AfD Niedersachsen: Haben Mitarbeitende Kontakte zur rechten Szene?

Stand: 15.05.2024 10:37 Uhr

Nach NDR Informationen beschäftigt die AfD-Fraktion in Niedersachsen Mitarbeitende, die der Identitären Bewegung nahestehen oder Politikerinnen und Politiker anderer Parteien beleidigt haben sollen. 

von Mandy Sarti, Amelia Wischnewski, Johannes Koch

Peter W. streamt jede Woche YouTube-Videos, in denen er sich zur politischen Lage in Deutschland äußert. Er nennt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in diesen Videos "dumme Drecksgöre" und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) eine "Dreckssau". Peter W. befürwortet in den Videos private Aufrüstung. Peter W. ist auch Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion in Niedersachsen. Das belegt ein Auszug des internen Landtagsregisters, der dem NDR Niedersachsen vorliegt. Dort wird er im Mail-Verteiler der AfD-Fraktion geführt.

"Die Zeit des friedlichen Widerstandes ist vorbei"

Peter W. gibt an, ein Fan von "Uzis", also Maschinenpistolen, zu sein, und er ist der Überzeugung, das sei die einzige Waffe, die helfe. Er sagt, er könne nicht zielen, aber mit dieser Maschinenpistole "muss man nur draufhalten, da kommt genug raus". In Deutschland hat er offenbar einen Waffenschrank, das lässt er in diesen Videos durchblicken. Mit Blick auf die Eingriffe der Polizei bei den Corona-Demonstrationen in Berlin zeigte er sich in einem dieser Videos überzeugt: "Die Zeit des friedlichen Widerstandes ist vorbei." Er fügt hinzu: "Wenn ihr einen Gegner habt, der Maschinenpistole hat, dann reichen Pfeil und Bogen nicht mehr aus."

Auszug aus dem Landtagsregister belegt Mitarbeit

Peter W. brüstet sich in seinen Videos außerdem damit, bei mehreren "Merkel muss weg"-Demonstrationen mitgelaufen zu sein. Obwohl der Verfassungsschutz vor einer Teilnahme gewarnt hatte, weil die Proteste damals von Rechtsextremen mitorganisiert worden waren. Auf eine NDR Anfrage teilte Peter W. schriftlich mit: "Richtig ist, dass ich diesen Kanal betreibe. Bei diesem Kanal handelt es sich um einen Satire Kanal." Die Person, die er verkörpere sei eine "sarkastische, aufbrausende, direkte sich nicht immer an gesellschaftliche Regeln haltende Person". Seine Videos hat er inzwischen gelöscht.

Verbindungen zur Identitären Bewegung?

Mann inmitten von NPD-Fahnen © isso.media
Söhnke D. 2005 bei einer NPD-Demo in Langwedel.

Peter W. ist nicht der einzige Mitarbeiter, der auffällt. Auch Söhnke D. sticht heraus. Nach Informationen des NDR Niedersachsen hat er Anfang der 2000er an rechtsextremen Demonstrationen und Kundgebungen teilgenommen. Darunter etwa ein NPD-Aufmarsch am 29. Oktober 2005 in Göttingen. Das belegen Fotos, die dem NDR Niedersachsen vorliegen. Zuletzt ließ sich Söhnke D. offenbar in einem Pullover ablichten, auf dem ein Symbol der Identitären Bewegung prangt - einer völkischen Gruppierung, die den Neuen Rechten zugeordnet wird und deren rechtsextreme Ideologie aus Sicht des Verfassungsschutzes nicht mit der Menschenwürde vereinbar ist. Und eine Organisation, die auf der Unvereinbarkeits-Liste der AfD aufgeführt wird - also nicht mit den Statuten der AfD vereinbar ist. Söhnke D. hat auf NDR Anfrage keine Stellung zu den Vorwürfen bezogen. 

Ex-Mitarbeiterin lässt sich mit "White Power"-Symbol ablichten

Auch in einem anderen Fall liegt ein möglicher Verstoß gegen die Statuten vor. So macht die ehemalige AfD-Fraktions-Mitarbeiterin Rabea S. durch Verbindungen zur Identitären Bewegung auf sich aufmerksam. Sie ließ sich mit einem der führenden Köpfe der Verbindung in Niedersachsen ablichten und zeigte dabei das Zeichen für "White Power". Laut der Bundeszentrale für politische Bildung ist das Symbol eines der am häufigsten genutzten in der rechtsextremen Szene. Das Handzeichen soll für die "weiße Vorherrschaft" stehen.

