Preistafel einer Schweriner Tankstelle am 11. März 2022 © Stefan Ludmann Foto: Stefan Ludmann

Tankrabatt: Kraftstoffe werden wohl nicht sofort billiger

Stand: 30.05.2022 14:34 Uhr

Am Mittwoch (1. Juni) tritt die Senkung der Energiesteuer für Kraftstoffe in Kraft. Laut Bundesfinanzministerium soll Benzin um 35,2 Cent billiger werden, Diesel um 16,7 Cent. Doch Branchenkenner gehen davon aus, dass es noch etwas dauern könnte, bis die Senkungen durchschlagen.

Autofahrer müssen sich möglicherweise auch nach dem 1. Juni noch etwas gedulden, bis die Spritpreise sinken. Das hängt auch davon ab, wieviel Kraftstoff noch in den Tanks der Tankstellen ist. "Weil der Kraftstoff, der sich in den Tankstellen-Erdtanks befindet, bereits versteuert ist - und zwar zu dem Steuersatz, der am Tag des Kaufs galt", sagte der Geschäftsführer des Zentralverbandes des Tankstellengewerbes, Jürgen Ziegner, NDR MV Live. Das bedeute, dass Kunden am 1. Juni womöglich noch nicht den steuergesenkten Kraftstoff tanken würden und dementsprechend noch den nicht gesenkten Spritpreis zahlen müssten. Viele Tankstellen-Betreiber würden es sich nicht leisten können, den teuer eingekauften Sprit billiger abzugeben. Am 1. September, also bei Auslaufen des Tankrabatts, werde das genau umgekehrt sein, so Ziegner.

"Wenn alle zur gleichen Zeit leere Tanks befüllen wollen, dann wird die Logsitik nicht ausreichen"

Ziegner geht davon aus, dass sämtliche Altbestände an Kraftstoffen nach drei bis vier Tagen verkauft seien und dann die Steuersenkungen vollständig durchschlagen. "Ich würde niemandem raten, mit vollständig leerem Tank auf den 1. Juni zu warten", empfiehlt der Verbands-Chef. "Dann könnte es wirklich Schwierigkeiten geben." Bis Pfingsten sollte sich die Lage aber normalisiert haben. Ein weiterer Faktor sei das Vebraucherverhalten. "Wenn alle zur gleichen Zeit leere Tanks befüllen wollen, dann wird die Logsitik nicht ausreichen." Sollte sich die Nachfrage aber einigermaßen verteilen, "dürfte es keine Schwierigkeiten geben."

Mineralölverband: Vereinzelt Engpässe an Tankstellen möglich

Der Hauptgeschäftsführer des Mineralölverbands "Fuels und Energie", Christian Küchen, wies darauf hin, dass es für eine Steuersenkung in dieser Größenordnung noch keine Erfahrungswerte gebe. "Wir gehen aber davon aus, dass die Energiesteuersenkung wegen des intensiven Wettbewerbs der Tankstellen weitergegeben wird." Allerdings kann es laut Küchen zu vorübergehenden Engpässen an einzelnen Tankstellen kommen. Mit der Preissenkung treffe eine hohe Nachfrage der Autofahrer auf ein verknapptes Angebot.

Habeck: Möglicherweise Anfang Juni sogar höhere Spritpreise

Derweil schloss Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nicht aus, dass der Tankrabatt auch zu höheren Spritpreisen führen könne - "wenn alle am 1. Juni zur Tankstelle fahren". Dann sei die Nachfrage noch viel größer "und das Benzin wird auf einmal ein noch kostbareres Gut und dann haben wir den Preis gesenkt, aber in Wahrheit geht er nach oben", sagte Habeck am Freitag RTL/ntv. Das läge dann am Marktgeschehen und würde sich "dann auch wieder beruhigen", so der Minister.

Verbraucherzentrale MV: Mit dem Tanken bis nach Pfingsten warten

Der Vorsitzende des Verbandes des Garagen- und Tankstellengewerbes Nord-Ost, Hans-Joachim Rühlemann, empfahl Verbrauchern, die nicht unbedingt auf ihr Auto angewiesen sind, zum 1. Juni den Tank viertelvoll zu haben. Bei Pendlern sollte es mindestens ein halbvoller Tank sein. Die Verbraucherzentrale MV empfiehlt sogar, erst nach Pfingsten wieder zu tanken, wie Arian Freytag von der Verbraucherzentrale NDR MV Live sagte.

Verband zu Tanktourismus nach Polen: "Mit dem Rücken zur Wand"

Von der Steuersenkung profitierten die Tankstellenbetreiber nicht, sagte Rühlemann. Für die Branche sei die Lage nach wie vor angespannt, vor allem für Betriebe an der deutsch-polnischen Grenze. Seit Februar müssten sie dort einen Umsatzrückgang bis zu 75 Prozent verkraften. "Die Kollegen stehen seit Monaten mit dem Rücken zur Wand und verkaufen praktisch keinen Kraftstoff", sagte er. Händeringend werde gewartet, dass in Deutschland die Preise runtergingen. Dann werde auch der Tanktourismus nach Polen und in andere europäische Länder deutlich abnehmen, sagte Rühlemann.

Rabatt gilt bis Ende August

Ab dem 1. Juni gilt eine Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe. Damit soll Benzin laut Bundesfinanzministerium um 35,2 Cent pro Liter billiger werden, Diesel um 16,7 Cent pro Liter. Der Tankrabatt soll bis Ende August gewährt werden.

 

 

So setzt sich der Benzinpreis zusammen

Etwa die Hälfte - nahezu 50 Prozent - des Benzinpreises entfällt auf Steuern und Abgaben. Dabei handelt es sich um Mehrwertsteuer, Energiesteuer (Mineralölsteuer) sowie den Beitrag an den Erdölbevorratungsverband (EBV).

Zu den Steuern und Abgaben kommt der Einkaufspreis bzw. Produktpreis hinzu. Dieser ist abhängig von der Entwicklung der Rohölpreise, wobei es eine zeitliche Verzögerung zwischen der Rohölpreisentwicklung und der Preisbildung der Mineralölprodukte in Deutschland gibt. Der Einkaufspreis macht etwa 46 Prozent des Benzinpreises aus.

Den geringsten Teil tragen weitere Kosten für Vertrieb, Transport oder Tankstellenpacht bei. Im internationalen Ländervergleich der Benzinpreise rangiert Deutschland in der oberen Hälfte.

 

Weitere Informationen
Die 37 Meter hohen weißen Tanks des Rohbenzin-Tanklagers der Buna Sow Leuna Olefinverbund GmbH (BSL), das seit Ende 1997 Stück für Stück fertiggestellt wurde, überragen die übrigen Tanks im Rostocker Ölhafen. © picture-alliance / ZB | Bernd_Wüstneck Foto: picture-alliance / ZB | Bernd_Wüstneck

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 30.05.2022 | 14:25 Uhr

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