Ausgangssperren: Kommunen rudern nach OVG-Beschluss zurück
In Niedersachsen haben viele Kommunen nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts die Ausgangsbeschränkungen kassiert. Wie geht es in den Städten und Gemeinden mit Ausgangssperre weiter?
Die Stadt und der Landkreis Osnabrück haben als Reaktion auf zunächst gesunkene Corona-Infektionszahlen und die Entscheidung der Oberverwaltungsrichter die verhängte nächtliche Ausgangssperre wieder aufgehoben. Das teilten beide Kommunalverwaltungen am Donnerstag mit. Am Sonntag lag die Sieben-Tage-Inzidenz lag im Landkreis bei 89,6 und in der Stadt Osnabrück bei 129,5. Die Ausgangsbeschränkungen waren am 31. März in Kraft gesetzt worden, als die Stadt bei einem Wert von rund 200 Corona-Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen lag und der Landkreis auf Werte um 150 kam.
Hier gelten in Niedersachsen aktuell noch Ausgangssperren:
- Landkreis Cloppenburg (bis 11. April)
- Landkreis Emsland (bis auf Weiteres)
- Landkreis Gifhorn (bis 16. April)
- Landkreis Oldenburg Gemeinden Großenkneten, Wardenburg und Stadt Wildeshausen bis 18. April)
- Landkreis Peine (bis 13. April)
- Stadt Salzgitter (bis 13. April)
- Stadt Wolfsburg (bis 13. April)
Celle hebt Sperre inzidenzbedingt ab sofort auf
Unterdessen hob der Landkreis Celle die Ausgangssperren für die Kommunen Celle, Bergen, Wietze und Flotwedel auf. Allerdings nicht wegen des OVG-Entscheides. Die Sieben-Tage-Inzidenz sei stabil unter 100 gefallen, hieß es in einer Mitteilung des Landkreises. Am Sonntag lag der Inzidenz-Wert allerdings schon wieder bei 107,3 Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.
Leer und Wesermarsch ohne Ausgangssperre
Nach Informationen des NDR in Niedersachsen will Salzgitter angesichts der sehr hohen Inzidenzwerte an der nächtlichen Ausgangssperre festhalten und sie möglicherweise verlängern. Die Landkreise Leer und Wesermarsch haben die Ausgangsbeschränkungen am Freitag wie geplant aufgehoben. Für die Region Hannover hatte das OVG Lüneburg die Sperre am Mittwoch für "voraussichtlich rechtswidrig" erklärt, woraufhin die Verwaltung die Beschränkung aufhob.
OVG-Sprecher: Kommunen sollen Entscheidungen prüfen
Der Landkreis Vechta hatte bereits am Mittwoch bekannt gegeben, dass die eigentlich für Donnerstag geplante Ausgangssperre mit sofortiger Wirkung aufgehoben ist. Für die Kommunen hat die OVG-Entscheidung zwar keine rechtliche Bindung. Allerdings werde darin im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine Ausgangsbeschränkung erlassen werden darf, wie ein OVG-Sprecher dem NDR in Niedersachsen sagte. Die Kommunen sollten daher nun prüfen, ob eine von ihnen erlassene Ausgangsbeschränkung den vom Gericht formulierten Anforderungen genüge, so der Sprecher.
Verfahren vor den Verwaltungsgerichten laufen weiter
Unterdessen laufen die Verfahren vor mehreren Verwaltungsgerichten in Niedersachsen weiter: So steht vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück ein Hauptsacheverfahren gegen die Ausgangsbeschränkungen weiterhin aus, wie ein Sprecher des Gerichts dem NDR in Niedersachsen am Donnerstag bestätigte. Allerdings dürfte den dortigen Richtern nach dem OVG-Urteil wenig Spielraum für eine anderslautende Entscheidung bleiben - auch, wenn die Kommunen unterschiedliche Anordnungen zu den Ausgangsbeschränkungen erlassen haben. Letztlich gelten sie pauschal für alle Bürger, sofern sie nicht dringende Gründe habe, ihre Wohnungen zu verlassen, etwa für eine medizinische, psychosoziale oder veterinärmedizinische Behandlung. Dazu stellte das OVG am Dienstag fest: Solange die Behörden andere Schutzmaßnahmen nicht ausreichend durchsetzten, erscheine es nicht angemessen, alle Personen einer Ausgangssperre zu unterwerfen, nur weil sich Einzelne nicht an die Kontaktbeschränkungen halten. Auch am Verwaltungsgericht Braunschweig sind Klagen und Eilanträge gegen die Landkreise Gifhorn und Peine eingegangen. Beide Kommunen sind aber zuversichtlich im Recht zu sein.
Klare Entscheidungskriterien für Kommunen gefordert
Städtetagspräsident Ulrich Mädge kündigte an, dass die Kommunen gemeinsam mit dem Land den OVG-Beschluss prüfen und klären werden, "ob und wenn ja, welche Konsequenzen daraus gezogen werden". Ähnliches kündigt der Städte- und Gemeindebund (NSGB) an. Es gelte nun, das Urteil auszuwerten und die notwendigen Kriterien unter Beachtung des Infektionsgeschehens genau herauszuarbeiten, sagte NSGB-Sprecher Thorsten Bullerdiek. "Dabei wäre es sehr hilfreich, wenn das Land den Gesundheitsbehörden klare Entscheidungskriterien an die Hand geben könnte." Er macht zudem deutlich, dass der NSGB weiter für das Mittel Ausgangssperre sei. Diese könnten ein wirksames Mittel sein, um steigende Infektionszahlen in den Griff zu bekommen, so Bullerdiek. Gleichwohl sei eine "genaue Güterabwägung" nötig.
Landesverordnung sieht Ausnahmen vor
Den Rahmen für die Ausgangssperren hatte die Landesregierung in ihrer aktualisierten Corona-Verordnung gesetzt. Bewohner einer Kommune mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 150 und mehr dürfen demnach ihr Grundstück zwischen 21 und 5 Uhr nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Als Ausnahmen gelten erwähnte medizinische, psychosoziale oder veterinärmedizinische Behandlung, die Wahrnehmung einer beruflichen Tätigkeit, der Besuch von Gottesdiensten und ähnlichen religiösen Veranstaltungen sowie der Besuch naher Angehöriger, wenn diese von Behinderung betroffen oder pflegebedürftig sind.
Land fordert weitere Maßnahmen ab Inzidenz von 100
Auch Kommunen, die an mindestens drei aufeinanderfolgenden Tagen die Sieben-Tage-Inzidenz von 100 überschritten haben, müssen laut der geltenden Corona-Verordnung schärfere Maßnahmen verhängen. Demnach kann die zuständige Behörde das Betreten von öffentlichen Plätzen, Parkanlagen und ähnlichen Orten verbieten sowie das Tragen einer medizinischen Maske anordnen - auch für Mitfahrende in einem privaten Auto, wenn sie nicht zum selben Haushalt gehören. Des Weiteren können die Behörden eine Testpflicht für bestimmte Bereiche oder Kontaktbeschränkungen anordnen.
