des Ergebnisses der Einkommens- und Tarifrunde, die im Januar 2019 beginnt, sei bereits zugesagt worden. Zusätzlich müsse aber "ein nennenswerter Einstieg in den Abbau" der Unterbezahlung erfolgen. Deutliche Worte findet der NBB allerdings auch: Die Landesregierung solle ihre "Verweigerungstaktik" aufgeben.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 30.10.2018 | 12:00 Uhr

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