AfD dementierte Beschäftigung

Zwei Personen formen mit der Hand ein Symbol, das auch für die "White Power"-Bewegung steht. © isso.media
Rabea S. posiert mit einem der führenden Köpfe der Identitären Bewegung Niedersachsens. Mit der Hand formt sie das Zeichen für "White Power" - ein rechtsextremer Code.

Nachdem die "taz" zuerst über Rabea S. berichtet hatte, machte der AfD-Fraktionschef Klaus Wichmann in einer Pressemitteilung deutlich, dass der AfD keine Beweise für ein Engagement in extremistischen Kreisen vorlägen. Dass es sich um eine Angestellte handele, dementierte Wichmann ebenfalls. "Das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin wurde bereits vor mehreren Wochen aufgelöst." Nach Informationen des NDR Niedersachsen war Rabea S. regelmäßig für die AfD im Sozialausschuss. Beim Landesparteitag der AfD Ende April hat sie organisatorische Aufgaben übernommen. Aus dem Landtagsverzeichnis ist ihr Name inzwischen gelöscht. Sie arbeitet inzwischen für die AfD im Europäischen Parlament. Rabea S. hat auf eine NDR Anfrage nicht reagiert.

AfD-Landtagsfraktion äußert sich aus rechtlichen Gründen nicht

Ein Sprecher der AfD-Landtagsfraktion teilte dem NDR Niedersachsen schriftlich mit: "Wir äußern uns aus rechtlichen Gründen nicht zu aktuellen oder früheren Mitarbeitern und schon gar nicht zu etwaigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen." Grundsätzlich gelte: "NPD und Identitäre Bewegung stehen auf der Unvereinbarkeitsliste für eine Mitgliedschaft in der AfD." Soweit die AfD Kenntnisse über politische Straftaten erhalte, würde sie angemessen reagieren, heißt es in der Antwort.

Grüne sehen Aussagen rechtlich problematisch

Michael Lühmann, innenpolitischer Sprecher der niedersächsischen Grünen, sieht in der Anstellung dieser Mitarbeitenden ein Finanzierungsmodell für den "rechtsextremen Kader". Im Gespräch mit dem NDR macht er deutlich: "Hier wird die Demokratie in den Parlamenten angegriffen." Menschen, die Bedrohungen und Gewaltfantasien äußern, sollten aus Lühmanns Sicht in Parlamenten nicht einfach ein- und ausgehen können. "Wir wissen aus dem Rechtsextremismus, dass Worte und Gewalt sehr eng zusammenhängen." Lühmann ist überzeugt, mit "dumme Dreckssau" und "dumme Drecksgöre" seien Aussagen getroffen worden, die auch strafrechtlich relevant sein könnten.

Abfrage beim Verfassungsschutz?

Damit ist er nicht allein: Auch Sebastian Zinke, Sprecher gegen Rechtsextremismus bei der SPD in Niedersachsen, ist überzeugt: "Die AfD-Fraktion darf kein brauner Brutkasten für die Nazis von morgen sein." Zinke spricht sich deshalb dafür aus, das Hausrecht im Landtag dahingehend anzupassen. "Wir müssen auch diskutieren, ob wir wie bei Polizeibeamten eine Abfrage beim Verfassungsschutz zu möglichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern machen." Mit der Folge, dass Verfassungsfeinde nicht mit Steuermitteln bezahlt werden.

CDU sieht auch Verfassungsschutz in der Verantwortung

Die CDU-Fraktion im Landtag will die NDR-Recherche zum Thema im Verfassungsschutzausschuss machen. Es müsse geklärt werden, ob hier ein Versagen der Sicherheitsbehörden vorliege, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, Carina Hermann, dem NDR. Es sei immerhin erstaunlich, dass der NDR diese Informationen über AfD-Mitarbeiter habe, nicht aber der Verfassungsschutz oder die Ermittlungsbehörden. Von Landtagspräsidentin Hanna Naber (SPD) erwartet die CDU jetzt konkrete Vorschläge zum Umgang mit solchen Fällen. Dass Mitarbeiter der AfD-Fraktion, die "fernab vom Boden des Grundgesetzes agieren", im Landtag arbeiten und von Steuergeld finanziert werden, ist nach Ansicht von Carina Hermann "völlig inakzeptabel und nicht zu dulden".

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