Krise an der Uni-Medizin: Aufsichtsrat Brodkorb unter Druck
Die Uni-Medizin Rostock (UMR) stürzt immer tiefer in die Krise. Nach der Beurlaubung von Vorstandschef Professor Christian Schmidt gerät Aufsichtsrats-Chef Mathias Brodkorb (SPD) unter Druck. Mehrere Mediziner werfen ihm eigenmächtiges Handeln vor.
Das Klima in den Chefetagen der UMR scheint vergiftet, die Situation ist verfahren: Erst beklagten rund 50 Chefärzte Mängel in der Patientenversorgung. Sie warnten in einem Brief an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) eindringlich vor einem Sparkurs, der vor allem in der Kindermedizin zu Engpässen führe. Dann wurde am Mittwoch Vorstands-Chef Christian Schmidt "freigestellt". Der Aufsichtsrats-Vorsitzende Mathias Brodkorb, der es in der Landesregierung zwischen 2011 und 2019 bis zum Finanz- und Bildungsminister brachte, macht Schmidt in dem Beurlaubungsschreiben allein verantwortlich für die Misere an der UMR - mit 1.100 Betten und 4.700 Mitarbeitern der größte Gesundheitsversorger im Land.
Vorwurf: Brodkorb "holzt rum"
Schmidts Anwälte erklärten, ihr Mandant werde zum Bauernopfer gemacht. Die Vorwürfe, Schmidt habe den Aufsichtsrat und Brodkorb über bestimmte Dinge nicht informiert, seien haltlos. Insider, die nicht namentlich genannt werden wollen, sehen in Schmidt nicht das einzige Problem. Sie werfen Brodkorb vor, in der UMR "rumzuholzen". Ein Vorwurf gegen Brodkorb lautet, er habe trotz der Warnung von Schmidt auf Kosteneinsparungen und Personalkürzungen gedrängt. Tatsächlich geht aus dem Protokoll einer Aufsichtsratssitzung von Mitte November 2020 hervor, dass Schmidt vor Engpässen in der Kindermedizin gewarnt hat. Das Protokoll liegt dem NDR vor. Brodkorb hat danach auf einen Personalabbau bestanden, um die UMR "refinanzierbar" zu halten, also um eine sogenannte "schwarze Null" zu schreiben. Denn die Klinik ist spätestens seit 2019 wirtschaftliches Sorgenkind des Landes. In dem Jahr erwirtschaftete sie einen Verlust von 28 Millionen Euro - ein Minus, dass das Land ausgleichen muss.
Streit um den Sparkurs
Wer in diesen Tagen mit Chefärzten spricht, hört viel Frust über Brodkorb: Er sei in vielen Fällen einfach zu schroff aufgetreten, habe die Leute nicht mitgenommen. Brodkorb führe sich auf, als würde er ein Ministerium führen, beklagen sich Top-Mediziner. "Komplett irre" ist eine andere Bewertung, die immer wieder zu hören ist. Brodkorb hat es offenbar nicht geschafft, die Konflikte um den Sparkurs zu lösen. Er habe sie durch sein Vorgehen wohl noch verschärft. Brodkorb mische sich immer wieder in die Arbeit des Vorstands - also der Fachleute - ein, heißt es. Als Aufsichtsratschef versuche er das operative Geschäft zu erledigen, indem er zum Beispiel Leute anrufe, die als neue Chefärzte an der UMR arbeiten sollen. "Das verwirrt. Die Leute, die fragen sich, was ist da los in Rostock." Der Vorwurf: Mit seinem "Reingrätschen" vergraule der Chef-Kontrolleur auch Mediziner, die nötig sind, um den Personalmangel zu beheben.
