Stand: 30.07.2019 09:45 Uhr

Künstliche Intelligenz hilft auch Medizinern

von Daniela Remus, NDR Info

Wo begegnet uns Künstliche Intelligenz (KI) schon heute in der Medizin? Welche Chancen sehen Ärzte darin für die Zukunft? NDR Info war zu Besuch in einer Hautarztpraxis in Hamburg-Winterhude.

Ein Hautarzt untersucht mit einer Lupe die Haut eines Patienten. © picture alliance Foto: Karl-Josef Hildenbrand
Großer Fortschritt: Mit dem Fotofinder können Mediziner Hautkrebs erkennen.

Die Hautarztpraxis von Philipp Buck ist bundesweit eine der ersten, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten. Genauer gesagt mit einem Computerprogramm namens Fotofinder, das mit KI ausgestattet ist - und so Hautkrebs erkennen kann. "Melanome auf der Kopfhaut, Melanome an der Handfläche, an der Fußsohle, an der Schleimhaut, das ist alles an der Künstlichen Intelligenz mit eintrainiert worden. Und auch da ist die Trefferquote ähnlich gut, sodass man da, wo wir selbst als Hautärzte manchmal Schwierigkeiten haben, doch noch mal eine unterstützende Zweitmeinung holen kann."

Die Hautkrebserkennung der Zukunft durch Rückgriff auf Künstliche Intelligenz funktioniert so: Buck sieht sich die Leberflecken seiner Patienten mit dem Mikroskop an. Parallel dazu fotografiert er die Flecken, um deren Entwicklung jederzeit nachvollziehen zu können.

Diagnosequalität erhöht sich

Der durch Künstliche Intelligenz gesteuerte Computer Fotofinder in Benutzung. © picture alliance Foto: Petra Steuer
Die Technik hilft bei der Diagnose und Behandlung. Das ist das Entscheidende in der Medizin.

Von den Pigmentstörungen, die dem Dermatologen kritisch erscheinen, schickt er die Fotos zum angeschlossenen KI-System: Innerhalb von ein bis zwei Sekunden bekommt er eine Antwort: Hautkrebs ja oder nein? "Viele Patienten, gerade die, die viele Flecken haben, haben doch einige schlechte Erfahrungen gemacht. Bei denen ist sehr viel operiert worden, wo nie was Schlimmes dabei war. Wo die sich dann auch fragen: 'Warum machen die das eigentlich alle? Warum schneiden die so viel? Ich fühle mich inzwischen wie ein Schlachtfeld, voll mit Narben.' Und die wollen mehr Sicherheit und empfinden die zweite Meinung durch den Computer wirklich als einen Gewinn an Diagnosequalität", sagt Buck.

Der Hamburger Hautarzt ist von der zuverlässigen Computer-Diagnose für Zweifelsfälle begeistert. Denn die Sicherheit, mit der das Programm Hautkrebs erkennt, ist enorm hoch.

Keine überflüssigen Operationen

Der durch Künstliche Intelligenz gesteuerte Computer Fotofinder wird auf dem Rücken einer Patientin angewendet © picture alliance Foto: Petra Steuer
Die Software erkennt fast 100 Prozent der Hautkrebsfälle.

Das hat auch Holger Hänßle festgestellt, leitender Oberarzt der Universitäts-Hautklinik in Heidelberg, der das Künstliche-Intelligenz-Programm in klinischen Studien für die Zulassung getestet hat: "Diese Künstliche Intelligenz ist sehr sensitiv. Das heißt übersetzt, die erkennt fast 100 Prozent der Hautkrebsfälle. Auf der anderen Seite ist sie sehr spezifisch, was man übersetzt damit, dass sie eigentlich die gutartigen Hautveränderungen auch als solche erkennt und nicht ständig zum Beispiel empfiehlt, überflüssige OPs durchzuführen und irgendwelche gutartigen Hautveränderungen herauszuschneiden."

Weil Fotofinder ein optisches Erkennungsverfahren ist, wurde es mit Hunderttausenden von Fotos trainiert. Und da das KI-Programm Daten weitaus schneller als ein Mensch verarbeiten kann, ist es in der Diagnostik überlegen. Aber noch sind solche Programme in der Medizin eher eine Ausnahme. Zwar laufen einzelne klinische Studien, zum Beispiel zur Schlaganfall- oder Lungenkrebs-Diagnostik. Praxistauglich ist bisher aber wenig.

Freiwillige Datenspenden sehr wichtig

"Für Künstliche Intelligenz braucht es gute Daten, und gute Daten zu kriegen ist für alle nicht einfach. Hier in Deutschland haben wir eine höhere Hürde, weil wir den Datenschutz haben, aber das ist ja gerade auch gut, dass wir den Datenschutz haben, weil wir wollen ja eine Künstliche Intelligenz, die dem Menschen nutzt und nicht dem Staat nutzt oder den kommerziellen Interessen nutzt", erklärt Klemens Budde, Professor für Innere Medizin an der Charité in Berlin und Leiter der Arbeitsgruppe Gesundheit, Medizintechnik, Pflege der Plattform lernende Systeme.

Um die Anwendungsmöglichkeiten der Künstlichen Intelligenz in der Medizin zu verbessern, appelliert Budde deshalb für eine freiwillige Datenspende - in Analogie zur Organspende.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Infoprogramm | 30.07.2019 | 07:38 Uhr

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