Eine Kellnerin mit drei Tellern geht durch ein Lokal. © fotolia.com Foto: MNStudio

619.900 Beschäftigte bekommen ab Oktober höheren Mindestlohn

Stand: 30.09.2022 17:17 Uhr

Am 1. Oktober gilt in Deutschland der neue gesetzliche Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde. Die Reaktionen darauf fallen bei Gewerkschaften und auf der Arbeitgeberseite unterschiedlich aus.

Einen "Eingriff in die Tarifautonomie" nannte Christoph Meinecke, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN), die nach Ansicht der UVN "willkürliche Festsetzung des Mindestlohns". Meinecke sagte, nur in Tarifverhandlungen könnten "Unterschiede in Branchen und Regionen angemessen berücksichtigt werden" und kritisierte die Einmischung der Politik. Ein höherer Mindestlohn sei in Zeiten einer Wirtschaftskrise eine "zusätzliche Belastung für die Unternehmen".

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Beschäftige in der Gastronomie bekommen 20 Prozent mehr

Rainer Balke, Hauptgeschäftsführer der Dehoga in Niedersachsen, sagte, man sei stolz auf den neuen Mindestlohn - "wenn auch zähneknirschend". Auf der einen Seite beschere er den Beschäftigten mehr Geld und sei ein Zeichen der Anerkennung, auf der anderen sei man in der Branche sehr besorgt über die Kostenentwicklung bei Energie und Waren. Die Erhöhung des Mindestlohns sei in der Gastronomie die zweite Lohnerhöhung binnen weniger Monate, in Durchschnitt würden Mitarbeitende rund 20 Prozent mehr verdienen als davor. Balke rechnet mit Mehrkosten für die Kunden von rund zehn Prozent. Auch das Münchener Ifo-Institut geht von höheren Preisen im Nachgang der Mindestlohnerhöhung aus.

Knapp 620.000 niedersächsische Beschäftigte profitieren

Die zum 1. Oktober anstehende Erhöhung des Mindestlohns dürfte sich einer Studie zufolge bei gut 619.900 Arbeitnehmern in Niedersachsen auf dem Gehaltszettel niederschlagen. So viele Beschäftigte verdienen nach Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung noch weniger als 12 Euro pro Stunde. Somit bekommen in Niedersachsen 18,1 Prozent der Beschäftigten, also fast jeder sechste, Mindestlohn. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 17,8 Prozent.

"Diese Zahlen zeigen: Der Mindestlohn wirkt. Wir Gewerkschaften haben uns lange dafür eingesetzt, die Lohnuntergrenze auf 12 Euro je Stunde anzuheben – mit Erfolg", sagte Mehrdad Payandeh, DGB-Landesvorsitzender am Dienstag in Hannover. Vor allem Frauen und geringfügig Beschäftigten helfe die neue Lohnuntergrenze. Besonders in Branchen wie dem Gastgewerbe, bei Lieferdiensten und im Einzelhandel verweigerten Arbeitgeber den Beschäftigten oft anständige Löhne. Und in Betrieben ohne Tarifvertrag würden besonders häufig Niedriglöhne bezahlt. "Der gesetzliche Mindestlohn ist auch ein Mittel gegen Lohndumping-Konkurrenz durch Unternehmen, die sich Tarifverträgen verweigern", sagte Payandeh.

Stärkere Kontrollen von Mindestlohn gefordert

Quer durch alle Branchen erhielten jedoch nach wie vor viele Beschäftigte den gesetzlichen Mindestlohn trotz Anspruchs nicht. Der DGB fordert deshalb mehr Kontrollen. "Die Bundesregierung muss die zuständige Behörde Finanzkontrolle Schwarzarbeit personell deutlich stärken. Mindestlohnbetrügereien sind keine Kavaliersdelikte, sondern müssen geahndet werden", sagte Payandeh.

DGB: Übergewinnsteuer muss her

Trotz der Mindestlohnanhebung wies der DGB Niedersachsen mit Nachdruck auf die Sorgen vieler Menschen hin. "Auch mit Mindestlohn ist eine echte Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben nicht möglich. Schlimmer noch: Viele machen sich aktuell ernsthafte Sorgen, was im Herbst und Winter auf sie zukommt", sagte Payandeh. "Die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise kann auch der neue Mindestlohn nicht auffangen. Die Bundesregierung muss jetzt schnellstens eine Energiepreispauschale und einen Energiepreisdeckel beschließen." Um das zu finanzieren, müsse der Gesetzgeber "Übergewinne" der großen Energie- und Mineralölkonzerne abschöpfen.

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NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 27.09.2022 | 17:00 Uhr

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