Bundestagssitzung © Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Wahlrechtsreform: Das sind die Reaktionen aus Mecklenburg-Vorpommern

Stand: 17.03.2023 17:19 Uhr

Der Bundestag hat die umstrittene Wahlrechtsreform beschlossen. Ziel ist es, das Parlament zu verkleinern – zum "Nachteil für MV", so zum Beispiel die Kritik von Innenminister Christian Pegel (SPD).

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) hat Kritik an der Wahlrechtsreform geäußert - und erntet dafür direkt Kritik vom Vorsitzenden der CDU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Philipp Amthor. Die Linke spricht von einem "Angriff auf die Demokratie".

Pegel: Wähler würden verprellt werden

Betroffen seien von der Reform vor allem Bundesländer, in denen Parteien bei Wahlergebnissen relativ dicht beieinander lägen. Pegel erklärte am Freitag: "Das wären bei den Wahlergebnissen der jüngsten Bundestagswahl 2021 vor allem Brandenburg, das Saarland und wir in Mecklenburg-Vorpommern. In meinen Augen kann niemand wollen, dass Wähler so verprellt werden."

Im Gespräch mit NDR 1 Radio MV sagte Pegel zudem: "Dann komme ich in eine Situation, wie bei der letzten Wahl 2021 in Vorpommern-Rügen und in Vorpommern-Greifswald - wenn man das durchrechnet - beide Direktkandidaturen nicht in den Bundestag eingezogen wären. Da erkläre ich Menschen, dass der Gewinner nicht rein darf. Das wird dann ganz schwer."

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Das neue Wahlrecht greift nicht rückwirkend, sondern erst bei der nächsten Bundestagswahl. Mecklenburg-Vorpommern werde im Bundesrat deshalb noch einmal "nachdrücklich" auf diese Folgen hinweisen, so Pegel. Da das Bundeswahlgesetz bei einer Änderung aber nicht die Zustimmung des Bundesrats brauche, seien die Möglichkeiten im Bundesratsverfahren begrenzt.

Philipp Amthor: SPD ist bundespolitisch isoliert

Der Vorsitzende der CDU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Philipp Amthor, der grundsätzlich für eine Verkleinerung des Bundestags ist, sieht in der Reform vor allem ein Problem für die SPD in Mecklenburg-Vorpommern. Hierzu erklärt er: "Dass Christian Pegel jetzt nach dem metaphorischen Spielabpfiff mit Analysen um die Ecke kommt, offenbart mit voller Wucht die bundespolitische Isolation der SPD Mecklenburg-Vorpommern. Noch schlimmer ist es, dass die Landes-SPD insgesamt durch die Gazprom-Skandale von Schwesig und Co. wohl vollkommen ihren bundespolitischen Einfluss eingebüßt hat." In der Bundes-SPD würde man deshalb auf sie auch keine Rücksicht mehr nehmen, so Amthor.

Erik von Malottki: Reform gefährdet direkte Repräsentation ganzer Regionen

Der SPD-Bundestagsabgeordnete aus Vorpommern-Greifswald, Erik von Malottki, schreibt in einer persönlichen Erklärung, er teile zwar das Ziel der Verkleinerung, habe dem Vorschlag aber nicht zustimmen können. Der Grund: Die Reform gefrährde die direkte Repräsentation von ganzen Regionen. Besonders ländliche Gebiete mit umkämpften Wahlkreisen würden benachteiligt. Konkret wären die beiden SPD-Direktkandidaten aus Vorpommern-Rügen und Vorpommern-Greifswald - also auch von Malottki - bei der letzten Wahl nicht in den Bundestag eingezogen, obwohl sie in ihren Kreisen die meisten Stimmen bekommen haben.

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Die Vorsitzenden der Linken in Mecklenburg-Vorpommern, Peter Ritter und Vanessa Müller, sehen in der Wahlrechtsreform "einen schwerwiegenden Angriff auf die Demokratie". SPD, Grüne und FDP würden dadurch versuchen, die "ungemütliche Opposition" zu schwächen, da es durch das Streichen der Grundmandatsklausel insbesondere für Die Linke und die CSU wesentlich schwieriger werden würde, in den Bundestag einzuziehen. Als "skandalös" bezeichneten die beiden Vorsitzenden, dass diese Entscheidung zudem von den Bundestagsabgeordneten der SPD aus Mecklenburg-Vorpommern, Katrin Zschau und Johannes Arlt, mitgetragen wurde. Den Entschluss von Bundes-CSU und -Linke, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um die Rechtmäßigkeit der Reform überprüfen zu lassen, unterstütze deshalb auch die Linke in MV.

Rostocker Politikwissenschaftler zur Wahlrechtsreform

Der Rostocker Politikwissenschaftler Jan Müller hat die von der Berliner Ampelkoalition beschlossene Wahlrechtsreform schon vorab kritisiert. "Die Argumente Größe und Kosten, sind für mich nicht nachvollziehbar. Demokratie sollte uns nicht zu teuer sein." Weiter führt er an: "Wenn stimmenstärkste Wahlkreiskandidaten nicht in den Bundestag einziehen, ist dies schwer zu vermitteln." Zudem sehe er den Wahlrechtsgrundsatz gefährdet, wenn sich in Bundesländern unterschiedliche Prozenthürden für Wahlkreissieger ergäben, um in das Parlament einzuziehen.

Müllers Rostocker Kollege Wolfgang Muno hält eine Wahlrechtsreform hingegen für dringend notwendig und vernünftig, wie er im Gespräch mit NDR 1 Radio MV erklärt. Die aktuelle Reform findet er allerdings trotzdem zu kompliziert und nicht überzeugend. Ein Problem sieht er auch in der fehlenden Akzeptanz der Parteien: "Das ist ja ein Vorschlag der Regierungskoalition, der mit einer kleinen Mehrheit nur im Bundestag beschlossen wird. Und das ist eigentlich auch nicht gut für eine Wahlrechtsreform. Die sollte eigentlich auf einer breiten Mehrheit der Parteien basieren, damit das auch allseitig akzeptiert wird."

Parlament soll auf 630 Abgeordnete verkleinert werden

SPD, Grüne und FDP brachten mit den Stimmen aus ihren Fraktionen am Freitag ihren eigenen Vorschlag durch, das Parlament nach der nächsten Bundestagswahl auf maximal 630 Abgeordnete zu verkleinern. Momentan besteht der Bundestag aus 738 Abgeordneten. Die AfD enthielt sich, während die Union und Linke dagegen stimmten. Der Vorschlag sei aus ihrer Sicht unfair. So könne es nicht sein, dass ein Direktkandidat einen Wahlkreis gewinne, aber trotzdem nicht in den Bundestag einziehe. Sie haben bereits angekündigt, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Ihnen droht nämlich der Verlust des Fraktionsstatus, wenn sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und nur durch Direktmandate in den Bundestag einziehen.

Gestrichen werden soll auch die sogenannte Grundmandatsklausel: So konnte eine Partei auch dann in den Bundestag einziehen, wenn sie nach ihrem Zweitstimmenergebnis zwar die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt, aber mindestens drei Direktmandate gewonnen hatte. Der Ampel-Vorschlag sieht unter anderem auch vor, Überhang- und Ausgleichsmandate abzuschaffen.

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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 17.03.2023 | 15:00 Uhr

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