Der frühere Aufsichtsratschef der Universitätsmedizin Rostock, Mathias Brodkorb. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck

Unimedizin Rostock: Brodkorb als Aufsichtsratschef entlassen

Stand: 08.03.2022 05:52 Uhr

Er blieb nur knapp zwei Jahre: Der Aufsichtsratschef der krisengeschüttelten Unimedizin Rostock, Ex-Finanzminister Mathias Brodkorb (SPD), verliert seinen Job. Nachfolger wird Ex-Rechnungshofchef Schweisfurth.

von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV Aktuell

In einer eiligen Pressemitteilung hat Wissenschaftsministerin Bettina Martin am späten Montagabend die Entlassung des 45-Jährigen Parteifreundes bekanntgegeben. Martin zieht offenbar die Notbremse, es ist ein Rauswurf mit Ansage. Seit Monaten kommt die größte landeseigene Klinik mit angegliedertem Forschungsbetrieb nicht aus den Negativ-Schlagzeilen heraus. Es geht um Versorgungsengpässe in der Kinderklinik, um Personalmangel und schlechte Bezahlung in den Tochterfirmen. Dazu kamen im vergangenen Herbst die Querelen um den freigestellten Vorstandschef Professor Christian Schmidt. Trotz aller Anstrengungen hat die Universitätsmedizin Rostock (UMR) noch immer nicht die Verlustzone verlassen und schreibt weiter rote Zahlen.

Kritik auch an Ministerin

Brodkorb - so die Kritiker - soll intern einen Sparkurs durchgesetzt und sich als Aufsichtsratschef in das Alltagsgeschäft eingemischt haben. Durch ein eigenmächtiges Vorgehen soll er viele Chefärzte verprellt haben. Die CDU-Opposition sieht aber auch eine Mitschuld bei der zuständigen Ministerin Martin. Die Union wirft ihr vor, die Dinge laufen gelassen zu haben. Vor der Landtagswahl im vergangenen September hatte sie wegen der Krise an der Uni-Medizin Martins Rücktritt gefordert. Die Vertraute von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wies die Forderungen empört zurück. Sie habe von den Schwierigkeiten an den Kinderklinik nichts gewusst, erklärte sie.

Bekanntgabe des Wechsels nach Anfrage des NDR

Die Bekanntgabe der Personalien Brodkorb/Schweisfurth erfolgte am Montag offenbar in großer Hektik am späten Abend. Vorausgegangen war eine Anfrage des NDR kurze Zeit zuvor. Für eine geplante Berichterstattung über die da noch geheime Ablösung Brodkorbs und die Nachfolge durch Schweisfurth wurde Martin angefragt. Eine Stellungnahme der betroffenen Ministerin einzuholen, gehört zu journalistischen Standards. Die Ministerin gab sich in dem Telefonat ahnungslos und meinte, zu Personalien könne sie nichts sagen. Nur wenige Stunden später kam die Sozialdemokratin dann mit der Pressemitteilung der geplanten NDR Berichterstattung zuvor. "Die Entscheidung haben wir erst jetzt getroffen", sagte sie am Abend in einem erneuten Telefonat zur Begründung.

Start mit Vorschusslorbeeren - Ende ohne Dank

Es ist eine Entscheidung im Groll: Denn in ihrer Mitteilung verliert Martin kein einziges Wort über den Mann, den sie im November 2019 noch mit großen Vorschusslorbeeren noch zum "Sonderbeauftragten" für die beiden Universitätsmedizinen gemacht hatte. Brodkorb sollte die Arbeit der Aufsichtsräte professionalisieren und eine neue Strategie für die kriselnden Kliniken entwerfen. Offenbar ist die Personalie aus Martins Sicht ein Fehlgriff, ihre Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Zum Abschied gab es von der Parteigenossin noch nicht einmal das sonst übliche Dankeswort - der Name Brodkorb wurde schlicht ignoriert. Martin verschweigt in ihrer Erklärung auch, welche finanziellen Folgen die Entlassung für die Landeskasse hat - Brodkorb war eingestellt im Range eines Abteilungsleiters im Ministerium (Grundgehalt 9.200 Euro).

Erneut großes Lob zur Neubesetzung

Brodkorbs Entlassung könnte jetzt als Bauernopfer gewertet werden. Denn die sich unter Martin zuspitzende Krise an der UMR beschäftigt demnächst auch den Landtag: CDU, Grüne und FDP wollen an diesem Mittwoch einen Untersuchungsausschuss zur Lage an der Unimedizin einsetzen - dabei spielt auch Martins Anteil an der Misere eine Rolle. Der neue Chef-Kontrolleur soll ihr offenbar weitgehend den Rücken freihalten. Tilmann Schweisfurth gilt als Experte für Krankenhausfinanzen. Er hatte schon in seiner Zeit als Rechnungshofpräsident die UMR geprüft und auf Fehlentwicklungen hingewiesen. Martin lobt ihn jetzt wie seinerzeit Brodkorb. Schweisfurth sei "hervorragend geeignet, die beiden Universitätsmedizinen zukunftsfest aufzustellen". Offenbar hatte Martin seit Wochen mit Schweisfurth über den neuen Posten verhandelt.

Brodkorb vorerst ohne neue Aufgabe

Der 62-Jährige hat sich auch nach seiner Amtszeit mit Krankenhausfinanzen beschäftigt. Er stellte seine Expertise in anderen Fachgebieten mehrfach in den Dienst des Landes. Schweisfurth schrieb beispielsweise ein Gutachten über die Zukunft der landeseigenen Deponie Ihlenberg. Auftraggeber war der Mann, den er jetzt beerbt: Mathias Brodkorb, damals noch Finanzminister im Kabinett Schwesig. Im April 2019 trat Brodkorb im Streit mit Schwesig zurück, nur um ein halbes Jahr später als Aufsichtsratschef neu zu beginnen. Jetzt steht Brodkorb, der einmal als Anwärter für höchste Aufgaben galt, mit leeren Händen da - vorerst jedenfalls.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 08.03.2022 | 06:00 Uhr

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Gesundheitspolitik

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