Brodkorb widerspricht
In den Augen von Kritikern spiegelt sich Brodkorbs überzogenes Amtsverständnis im Organigramm der UMR wider. Das Schaubild führt den Aufsichtsratschef als Teil des Vorstands auf. Dabei sind beide rechtlich strikt getrennte Gremien. Brodkorb wolle diese Grenzen offenbar verwischen. Brodkorb widerspricht vehement. Er habe die Darstellung im Organigramm nicht entschieden. Fakt sei aber, dass das Landeshochschulgesetz ihm eine beratende Stimme im Vorstand gebe. Er habe allerdings nur selten an Vorstandssitzungen teilgenommen. Auch die anderen Vorwürfe sieht Brodkorb als haltlos an. Die Sanierung der UMR zu begleiten sei seine Aufgabe, erklärte Brodkorb auf Nachfrage: "Es ist nicht ungewöhnlich, sondern gesetzliche Pflicht, in Situationen wie einer Sanierung die Kontrolldichte zu erhöhen", sagte Brodkorb. Würde der Aufsichtsrat diesen Pflichten nicht nachkommen, würde er sich haftbar machen für mögliche Schäden. Brodkorb verweist auf das Landeshochschulgesetz. Das gebe dem Aufsichtsrat zum Beispiel das Recht, Details zur Bezahlung der Chefärzte zu klären. Brodkorbs Lesart lässt sich so interpretieren: Nur weil ich meine Arbeit mache, fühlen sich die Leute auf den Schlips getreten.
Unimedizin als Wahlkampfthema
Aus seinem Umfeld heißt es, die Beurlaubung von Vorstandschef Schmidt habe nichts mit dem Streit um den Sparkurs zu tun. Es gehe um "schwerwiegende Pflichtverletzungen", wie Brodkorb es in seinem Freistellungsbrief an Schmidt auch formuliert hat. Die Entscheidung gegen Schmidt ist im Aufsichtsrat nach NDR Informationen fast einmütig gefallen, es gab acht Ja-Stimmen, kein Votum dagegen und nur eine Enthaltung. Die Krise an der größten Klinik des Landes wird unterdessen immer mehr zum Wahlkampf-Thema. Rostocks Sozialsenator Steffen Bockhahn (Die Linke) meinte auf Twitter, er frage sich, ob da nicht der Falsche gehen musste. Das hieße im Umkehrschluss, nach Ansicht Bockhahns wäre eher Brodkorb fällig gewesen. Die CDU-Landtagsfraktion forderte die Landesregierung auf, dafür zu sorgen, dass die UMR wieder in ruhiges Fahrwasser kommt.
Ministerin Martin taucht weg
Politisch verantwortlich ist Bildungsministerin Bettina Martin (SPD). Die geht allerdings auf Tauchstation. Ihren Sprecher lässt sie immerhin mitteilen: "Es ist wichtig, dass die Angelegenheiten durch den Aufsichtsrat aufgeklärt und zum Wohle der Universitätsmedizin Rostock gute Lösungen herbeigeführt werden." Es gibt Allgemeinplätze, die klingen konkreter. Zur Führungsmisere gibt es von Martin kein Wort, auch nicht zur Frage, ob die Patientenversorgung gesichert ist. Martin vermeidet gleichzeitig ein Bekenntnis zu Brodkorb.
Brodkorbs Mission gescheitert?
Martin hatte ihren Parteifreund mit Rückendeckung von Ministerpräsidentin Schwesig 2019 als Sonderbeauftragten an die Uni-Kliniken Rostock und Greifswald geschickt. Die Mission des Chefkontrolleurs, für Ruhe an der Klinik zu sorgen, scheint vier Wochen vor der Landtagswahl vorerst gescheitert. Die Linksfraktion hat Martin und Schwesig bereits daran erinnert, dass die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern als" Gesundheitsland Nummer 1" spreche. Der Umgang mit der Uni-Medizin passe nicht dazu. Nach NDR Informationen ist die Zukunft der Kinder-Intensivstation an der Klinik noch nicht gesichert - es fehlt das Personal.
