AfD-Fraktion wählt Nikolaus Kramer zum Fraktionschef
Nach vier Stunden hinter geschlossenen Türen stand fest: Der Mann, der die AfD-Fraktion seit 2017 führt, soll das auch erstmal weiter machen. Die 14 Abgeordneten wählten Nikolaus Kramer zu ihrem neuen Fraktionsvorsitzenden. Eine andere wichtige AfD-Personalie hat Probleme mit der Waffenbehörde.
Ganz so glücklich sah der alte und neue Fraktionschef nach seiner Wahl nicht aus: Das Ergebnis für Kramer soll knapp ausgefallen sein, obwohl er keinen Gegenkandidaten hatte. Wie knapp, darüber deckt die AfD-Fraktion - anders als alle anderen im Landtag - den Mantel des Schweigens. Ausgerechnet wenn es ans Eingemachte geht, fehlt der Partei offenbar der sonst von ihr geforderte Mut zur Wahrheit. Kramer begründete das auf mehrfache Nachfrage etwas genervt mit diesen Worten: "Na, dann heißt es wieder 'Rechtsruck in der AfD' oder 'Unstimmigkeiten in der AfD'. Das gibt es einfach nicht."
Erstmals zwei Frauen in der Fraktion
Vor seiner Wahl soll es Debatten gegeben haben über den Wahlkampf und über das vergleichsweise schlechte Abschneiden. Als Spitzenkandidat zeichnet Kramer dafür verantwortlich. Die AfD hat bei der Landtagswahl einen Verlust von vier Prozentpunkten eingefahren - vor fünf Jahren zog sie mit 18 Abgeordneten ein. Jetzt sind es nur noch 14. Erstmals sind auch zwei Frauen mit dabei: Die Kunsthistorikerin Eva-Maria Schneider-Gärtner aus Baden-Württemberg will "die Liebe zum eigenen Volk" fördern und die Schwerinerin Petra Federau, die vor fünf Jahren nach Skandalen noch von der Kandidatenliste abgewählt wurde, warnte wiederholt vor einer "Umvolkung".
Kramers Wunschkandidat fällt durch
Schneider-Gärtner und Federau spielten bei der Vergabe der Spitzenposten in der Fraktion keine Rolle - die machten die Männer unter sich aus. Nach seiner Wahl kassierte Kramer allerdings eine erste Niederlage. Sein Wunschkandidat für den wichtigen Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers, Thomas de Jesus Fernandes, scheiterte. Er unterlag dem Fraktionsneuling Thore Stein. Der 33-Jährige aus der Nähe von Hagenow (Ludwigslust-Parchim) ist einer der neun frischgewählten Abgeordneten. Stein legte nach seiner Wahl zunächst jedoch eine Art Treueschwur ab. "Ich kenne Nikolaus seit 15 Jahren, wir sind freundschaftlich verbunden." Er werde jetzt nicht gegen Kramer arbeiten, meinte Stein mit Blick auf seinen Vorgänger, den Greifswalder Ralph Weber. Der fiel immer wieder mit Querschüssen gegen die eigenen Leute auf - zuletzt beschimpfte er die AfD-Kandidaten im Wahlkampf als "Gurkentruppe".
Kramer im Fraktionsvorstand "eingehegt"?
Als solche sieht sich die neue Fraktion überhaupt nicht. Sie sei die jüngste, freute sich Kramer, und sie sei schlagkräftig. "Wie sich das gehört", sagte Kramer, trage er die Mehrheitsentscheidung für "Herrn Stein" mit, er freue sich auf die Zusammenarbeit. Er überging die Enttäuschung, dass sein Kandidat de Jesus Fernandes sich nicht durchsetzen konnte. Immerhin schaffte der es aber in den Fraktionsvorstand. Dort sind auch Enrico Schult und Jan-Philipp Tadsen vertreten, zwei Neulinge. Schult holte in Demmin das einzige Direktmandat der AfD, er strebt laut Selbstauskunft "die richtige Spur" bei "EU-Zentralismus, Migrations- und Klimapolitik oder absurder Genderdebatte" an. Tadsen wird dem "Heimat-Freiheit"-Lager zugerechnet. Zusammen mit Stein gilt er als Widerpart Kramers im Fraktionsvorstand, um diesen "einzuhegen".
Größte Oppositionsfraktion will Regierung kontrollieren
Kramer und Stein gaben sich nach der Wahl als ein Duo, das die Arbeit der Fraktion profilieren will. Es gehe darum, so Kramer, als größte Oppositionsfraktion die Regierung zu kontrollieren und das Wahlprogramm der AfD umzusetzen. Man sei längst keine "Ein-Thema-Partei" mehr. Seine rechte Hand, der Parlamentarische Geschäftsführer Stein, hat seit einiger Zeit allerdings ein Problem. Das räumte er auf Nachfrage schon vor der Sitzung ganz offen ein.
Stein wurde Jagdschein entzogen
Denn der Landkreis Ludwigslust-Parchim hat Stein vor einiger Zeit den Jagdschein entzogen, "mit der Begründung", so Stein, "dass ich eben einer politischen Richtung angehöre, der man die Zuverlässigkeit abspricht, Waffen zu führen." Stein verwies dabei am vergangenen Freitag zunächst auf seine Mitgliedschaft in der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative. Die wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet. Am Sonntag erklärte er, es gebe keinen Zusammenhang mit der Jungen Alternative.
Fraglich ist allerdings, aus welchen anderen Gründen die Behörde an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit Stein zweifelt und sich zu dem Schritt entschieden hat. Vorausgegangen sind offenbar Hinweise des Verfassungsschutzes, der überprüft seit einiger Zeit Jäger auf deren Zuverlässigkeiten. Stein ist auch Reserveoffizier der Bundeswehr. Sollte Stein die waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehlen, müsste er seine Waffen abgeben. Stein hält das Vorgehen für Unsinn: "Wir wehren uns juristisch gegen die Entscheidung der Behörde." Der Landkreis Ludwigslust-Parchim wollte sich auf Anfrage nicht äußern - mit Hinweis auf den Datenschutz.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels haben wir den Begriff "Heimat-Freiheit"-Gruppe verwendet. Damit ist lediglich eine journalistische Kategorisierung, aber keine physisch vorhandene Gruppe gemeint gewesen. Deshalb haben wir die Kategorisierung in "Heimat-Freiheit"-Lager verändert.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version haben wir den Begriff „völkisch“ verwendet. Wir haben den Begriff „völkisch“ entfernt, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.
